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Dutzende Tote in Odessa: Angriff mit Brandbomben

Foto: STRINGER/ REUTERS

Südukraine Dutzende Menschen sterben in brennendem Gebäude in Odessa

In der südukrainischen Millionenstadt Odessa eskaliert die Gewalt. Bei Straßenschlachten geriet ein Gebäude in Brand, Dutzende Menschen kamen dabei qualvoll ums Leben.

Odessa - Bei Krawallen in der Stadt Odessa am Schwarzen Meer sind Dutzende Menschen gestorben. Ein Gewerkschaftsgebäude geriet bei Straßenschlachten in Brand, viele Menschen kamen darin qualvoll ums Leben.

Das ukrainische Innenministerium sprach am Abend von 31 Toten. Die meisten von ihnen seien durch Rauchgasvergiftungen gestorben, weitere an Verletzungen, die sie sich durch panische Sprünge aus den Fenstern zugezogen hätten. Insgesamt 50 Menschen, darunter zehn Polizisten, mussten demnach medizinisch behandelt werden. Das Feuer sei auf "kriminelle Brandstiftung" zurückzuführen.

Noch gibt es keine gesicherten Angaben darüber, welcher Seite des Konflikts die Opfer zuzurechnen sind. Vor dem Brand hatten sich offenbar zwei Demonstrationszüge durch die Innenstadt bewegt, sowohl pro-russische Anhänger als auch Unterstützer der ukrainischen Regierung - es kam zu blutigen Kämpfen, Steine und Brandbomben flogen. Vier Menschen wurden getötet, mindestens 15 verletzt.

Der Reporter Howard Amos  ist für den "Guardian" in Odessa vor Ort. Amos beschreibt, dass zunächst ein Zeltlager prorussischer Demonstranten vor dem Gewerkschaftsgebäude in Flammen aufging. Daraufhin hätten sich Aktivisten aus dem Camp in dem fünfstöckigen Bau verschanzt. Fotos zeigen Menschen vor dem Gebäude, die die ukrainische Fahne schwenken. Dann wurde die Situation vollends chaotisch: Aus dem Gebäude flogen Brandbomben und Steine. Ukrainische Aktivsten, so "Guardian"-Reporter Amos, hätten daraufhin das Gebäude gestürmt. Kurze Zeit später seien aus dem Erdgeschoss Flammen geschlagen. Schüsse seien zu hören gewesen. Mehrere Menschen hätten sich aus dem Fenster gestürzt.

Nach wochenlangen Unruhen im Osten der Ukraine waren die Krawalle in Odessa der erste offene Gewaltausbruch im Süden des Landes.

Odessa liegt unweit der Krim-Halbinsel, deren umstrittener Anschluss an Russland im März die Krise weiter eskalieren ließ.

Kriegsszenen in Slowjansk

Neben Odessa war vor allem Slowanjsk am Freitag Schauplatz der Gewalt.

Ukrainische Militärverbände hatten die Rebellenhochburg im Osten des Landes in den vergangenen Tagen bereits umstellt, nun stießen sie in Richtung des Zentrums vor. Die Hälfte des Stadtgebiets sei erobert worden, so die Übergangsregierung in Kiew. Die Rebellen allerdings behaupten das Gegenteil: Lediglich über Straßenzüge am Rande der Stadt habe man die Kontrolle verloren.

Der Einsatz der Truppen war der bislang massivste Versuch, die Kontrolle über die Stadt zurückzugewinnen. Bodentruppen mit gepanzerten Fahrzeugen wurden aus der Luft unterstützt von Kampfhubschraubern, Helikopter setzten Spezialeinheiten im Kampfgebiet ab.

Schwer waren allerdings auch die Verluste der Sicherheitskräfte: Bereits in den ersten Stunden der Offensive schossen die Rebellen zwei Mi-24 Kampfhubschrauber hab. Mindestens zwei Besatzungsmitglieder wurden getötet.

Geiselnehmer Ponomarjow: "Wir werden siegen"

Auch die prorussischen Milizen meldeten Opfer. Der selbsternannte "Volksbürgermeister" Wjatscheslaw Ponomarjow wandte sich in einer Videobotschaft an die Einwohner von Slowjansk. "Unsere Stadt wird gestürmt. Wir haben Verluste. Aber ich denke, wir werden unsere Stadt verteidigen. Wir werden siegen."

Kiews Offensive kam denn auch bereits am frühen Nachmittag ins Stocken. An den Ausfallstraßen stellten sich Zivilisten den Kolonnen in den Weg und hinderten die Panzerfahrzeuge an der Weiterfahrt. Am späten Nachmittag räumte auch Übergangspräsident Turtschinow Probleme ein: Der Kampfeinsatz in der Ostukraine gehe "nicht so schnell voran, wie wir uns das wünschen".

Können die Wahlen in den besetzten Gebieten stattfinden?

Schon jetzt scheint fraglich, ob die für den 25. Mai geplanten Wahlen in Donezk, Slowjansk und anderen besetzten Städten überhaupt stattfinden können. Tun sie es nicht, hätte Moskau einen Vorwand, um auch den neuen Präsidenten als "illegitim" abzulehnen.

Die Regierung stecke "in einer Falle", sagt Premierminister Arsenij Jazenjuk. Einerseits fordere die Mehrheit der Bevölkerung endlich entschlossene Schritte gegen die bewaffneten Rebellen. Andererseits würden Anti-Terror-Operationen fast zwangsläufig zivile Opfer fordern - und Kreml-Chef Wladimir Putin damit "einen idealen Vorwand" geben, so Jazenjuk.

Am Abend blockierten ukrainische Truppen und Sicherheitspersonal laut der Nachrichtenagentur AP alle größeren Straßen in der Stadt. Die meisten Geschäfte seien geschlossen, in den wenigen geöffneten hätten sich lange Schlangen gebildet.

usp/Reuters/AP/AFP
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