Krise in der Ostukraine Ukrainische Soldaten wechseln mit Panzern die Seiten
Die ukrainischen Soldaten sollen in der Ostukraine eigentlich für Ruhe sorgen - doch ihre Unterstützung für die neue Regierung in Kiew schwindet. In Kramatorsk haben am Mittwochmorgen sechs Panzer der ukrainischen Armee die Seiten gewechselt.
Mit russischer Flagge und der Fahne der Region Donezk fuhren sie unter den erstaunten Blicken der Bevölkerung durch die Stadt. Ein paar Menschen jubelten ihnen zu.
"Wir haben seit Wochen nichts Vernünftiges zu essen bekommen, Kiew hat uns vergessen. Jetzt reicht es uns", rief einer der Soldaten. "Wir sind das Volk", rief ein anderer. Auf jedem der alten Panzer saßen rund ein Dutzend ukrainische Soldaten. An ihrer Uniform trugen manche die orange-schwarze Schleife, das Sankt-Georgs-Band. Die Soldaten signalisieren damit, dass sie die autonomen Republik Donezk befürworten und die neue Regierung in Kiew ablehnen.
Diese hatte am Dienstag eine "Anti-Terror-Aktion" gegen die Separatisten in der Ostukraine begonnen, die in mehreren Städten öffentliche Gebäude, darunter auch Polizeiwachen, besetzt haben.
Die ukrainische Regierung meldete am Dienstag, der Flughafen von Kramatorsk sei zurückerobert worden. Doch die aus Kiew geschickten Soldaten wurden von einer wütenden Menschenmenge belagert.

Panzer mit russischer Flagge: Fahnenflucht in der Ostukraine
Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, im rund 15 Kilometer entfernt gelegenen Slawjansk seien sechs Panzerfahrzeuge unter russischer Flagge aufgefahren. Die Lage ist unübersichtlich, unklar ist, ob es sich um die Wagen aus Kramatorsk handelt.
Der Konvoi sei aus der Richtung der 15 Kilometer entfernt gelegenen Stadt Kramatorsk gekommen, meldete Reuters. Der Panzer an der Spitze trage eine russische Flagge. Auf den Dächern der Wagen saßen nach Angaben der Agentur rund 15 bewaffnete Männer in Uniformen. Sie trugen zum Teil Sturmhauben und waren mit Kalaschnikow-Gewehren, Granatwerfern, Messern und Pistolen bewaffnet. Eines der Fahrzeuge trug das Emblem der von den Separatisten ausgerufenen Volksrepublik Donezk. Einige Bewohner der Stadt winkten den Männern zu und riefen: "Russland, Russland" oder "Gut gemacht, Jungs!".
Auch AP berichtete von Panzerfahrzeugen. Einer der Soldaten, der sich Andrej nannte, sagte, seine Einheit sei Teil der 25. Brigade der ukrainische Luftwaffe und sei nun zu den prorussischen Kräften übergelaufen.
Dpa meldet, dass in Kramatorsk und Slawjansk Regierungseinheiten mit bis zu zehn gepanzerten Fahrzeugen zu den Aktivisten übergelaufen seien.
Wie insgesamt die Situation in der ukrainischen Armee aussieht, die in der Ostukraine im Einsatz ist, ist unklar. Die übergelaufenen Panzer scheinen aber bisher eher eine Ausnahme zu sein. Am Mittwochmittag kündigte die Regierung in Kiew nach Angaben von Reuters an, dass der Verteidigungsminister Michail Kowal nach Kramatorsk reisen werde, um die Situation dort zu klären.
Zudem gibt es Meldungen, dass bewaffnete Separatisten in Donezk das Rathaus gestürmt haben. Dies habe eine Ratssprecherin mitgeteilt. Die prorussischen Aufständischen waren mit Kalaschnikows bewaffnet. Das Sicherheitspersonal leistete keinen Widerstand gegen die Besetzung. Angestellten des Rathauses wurden von den Bewaffneten nicht am Zutritt zu dem Gebäude gehindert.
Wie eine AFP-Reporterin berichtete, erklärten die prorussischen Kämpfer, ihre einzige Forderung sei die Organisation eines Referendums über die Bildung einer "föderalistischen" Ukraine. In Donezk halten Moskaugetreue seit Anfang April bereits der Sitz der Regionalregierung besetzt.
Der ukrainische Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk beschuldigte Russland, den "Terrorismus in die Ukraine zu exportieren". Die Führung in Moskau benutze verdeckt operierende Truppen, um bewaffnete Separatisten zu organisieren, die die ukrainischen Soldaten angriffen und Verwaltungsgebäude besetzten.
