Ukrainegipfel in Paris Maximales Wohlwollen

Gipfeltreffen in Paris mit (v.l.) Selenskyj, Merkel, Macron und Putin
Foto: Charles Platiau/ AFPMan redet wieder miteinander. Das ist das wichtigste Ergebnis des Pariser Gipfeltreffens, auf dem am Montag die Zukunft des Donbass erörtert wurde. Die Staats- und Regierungschefs der Ukraine, Russlands, Frankreichs und Deutschlands haben nicht nur bis in die Nacht verhandelt, sie haben auch verabredet, sich schon in vier Monaten ein weiteres Mal zu treffen. In anderen Worten: Das Normandie-Format, also ukrainisch-russische Gespräche im Beisein des französischen Präsidenten und der deutschen Kanzlerin, ist soeben wiederbelebt worden. Nach drei langen Jahren der Stille ist das ein wichtiges Resultat.
Alle anderen Abmachungen des Pariser Gipfels sind dagegen nur kleine, wenn auch wichtige Schritte. Von einem Durchbruch ist man weit entfernt - aber der war realistischerweise auch nicht zu erwarten.
- Erstens wurde ein Waffenstillstand verabredet - aber einen solchen Waffenstillstand gibt es ja bereits, es handelt sich also lediglich um eine Bekräftigung. Immerhin will man die Truppenentflechtung fortführen, die der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj gegen große Widerstände im eigenen Land durchgeführt hat. Bis zum März 2020 sollen an drei weiteren Orten entlang der Front Truppen zurückverlegt werden.
- Zweitens soll noch bis Jahresende ein umfassender Gefangenenaustausch stattfinden. Aber wer als Gefangener infolge des Konflikts gilt, darüber besteht allerdings keine Einigkeit. Vorerst wird es sich also nicht um jenen Austausch "alle gegen alle" handeln, der als Ziel auf dem Papier steht.
- Und drittens hat man über künftige Lokalwahlen in den Separatistengebieten geredet, wo bisher Moskau-treue und faktisch vom Kreml direkt eingesetzte Machthaber das Sagen haben. Die Schlusserklärung des Gipfels hält dazu eine Verpflichtung Kiews fest: Es soll die sogenannte Steinmeier-Formel in Gesetzesform gießen. Die Formel legt fest, dass die bisherigen Separatistengebiete automatisch einen Sonderstatus innerhalb des ukrainischen Staats erhalten werden, sobald die OSZE die Lokalwahlen dort als frei und fair anerkennt. Kiew hat in Minsk dieser Formel bereits zugestimmt.
Präsident Selenskyj hat - in einem gesonderten Presseauftritt - außerdem eine weitere Hürde aus dem Weg geräumt. Er hat sich dafür ausgesprochen, ein bereits existierendes Gesetz über den Status der Separatistengebiete zu verlängern, das zum Jahresende ausläuft.
Es sind kleine praktische Schritte, aber bis zum kommenden Gipfel in vier Monaten wird Zeit genug sein, ihre Durchführung zu überprüfen. Und es wird sich dann auch zeigen, ob Selenskyjs Kalkül aufgeht, das am Montagabend auf der Pariser Pressekonferenz deutlich wurde. Es besteht darin, mit überschaubaren Zugeständnissen und versöhnlichen Gesten möglichst viel Wohlwollen bei seinen westlichen Partnern zu erzeugen. Diese sollen ihm dann helfen, die für Kiew inakzeptablen Punkte des Minsker Abkommens flexibler auszugestalten. Wladimir Putin, so ist zu befürchten, wird nicht dazu bereit sein.
Und offen bleibt eine weitere Frage - die nach dem Gastransit. Bei einem bilateralen Treffen Selenskyjs mit Putin wurde darüber gesprochen, zu welchen Bedingungen die Ukraine weiterhin russisches Gas nach Westeuropa leitet - eine Frage, die durch den Ablauf eines Transitvertrags und den Bau der Unterwasserpipeline Nord Stream 2 an Brisanz gewonnen hat. Einzelheiten wurden nicht bekannt.
Selenskyj gab sich zuversichtlich, der Ton in Paris war höflich und respektvoll. Das erste Treffen mit Putin war für den unerfahrenen ukrainischen Präsidenten eine schwierige Herausforderung. Er scheint sie bestanden zu haben.