Demonstrationen in der Ukraine EU und USA verurteilen Polizei-Einsatz in Kiew
Brüssel/Kiew - Die Reaktion aus Brüssel kam prompt, und sie fiel deutlich aus: Die Europäische Union hat das brutale Vorgehen der ukrainischen Polizei gegen proeuropäische Demonstranten in Kiew energisch verurteilt. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton kritisierte "den übermäßigen Einsatz von Gewalt durch die Polizei" in der Nacht zum Samstag.
Die Demonstranten hätten lediglich "in starker und beispielloser Weise ihre Unterstützung für die politische Assoziierung und wirtschaftliche Integration der Ukraine mit der EU bekundet", heißt es in der Erklärung. Der "ungerechtfertigte Einsatz von Gewalt" widerspreche den Prinzipien, die noch am Freitag von den Teilnehmern eines Gipfeltreffens der EU mit ihren östlichen Nachbarn und auch vom ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowitsch bekräftigt worden seien. Die EU forderte eine Untersuchung. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden.
Eine Sprecherin des US-Außenministerium sagte in Washington, "Gewalt und Einschüchterung sollten keinen Platz in der heutigen Ukraine haben". Die EU wie auch die USA betonten dabei das Recht auf Versammlungsfreiheit und freie Meinungsäußerung.
Spezialeinheiten der Polizei hatten in der Nacht zum Samstag Proteste von Europa-Befürwortern zerschlagen. Beamte mit Helmen und Schutzschilden stürmten die Versammlung der Regierungsgegner auf dem Unabhängigkeitsplatz und setzten dabei Schlagstöcke und Blendgranaten ein. Mehrere Demonstranten mussten medizinisch behandelt werden.
Die Opposition verurteilte die Polizeiaktion und kündigte einen landesweiten Streik an. Erstmals scheinen dabei die bisher zerstrittenen Gegner von Präsident Janukowitsch gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Die Vorbereitungen für den Ausstand liefen bereits, sagte einer der drei Oppositionschefs, Arsenij Jazenjuk. Außerdem werde ein "Hauptquartier des nationalen Widerstands" eingerichtet.

Protest in Kiew: Opposition fordert Neuwahlen
Ziel sei es, die Regierung zu stürzen und vorgezogene Parlaments- und Präsidentenwahlen zu erzwingen. Die inhaftierte Oppositionspolitikerin und frühere Ministerpräsidentin Julija Timoschenko rief in einem Schreiben dazu auf, gegen Janukowitsch aktiv zu werden. "Am wichtigsten ist es, die Plätze nicht zu verlassen, bis die Autoritäten auf friedlichem Weg gestürzt wurden."
Angesichts der massiven Kritik aus dem In- und Ausland hat nun auch Janukowitsch das gewaltsame Vorgehen der Polizei verurteilt. Er sei "zutiefst empört" über die Gewalt, erklärte Janukowitsch am Samstagabend. "Ich verurteile die Handlungen, die zu einer Konfrontation geführt und Menschen Leid zugefügt haben." Der Staatschef versprach, dass die Verantwortlichen für den Einsatz von Gewalt bestraft würden.
Der Oppositionspolitiker und Boxweltmeister Vitali Klitschko, der bei der Präsidentenwahl 2015 antreten will, rief die EU zu Sanktionen gegen Janukowitschs Führung auf. Der für die Nachbarschaftspolitik verantwortliche EU-Kommissar Stefan Füle und die US-Botschaft in Kiew zeigten sich besorgt über das Vorgehen der Polizei-Spezialeinheit "Berkut" (Steinadler).
Bereits am Freitag hatten sich die Spannungen in der Ukraine zugespitzt, nachdem Janukowitsch auf dem EU-Osteuropagipfel in der litauischen Hauptstadt Vilnius das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union scheitern ließ. Stattdessen strebt er eine engere Zusammenarbeit der früheren Sowjetrepublik mit Russland an. Dies lehnen vor allem jüngere Ukrainer ab, die sich der EU öffnen wollen.
Die Europa-Befürworter versammelten sich am Freitag zu Protesten in der Hauptstadt. Musiker spielten, und es herrschte fast Festtagsstimmung auf dem Unabhängigkeitsplatz, bevor die Sicherheitskräfte eingriffen. Die Bereitschaftspolizei sei aktiv geworden, nachdem die Demonstranten Müll, Flaschen, Wasserflaschen und Fackeln auf Beamte geworfen hätten, teilte das Innenministerium mit. Zunächst wurden 35 Menschen festgenommen, später jedoch wieder freigelassen. Mehrere Demonstranten wurden am Freitag und Samstag verprügelt, darunter auch ein Reuters-Kameramann und -Fotograf. Regierungstreue entfernten Anti-Janukowitsch-Poster und politische Graffiti.
Am Sonntag wollen wieder Zehntausende für die Annäherung an die Europäische Union demonstrieren.