Ukraine-Krise Wie Russland auf die Sanktionen reagiert

Empfindliche Strafen sollen Russland zum Einlenken im Ukraine-Konflikt zwingen. Wie reagiert Präsident Putin? Welche Wirtschaftszweige sind betroffen? Was geschieht, wenn Moskau nicht einlenkt? Die wichtigsten Antworten im Überblick.
Russlands Präsident Putin: Unter Druck

Russlands Präsident Putin: Unter Druck

Foto: AFP/ RIA Novosti

Wie sehr treffen die Wirtschaftssanktionen Russland wirklich?

Als besonders gravierend gelten die EU-Sanktionen gegen die russischen Banken. Sie befinden sich mehrheitlich in Staatshand. Künftig dürfen die Geldinstitute keine neuen Wertpapiere auf den europäischen Kapitalmärkten verkaufen. Damit wird Russland zunehmend Probleme haben, an frisches Geld zu kommen - zuletzt deckten die Institute auf den EU-Finanzmärkten 47 Prozent ihres Kapitalbedarfs. Folgen des begrenzten Zugangs, so das Kalkül der EU, könnten ein Anstieg der Zinsen, geringere Investitionen und ein niedrigeres Wirtschaftswachstum sein.

Nicht nur der Finanzsektor ist von den Strafen der EU und USA betroffen. Russland ist künftig auch von sogenannten Dual-Use-Gütern abgeschnitten, die auch in der Rüstungsindustrie verwendet werden. Dies gilt für neue Verträge. Zudem erhält das Land keine Hochtechnologie für Förderanlagen in der Ölindustrie mehr. Einer Studie der EU zufolge werden die Strafmaßnahmen Russland allein in diesem Jahr rund 23 Milliarden Euro kosten (1,5 Prozent des BIP). Die Länder der EU wiederum, so argumentieren Gegner, müssen Einbußen von 40 Milliarden Euro hinnehmen. Allerdings macht das im Verhältnis nur 0,3 Prozent des BIP der EU aus.

Ölverladung bei Wladiwostok: Künftig wird keine Spitzentechnologie für die Erschließung von Erdölfeldern in der Tiefsee mehr geliefert

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Foto: REUTERS

Wie reagiert Moskau, gibt es Gegensanktionen?

"Destruktiv und kurzsichtig" nennt die russische Regierung die Sanktionen - und droht mit "sehr konkreten Konsequenzen", darunter höheren Energiepreisen. Moskau kündigte zudem an, ab Freitag den Import von Obst und Gemüse aus Polen weitgehend zu verbieten. Das Land ist ein enger Verbündeter der Ukraine. Die offizielle Begründung: Warschau habe "wiederholt" gegen Regeln zur Nahrungsmittelsicherheit verstoßen. Das Verbot könnte auch auf andere Länder und Lebensmittel ausgeweitet werden, so die russische Drohung.

Auch US-Unternehmen werden unter Druck gesetzt: Seit Wochen läuft eine Untersuchung der russischen Verbraucherschutzbehörde gegen McDonald's. Am Mittwoch forderte ein Duma-Abgeordneter, auch die Qualität der Produkte der Fast-Food-Ketten KFC und Burger King zu überprüfen.

Wie berichten die russischen Medien über die verschärften Strafmaßnahmen?

Die staatlich kontrollierten Fernsehsender demonstrieren Zweckoptimismus. Mit den Folgen für die eigene Volkswirtschaft setzen sie sich nicht auseinander, anders als die wenigen unabhängigen Medien. Stattdessen rechnen die Kreml-treuen Stationen vor, wie hoch der Schaden für EU und USA sein wird. Sie prophezeien einen "Bumerang-Effekt" - stellen die Europäische Union als Erfüllungsgehilfe der USA dar.

Moskaus Geschäftsviertel: Putin will seine Wirtschaft unabhängiger machen

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Foto: © Mikhail Voskresenskiy / Reute/ REUTERS

Steht die russische Bevölkerung noch hinter Putin?

Die Unterstützung für den Präsidenten ist nach wie vor hoch. Laut einer Umfrage des unabhängigen Meinungsforschungsinstituts Lewada machen sich knapp zwei Drittel der russischen Bürger keine Sorgen angesichts der westlichen Sanktionen. Das mag auch damit zusammenhängen, dass viele Russen glauben, nicht direkt betroffen zu sein. Den Demoskopen zufolge glauben ebenfalls zwei Drittel der Befragten, dass die Maßnahmen nur auf einen engen Kreis abzielen: die russische Elite, die für die Ukraine-Politik verantwortlich ist.

Gibt es Versuche von russischer Seite, die Sanktionen abzumildern?

Die russische Zentralbank erklärte am Mittwoch, dass sie, "wenn notwendig", die von den Maßnahmen betroffenen russischen Banken unterstützen werde. Präsident Putin und seine Minister predigen seit Wochen, dass sich die russische Wirtschaft autarker machen müsse. "Russland kann absolut alles selbst machen", verkündete Außenminister Sergej Lawrow. Erst am Montag hatte der Staatschef die Waffenunternehmen des Landes aufgefordert, schneller Importe durch eigene Produkte zu ersetzen. Die russischen Rüstungsunternehmen leiden jedoch, weil wichtige Zulieferer aus der Ukraine nicht mehr liefern.

Wie sollen die Wirtschaftsmaßnahmen politisch wirken?

Im besten Fall hofft die EU, dass Moskau schon nach dieser ersten harten Stufe der Wirtschaftssanktionen im Ukraine-Konflikt einlenkt. Deshalb nennen Diplomaten die jetzt beschlossenen Schritte auch nicht Strafmaßnahmen, sondern Anreize zur Verhaltensänderung. Deutschland hatte darauf gedrungen, dass die einjährigen Sanktionen nach spätestens drei Monaten überprüft werden. Dies soll Moskau die Chance geben, sich zu bewegen.

Prorussische Kämpfer in Donezk: Wird Moskau die Separatisten weiter mit Waffen versorgen?

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Foto: Stringer/ dpa

Die EU und USA fordern seit Monaten eine Waffenruhe in der Ostukraine, die von den moskautreuen Separatisten nachprüfbar eingehalten wird; dazu den Stopp von russischen Waffenlieferungen an die Guerilla-Truppen, die Freilassung der rund hundert Geiseln durch prorussische Milizen und den Beginn von ernsthaften Friedensverhandlungen. Bisher hat Moskau nach Einschätzung des Westens aber immer nur geblufft, wenn es darum ging, diese Forderungen zu erfüllen.

Was passiert, wenn Putin stur bleibt?

Die 28 EU-Mitgliedstaaten sind bereit, die Sanktionen nach der Dreimonatsfrist noch einmal zu verschärfen. Putin hatte schon seit einigen Wochen signalisiert, OSZE-Beobachter an der russisch-ukrainischen Grenze zuzulassen. Dass russische Behörden sie am Dienstag einreisen und ihre Arbeit beginnen ließen, kann möglicherweise als ein Signal ersten Entgegenkommens verstanden werden. Oberstes Ziel bleibt, Moskau zu Respekt gegenüber den Grenzen und Souveränitätsrechten seiner Nachbarn anzuhalten.

Wäre Putin dazu erkennbar bereit, könnten Ost und West bald wieder miteinander sprechen. Gerade die Bundesregierung hat stets betont, neben Sanktionen müsse auch der Dialog mit Moskau weitergehen. Das sehen die Amerikaner aller kämpferischen Rhetorik zum Trotz ähnlich. Schließlich braucht der Westen Moskau mittelfristig als Partner: etwa im Syrien-Konflikt, bei den Atomverhandlungen mit Iran oder dem Abzug der US-Truppen aus Afghanistan.


Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, Putin habe jetzt signalisiert, OSZE-Beobachter an der russisch-ukrainischen Grenze zuzulassen. Tatsächlich hat er dies bereits seit Längerem signalisiert, an diesem Dienstag sind die Beobachter nun eingereist. Wir haben den Text entsprechend angepasst und bitten um Entschuldigung.

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