Ukraine-Krise Nervenkrieg um OSZE-Inspekteure
Kiew/Hamburg/Berlin - Die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine nehmen erneut zu. Der ukrainische Verteidigungsminister schickte am Samstag eine scharfe Warnung in Richtung Moskau: Sollten russische Truppen unter dem Deckmantel einer friedenserhaltenden Operation in die Ukraine eindringen, würde Kiew militärisch antworten. "Die Vereinten Nationen haben Russland kein Mandat für einen solchen Einsatz gegeben", sagte Kowal der Nachrichtenagentur Interfax. "Wenn sie kommen, werden wir Kampfoperationen durchführen."
Der ukrainische Übergangsregierungschef Arsenij Jazenjuk warf Russland vor, mit der Verletzung des ukrainischen Luftraums einen Krieg provozieren zu wollen. "Russische Militärflugzeuge haben heute Nacht den ukrainischen Luftraum siebenmal durchkreuzt und verletzt", sagte Jazenjuk bei einem Besuch in Rom. "Der einzige Grund ist, die Ukraine zu provozieren, einen Krieg zu beginnen."

Regierung besorgt: Deutsche "Kriegsgefangene" in Slowjansk
Unterdessen geht das Tauziehen um die in Slowjansk festgesetzten Inspekteure der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) weiter. Ein Verhandlungsteam der OSZE sei auf dem Weg in die Region, erklärte das Auswärtige Amt in Berlin. Bei den festgesetzten Inspekteuren handelt es sich um Militärexperten, die auf Einladung der Ukraine in dem Land unterwegs sind. Nach Angaben von Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sind unter den Festgehaltenen vier Deutsche. Die festgesetzten Inspekteure haben nicht direkt mit der "Special Monitoring Mission" zu tun, die am 21. März von den 57 OSZE-Staaten, darunter auch Russland, vereinbart wurde. Ihr gehören im Moment etwa hundert zivile Beobachter an.
Im "Wiener Dokument 2011 der Verhandlungen über vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen" gewähren die OSZE-Mitgliedsländer Inspektionen von "Bezeichneten Gebieten", um festzustellen, ob dort militärische Aktivitäten stattfinden. "Die Inspektionsgruppe darf das bezeichnete Gebiet zu Lande und aus der Luft inspizieren", heißt es in dem Dokument. "Sie wird durch Vertreter des Empfangsstaats begleitet."
Genau daran hielten sich die Militärinspekteure in Slowjansk: Sie wurden von fünf ukrainischen Soldaten begleitet. Wjatscheslaw Ponomarjow, der "Volksbürgermeister" von Slowjansk, erklärte, in ihrem Bus seien "Munition und andere Kampfmittel" sowie Karten mit Informationen über die Kontrollpunkte der Separatisten gefunden worden. Die Gruppe wurde daraufhin festgesetzt, Ponomarjow bezeichnete die Beobachter als "Kriegsgefangene".
"Diese Menschen sind Berufssoldaten - im Unterschied zu einem OSZE-Team, mit dem ich mich vor kurzem normal unterhalten habe", sagte Ponomarjow in einem am Samstag vom russischen Fernsehen ausgestrahlten Interview. Der Milizenführer Denis Puschilin, Chef der selbsterklärten Republik Donezk, nannte die Inspekteure "Spione der Nato". Sie würden "nur gegen unsere eigenen Gefangenen getauscht", sagte Puschilin Reportern vor dem Sitz der Spezialkräfte in Slowjansk, wo die Beobachter festgehalten werden.
OSZE schickt Verhandlungsteam in die Ukraine

Krise in der Ukraine: Brennpunkte im Osten des Landes
Foto: SPIEGEL ONLINEDie Aufständischen lassen momentan keine ukrainischen Soldaten in die Stadt. Am Donnerstag kamen beim Angriff von ukrainischen Spezialkräften mindestens zwei Aufständische ums Leben, am Freitag erklärte der Kommandeur der "Ukrainischen Nationalgarde" Stepan Poltoraka, die Stadt sei von der ukrainischen Nationalgarde umzingelt - um "den Terroristen keine Möglichkeit zu geben, Verstärkung zu erhalten."
EU berät über neue Sanktionen gegen Moskau
Neben regulären ukrainischen Armee-Einheiten sollen vergangenen Woche auch Kämpfer des "Rechten Sektors" versucht haben, einen Kontrollpunkt in Slowjansk zu stürmen. Das sagte Juri Kowaltschuk, ein Kämpfer des "Rechten Sektors", am Freitag dem US-Journalisten Simon Ostrovsky. Auch Mitglieder der "Jüdischen Hundertschaft des Maidans" seien in Slowjansk aktiv, sagte deren Kommandeur Nathan Chasin zu SPIEGEL ONLINE.
Unterdessen wollen führende europäische Diplomaten nach Angaben aus EU-Kreisen am Montag über weitere Sanktionen gegen Russland sprechen. Das Treffen sei für den Mittag geplant, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters am Samstag. Die sieben führenden Industriestaaten hatten sich auf ein härteres Vorgehen gegen Russland verständigt. Die Regierung in Moskau solle dafür bestraft werden, dass sie nicht zu einer Entspannung der Lage in der Ukraine beigetragen habe. Details waren zunächst offen. Ein US-Regierungsvertreter sagte, die USA könnten bereits am Montag zusätzliche Strafmaßnahmen verhänge