Außenminister im Baltikum Steinmeier auf Beruhigungs-Tour

Frank-Walter Steinmeier reist durch die baltischen Staaten. Der Außenminister will den schärfsten Kritikern der deutschen Russland-Politik zeigen, dass er ihre Sorge vor Moskaus Expansionsdrang in der Ukraine-Krise ernst nimmt. Auch seine politische Reputation steht auf dem Spiel.
Außenminister Steinmeier (in Tallinn): "Unterschiedliche Perzeptionen"

Außenminister Steinmeier (in Tallinn): "Unterschiedliche Perzeptionen"

Foto: RAIGO PAJULA/ AFP

Es gibt mehrere Arten, über das russische Vorgehen in der Ukraine zu sprechen. Man kann auf die Gefahr hinweisen, dass die Moskauer Doktrin vom Schutz russischer Bürger im Ausland auch auf andere Staaten anwendbar sei. Das ist die Sichtweise, die der estnische Außenminister Urmas Paet am Dienstag in Tallinn vorträgt. Die territoriale Integrität aller Mitgliedstaaten müsse geachtet werden, sagte er, und erwähnt die Nato. Es ist die Sprache der Konfrontation.

Man kann auch über Dialogangebote, diplomatische Lösungen und letzte Auswege reden, so wie Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier das bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Paet tut. Auch er nennt das russische Vorgehen inakzeptabel. Er redet über weitere Sanktionen, wenn die Krim sich für den Anschluss an Russland entscheide. Aber Steinmeier spricht auch von "unterschiedlichen Perzeptionen" auf Seiten der Europäer. Man ist sich nicht einig, wie man mit den Russen umgehen soll. Das ist der Grund für seinen Besuch.

Einen Tag lang reist Steinmeier durch die Hauptstädte des Baltikums. Es ist eine Beruhigungstour durch die Region, in der seine Kritiker sitzen. Esten, Litauer und Letten haben den Dialogkurs der Bundesregierung von Beginn an skeptisch gesehen. Sie hätten sich ein entschiedeneres Auftreten gewünscht, schnelle Sanktionen statt neuer Gesprächsangebote. Er wolle mit der Reise ein Signal setzen, sagt Steinmeier daher jetzt. "Wir lassen Estland und die Balten nicht allein." Die Krise in der Ukraine sei auch eine Angelegenheit von EU und Nato.

Steinmeiers Appelle wirken zunehmend hilflos

Ob das Signal die Balten wirklich beruhigt, scheint ungewiss. Die Ereignisse erinnerten die Letten daran, "was mit den baltischen Staaten 1940 geschah, als die UdSSR uns brutal okkupiert hat", sagt der lettische Außenminister Edgar Rinkewics nach seinem Gespräch mit Steinmeier. Das ist die große Sorge der Letten, Esten und Litauer: Nähme man Putins Argumentation vom Schutz der russischen Bevölkerung auf der Krim ernst, dann ließe sich damit auch eine erneute Intervention auf dem Baltikum rechtfertigen, wo eine große russische Minderheit lebt. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Putin so weit gehen würde, aber dass die Balten nervös sind, kann man verstehen. Wie soll Steinmeier sie beruhigen?

"Wir verstehen, dass hier im Baltikum ganz besondere Sorgen sind", versichert der Außenminister. "Wir müssen das als gemeinsames europäisches Problem empfinden." Seine Politik des Dialogs will er noch nicht aufgeben. "Es muss in einer solchen Situation immer die Möglichkeit der Umkehr geben", sagt er. Erfolg hat er damit bislang nicht. Putin spricht mit dem Westen, gleichzeitig treibt er die Annexion der Krim voran. Niemand weiß, ob er noch weiter gehen und auch Teile der Ostukraine annektieren wird. Die Gesprächsappelle Steinmeiers wirken zunehmend hilflos.

Einmal dachte er, dass zumindest der Beginn einer Lösung erkennbar sei. Dass war nach den Verhandlungen einiger EU-Außenminister und des Amerikaners John Kerry mit ihrem russischen Kollegen Sergej Lawrow am vergangenen Mittwoch in Paris. Lawrow sprach von einem guten Gespräch. Es schien möglich, dass Russland der Kontaktgruppe unter Einschluss der ukrainischen Regierung zustimmen würde, für die Steinmeier warb.

Für Steinmeier steht viel auf dem Spiel

Am nächsten Tag stimmte das Parlament der Krim für einen Beitritt zur russischen Föderation. Eine entsprechende Volksabstimmung wurde auf den 16. März vorgezogen. Der russische Föderationsrat erklärte, er werde die Beitrittsentscheidung der Krim respektieren. Am Dienstag, während Steinmeier durchs Baltikum tourte, erklärte das Regionalparlament in Simferopol formal die Unabhängigkeit der Krim. Von der Kontaktgruppe redet kaum noch jemand.

Entsprechend verhärtet sich Steinmeiers Ton. Die Unabhängigkeitserklärung nennt er einen "Beitrag zur weiteren Zuspitzung". In Riga spricht der SPD-Politiker davon, dass die EU sich vorbereiten müsse auf den Fall, dass die Krim zu Russland komme. Am Montag, am Tag nach dem Referendum, wird man wohl neue Sanktionen beschließen, es ist die zweite Stufe des Drei-Stufen-Plans, den die EU vergangene Woche vorgelegt hat. Man sieht Steinmeier an, dass er sich damit nicht wohlfühlt. Harte Sanktionen des Westens werden eine harte Reaktion Russlands provozieren. Wer hat am Ende etwas davon?

Für Steinmeier steht viel auf dem Spiel. Wenn es zur Eskalation kommt, ist er einer der Verlierer. Er hat auf die Gesprächsfähigkeit des russischen Präsidenten Wladimir Putin gesetzt. Putin hat das Angebot abgelehnt. Steinmeiers Kritiker im In- und Ausland werden ihm und Bundeskanzlerin Angela Merkel Naivität (CDU) vorwerfen. Ob eine härtere Linie bessere Ergebnisse gebracht hätte, ist zweifelhaft, aber das nutzt Steinmeier nichts.

Vielleicht stimmt Putin überraschend doch noch einer Kontaktgruppe zu, wer weiß das schon. Falls nicht, würde Steinmeiers Politik als gescheitert gelten. Das weiß er. "Gute Vorschläge sind nicht dann gut, wenn man sie macht, sondern nur, wenn sie akzeptiert werden", sagt er in Tallinn. Es ist ein treffender Kommentar zur eigenen Außenpolitik.

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