Ukrainegipfel in Paris Teilnehmer vereinbaren Waffenstillstand in Ostukraine

Ein Teilabzug von Truppen, ein Gefangenenaustausch und eine vollständige Umsetzung des Waffenstillstands bis Ende des Jahres: Beim Ukrainegipfel in Paris sind konkrete Schritte für eine Lösung des Ukrainekonflikts beschlossen worden.
Gipfeltreffen in Paris mit (v.l.) Selenskyj, Macron, Putin und Merkel: Es war das erste Mal, dass sich die Präsidenten Russlands und der Ukraine persönlich trafen

Gipfeltreffen in Paris mit (v.l.) Selenskyj, Macron, Putin und Merkel: Es war das erste Mal, dass sich die Präsidenten Russlands und der Ukraine persönlich trafen

Foto: ALEXEI NIKOLSKY/SPUTNIK/KREMLIN POOL/POOL/EPA-EFE/REX

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich "sehr zufrieden" mit den Ergebnissen des Ukrainegipfels in Paris gezeigt. "Wir haben heute die Zeit des Stillstands überwunden", sagte sie am späten Montagabend nach dem Treffen mit Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dessen ukrainischem Kollegen Wolodymyr Selenskyj. Es seien "realistische Dinge" vereinbart worden.

Die Gipfelteilnehmer verständigten sich unter anderem auf eine vollständige Umsetzung des Waffenstillstands in der Ostukraine bis Ende des Jahres und einen weiteren Truppenrückzug in drei weiteren Gebieten an der Demarkationslinie bis Ende März.

Vorgesehen ist laut der Gipfelerklärung auch ein Gefangenenaustausch bis Ende 2019. Dabei geht es um einen Austausch von 250 Gefangenen aus Kiew gegen 100 aus Luhansk und Donezk. Eine konkrete Vereinbarung dazu gab es aber nicht, sondern lediglich die Absichtserklärung, mit Hilfe der Kontaktgruppe in der Region und des Roten Kreuzes den Austausch umzusetzen.

Beim Gipfel gab es auch ein Bekenntnis zur "Steinmeier-Formel" für einen Sonderstatus der ostukrainischen Regionen Luhansk und Donezk. Das war Putin besonders wichtig. Die nach dem Bundespräsidenten und Ex-Außenminister Frank-Walter Steinmeier benannte Formel regelt , in welchen Schritten der Status für die russischsprachigen Regionen Luhansk und Donezk eingeführt werden kann.

Selenskyj: Viele Fragen bleiben ungeklärt

"Wir haben uns auf klare, deutliche Schritte und Termine zu ihrer Umsetzung geeinigt", sagte Selenskyj zu den Ergebnissen. Innerhalb von 30 Tagen sollen auch neue Übergangspunkte für die Bevölkerung an der Frontlinie eingerichtet werden - auf der Grundlage von humanitären Kriterien. Neben des Waffenstillstands soll auch ein Plan für die Minenräumung umgesetzt werden.

Es sei "sehr positiv", dass er den Dialog mit Putin wieder aufgenommen habe, sagte Selenskyj. Dennoch blieben auch nach dem Treffen noch viele Fragen ungeklärt. Innerhalb der kommenden vier Monate wollen die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine erneut zu Gesprächen im sogenannten Normandie-Format zusammentreffen.

Macron sagte bei einer Pressekonferenz im Anschluss an den Gipfel: "Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, um den politischen Mut und die Entschlossenheit des Präsidenten der Ukraine seit seiner Wahl zu würdigen, Frieden in den Konflikt im Osten seines Landes zu bringen." Den Konflikt in der umkämpften Ostukraine nannte Macron eine "offene Wunde im Herzen Europas".

Putin: "Ja, ich bin zufrieden"

Es war das erste Mal, dass sich Putin und Selenskyj persönlich getroffen haben. Bisher hatten sie nur miteinander telefoniert. "Ja, ich bin zufrieden", sagte Putin später am Abend über sein Gespräch mit Selenskyj. Es dauerte eine Stunde und 20 Minuten - deutlich länger als geplant. Im Anschluss an das bilaterale Treffen wurden dann die Beratungen bei einem gemeinsamen Abendessen mit Merkel und Macron fortgesetzt.

Putin nannte die Ergebnisse des Gipfels einen Fortschritt für die Menschen in der Ostukraine. Er lobte bei einer Pressekonferenz, dass Merkel und Macron sich für eine Lösung des Konflikts einsetzten. Er trage die Gipfelerklärung in vollem Umfang mit, sagte Putin.

Foto von der Pressekonferenz der Gipfelteilnehmer

Foto von der Pressekonferenz der Gipfelteilnehmer

Foto: CHARLES PLATIAU/POOL/EPA-EFE/REX

Der Ukrainegipfel im Pariser Elysée-Palast hatte am Montagnachmittag begonnen. Die Bundesregierung erhoffte sich neue Impulse für den Friedensprozess in der Ostukraine, wo Regierungstruppen gegen prorussische Separatisten kämpfen. Die französische Präsidentschaft baute auf konkrete Fortschritte zur Umsetzung der Minsker Friedensabkommen.

Der Gipfel in Paris wird auch als "Normandie-Treffen" bezeichnet, weil es die erste Zusammenkunft dieser Art im Juni 2014 in der Normandie gab - diese Region liegt nordwestlich von Paris.

Ringen im Gas-Streit geht weiter

Ein weiterer Punkt, der bei dem Gipfeltreffen eine Rolle spielte, war der Gas-Streit zwischen Russland und der Ukraine. Beide Länder einigten sich in Paris noch nicht über einen Gas-Transit nach Europa ab dem kommenden Jahr. Selenskyj sagte in der Nacht zum Dienstag zwar: "Mir scheint, dass wir die Blockade in dieser Frage überwunden haben." Details müssten aber noch geklärt werden. Auf Beraterebene würden bereits die künftigen Mengen an Erdgas und andere Details des Transits besprochen.

Ende des Jahres läuft das zehnjährige Transitabkommen aus, nach dem russisches Gas durch die Ukraine nach Westen geliefert wird. Um eine Verlängerung des Vertrags wird seit Langem gerungen. Gespräche unter Vermittlung der EU sind bislang ohne Ergebnis geblieben.

Sowohl Selenskyj als auch Putin haben ein Interesse an einem neuen Vertrag: Russland steht bei den EU-Staaten als Erdgaslieferant in der Pflicht für die Energiesicherheit in Europa. Die Ukraine wiederum ist das wichtigste Transitland für russisches Gas und wegen ihrer schwierigen Finanzlage dringend auf die Gebühren für die Durchleitung angewiesen.

aar/dpa/AFP/Reuters
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