Fotostrecke

Krise in der Ukraine: Krim-Besatzer ohne Hoheitszeichen

Foto:

Genya Savilov / AFP

Krim-Krise Ukraine versetzt Militär in Alarmbereitschaft

Wird die Krim-Krise zum Krim-Krieg? Das russische Parlament gibt Präsident Putin grünes Licht für einen Militäreinsatz auf der ukrainischen Halbinsel. Die Regierung in Kiew versetzte ihrerseits die Streitkräfte in Alarmbereitschaft. Obama warnt Moskau vor Isolation - und zieht erste Konsequenzen. Der Nachrichtenüberblick.

Kiew/Moskau/Berlin/Washington - Am Samstag hat sich der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine um die Schwarzmeer-Halbinsel Krim noch einmal verschärft. Russlands Parlament hatte am Samstagnachmittag einem Militäreinsatz in der Krim-Region zugestimmt. Den Antrag dafür hatte Präsident Wladimir Putin gestellt, er wurde schnell und einstimmig vom Oberhaus angenommen.

Hier lesen Sie alle wichtige Ereignisse des Tages im Überblick:

  • Die Lage auf der Krim:

In der Regionalhauptstadt Simferopol umstellten nach wie vor unidentifizierte Truppen, die wohl im Interesse Russlands handeln, das Regionalparlament. Ähnliche Einheiten patrouillieren auf zwei Flughäfen und in der Hafenstadt Sewastopol, in der die russische Schwarzmeerflotte ihren Heimathafen hat. Auch in Balaklawa außerhalb von Sewastopol sind Bewaffnete unterwegs, an deren Fahrzeugen Nummernschilder der russischen Armee befestigt sind.

  • Die Entscheidungen im Kreml:

Im Schwarzmeerhafen Sewastopol liegen wichtige Teile der russischen Schwarzmeerflotte, dazu zählen Atom-U-Boote und Kriegsschiffe. Unter dem prorussischen Ex-Präsidenten Wiktor Janukowitsch war der freie Zugang gesichert. Nach dessen Sturz fürchtet Russland um seinen Einfluss in der Region.

Den Antrag an das Parlament in Moskau, auf der Krim russisches Militär einsetzen zu dürfen, hatte Putin mit diesen beiden Punkten begründet: Es sei notwendig, russische Bürger auf der Krim und die dort stationierten Streitkräfte zu schützen. Nach ukrainischen Angaben sollen bereits 6000 russische Soldaten auf die Halbinsel verlegt worden sein. Russlands Parlament stimmte einem Militäreinsatz in der Krim-Region zu und gab damit Putin freie Hand.

In einem Telefonat mit US-Präsident Barack Obama sagte Putin, dass sich Russland bei einer Zunahme der Gewalt in östlichen Gebieten der Ukraine sowie auf der Krim das Recht vorbehalte, seine Interessen und die Interessen der dort lebenden russischsprachigen Bevölkerung zu verteidigen.

Denkbar wäre sogar, dass Putin erwägt, auf der Krim eine Art russisches Protektorat zu errichten. In die Karten spielen könnte ihm dabei ein Referendum über den Autonomiestatus der Krim. Die prorussische Regionalregierung unter Premier Sergej Aksjonow hatte es am Samstag um knapp zwei Monate vorverlegt. Nun sollen die Krim-Bewohner schon am 30. März über mehr Autonomie von der ukrainischen Regierung in Kiew abstimmen.

  • Die Reaktion in der Ukraine:

Vitali Klitschko, Boxweltmeister mit Präsidentschaftsambitionen, rief am Samstag zur "Generalmobilmachung" in der Ukraine auf, nachdem das russische Parlament einer Militäraktion in der Krim-Region zugestimmt hatte. Ansonsten blieb es in Kiew erstaunlich ruhig: Der neue ukrainische Regierungschef Arsenij Jazenjuk hatte noch vor der Moskauer Entscheidung erklärt, die Ukraine werde auf Provokationen nicht mit Gewalt reagieren. Er forderte Russland auf, seine Truppen von der Krim abzuziehen. Der ukrainische Außenminister Andrej Deschtschitsja teilte mit, Russland habe Beratungen mit Kiew verweigert, in denen es um Garantien für die territoriale Integrität der Ukraine gehen sollte.

Die Regierung in Kiew versetzte allerdings ihrerseits die Streitkräfte in Alarmbereitschaft, gab Übergangspräsident Alexander Turtschinow am Samstagabend in einer Fernsehansprache bekannt. An Russland erging die Warnung, jede militärische Intervention werde zum Krieg zwischen der Ukraine und Russland führen.

Zudem bat die Ukraine die Nato um militärischen Beistand, Außenminister Deschtschitsja sagte, die Regierung in Kiew habe eine entsprechende Anfrage an die Nato übermittelt. Darin sei das Bündnis gebeten worden, alle Möglichkeiten zu prüfen, um die territoriale Integrität und Souveränität der Ukraine sowie deren Bevölkerung und die nuklearen Anlagen zu schützen.

  • Die Sorge des Westens:

Es wächst die Angst, dass sich die Krim-Krise zu einem russisch-ukrainischen Krieg ausweiten könnte. "Was auf der Krim geschieht, besorgt uns", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie stehe in Telefonkontakt mit den Verantwortlichen in Moskau und Kiew und dem US-Präsidenten. Auch Frankreichs Außenminister Laurent Fabius sagte, er sei "äußerst besorgt" über die Berichte aus der Ukraine, "in denen bedeutsame Truppenbewegungen beschrieben werden".

Barack Obama machte deutlich, was ein russischer Militäreinsatz in der Ukraine aus Sicht des Westens bedeuten würde: Eine Verletzung der ukrainischen Souveränität und territorialen Integrität wirke "zutiefst destabilisierend". Eine russische Intervention wäre eine "Verletzung internationalen Rechts".

Nach dem 90-minütigen Telefonat Obamas mit Putin am Samstagabend teilte das Weiße Haus mit, der US-Präsident habe seinen Amtskollegen vor einer weiteren "politischen und wirtschaftlichen Isolierung" gewarnt, sollte Moskau mit der Verletzung der internationalen Gesetze fortfahren. Als Konsequenz aus dem Moskauer Vorgehen auf der Krim nehme die USA nicht an der Konferenzen zur Vorbereitung des G-8-Treffens im russischen Sotschi teil. Putin hatte sich in dem Gespräch das Recht vorbehalten, Russlands Interessen und die der russischstämmigen Einwohner zu schützen. Obama hatte Putin aufgefordert, die russischen Streitkräfte auf der Halbinsel zurückzurufen.

Für das westliche Militärbündnis Nato erklärte dessen Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, die 28 Nato-Partnerstaaten stünden in "engen Konsultationen". Weiter sagte er: "Eine Deeskalation der Lage auf der Krim ist dringend nötig." Am Sonntag wird der Nato-Rat in Brüssel über die Lage in der Ukraine beraten, teilte Rasmussen am Samstagabend über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Anschließend würde dann die Nato-Ukraine-Kommission tagen.

Die europäischen Außenminister wollen sich laut EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton Montagmittag zu einer Sondersitzung in Brüssel treffen. Danach werde sie den russischen Außenminister Sergej Lawrow treffen. Am Mittwoch werde sie nach Kiew reisen. Ashton fordert die russische Regierung auf, ihre Ziele mit friedlichen Mitteln zu verfolgen. Die Entscheidung, eine Truppenentsendung in die Ukraine zu genehmigen, sei eine unnötige Eskalation der Spannungen. Sie forderte Russland auf, den Militäreinsatz zu unterlassen.

  • Die Reaktion der Weltgemeinschaft:

Am Samstagabend ist auf Antrag Großbritanniens der Uno-Sicherheitsrat in New York zu einer Dringlichkeitssitzung zusammenkommen. Es ist bereits die zweite Sitzung des wichtigsten sicherheitspolitischen Organs der Weltgemeinschaft binnen 24 Stunden zur Ukraine. Russland hat als ständiges Mitglied ein Vetorecht, eine kraftvolle Erklärung oder gar Sanktionen waren also nicht zu erwarten.

Der ukrainische Uno-Botschafter Juri Sergejew forderte den Sicherheitsrat bei der Sitzung auf, alles ihm Mögliche zu tun, um Russlands Vorgehen auf der Krim Einhalt zu gebieten. Russische Soldaten seien illegal auf ukrainisches Territorium vorgedrungen "und ihre Zahl steigt stündlich", sagte er. Sergejew forderte die Entsendung internationaler Beobachter. Die "Aggression" gegen die Ukraine müsse gestoppt werden.

Russlands Uno-Botschafter Witali Tschurkin wies die Anschuldigungen zurück, sie seien "voller Fehler". Die Krise habe nicht sein müssen, die Verantwortlichen säßen aber in Kiew.

US-Botschafterin Samantha Power sagte, es sei Zeit, die russische Intervention zu beenden. "Wir brauchen einen Dialog, keine Soldaten." Die neue Regierung in Kiew habe Gespräche angeboten, doch Russland ignoriere das und reagiere mit Militär. Auch sie plädierte für die Entsendung von Uno-Beobachtern.

Uno-Generalsekretär Ban Ki-Moon will mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin telefonieren und sich um Deeskalation bemühen. Ban rief außerdem zur unverzüglichen Wiederherstellung von Ruhe und Dialog in der Ukraine auf. Es müsse einen "direkten Dialog zwischen allen Betroffenen geben, um die gegenwärtige Krise beizulegen", sagte ein Sprecher Bans in New York.

cht/sun/dpa/Reuters/AFP
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten