Schockierende Umfrage Tiefer Graben zwischen Großbritannien und Europa

Cameron beim EU-Gipfel: Beschwerde über Kommissar Andor
Foto: HANDOUT / REUTERSLondon - Das Verhältnis der Briten zur Europäischen Union ist traditionell mies. Seit Jahrzehnten gehören Attacken über den Ärmelkanal hinweg zum politischen Geschäft: Bloß keine zu große Annäherung, bloß nicht über den Tisch ziehen lassen. Aktuell eckt Premier David Cameron mit seiner Meinung zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union in Brüssel an. Die EU kritisiert seine Pläne zur Ausweisung arbeitsloser Ausländer scharf.
Zuletzt nutzte Cameron ein Abendessen der Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel in Vilnius, um sich bei Kommissionspräsident José Manuel Barroso über Sozialkommissar László Andor zu beschweren. Der Ungar hatte Camerons Pläne gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit scharf kritisiert und Großbritannien davor gewarnt, "das hässliche Land der EU" zu werden.
Doch die Briten haben ihr Image innerhalb der EU längst weg, wie eine Umfrage zeigt. Das Institut Opinium hat laut einem Bericht des "Guardian" 5000 Menschen in den vier EU-Staaten Deutschland, Frankreich, Polen und Großbritannien über das Verhältnis zwischen Kontinent und Insel befragt. Das Ergebnis ist verheerend.
Was die anderen über die Briten denken
Die Befragten bewerteten die Briten als äußerst feindlich gegenüber der EU und ihrer Politik eingestellt - feindlicher als die Menschen in allen übrigen Staaten der Union. Zudem brachte die Erhebung zutage, dass es auf dem Kontinent eine auffallend geringe Unterstützung für eine Mitgliedschaft Londons in der EU gibt.
Gleichzeitig zeigt die Umfrage jedoch, dass es in Frankreich und Deutschland durchaus eine breite Mehrheit dafür gibt, den Briten ihren speziellen Weg der Mitgliedschaft zu lassen. Das legt nahe, dass Cameron möglicherweise sein Ziel eines maßgeschneiderten Arrangements für sein Land erreichen könnte.
Die Briten selber sehen sich der Umfrage zufolge in der Regel nicht als Europäer. In anderen EU-Staaten geben sich die Bürger dieses Attribut sehr viel öfter.
Die Umfrage brachte zudem zutage:
- 26 Prozent der Briten betrachten die EU als "insgesamt gute Sache",
- 42 Prozent kreuzten "schlechte Sache" an.
Zum Vergleich:
- In Polen sagten 62 Prozent "gut" und 13 Prozent "schlecht",
- in Deutschland 55 Prozent "gut" und 17 "schlecht",
- in Frankreich 36 Prozent "gut" und 34 "schlecht".
Umgekehrt sagen nur neun Prozent der Deutschen und 15 Prozent der Franzosen, dass das Vereinigte Königreich einen positiven Einfluss auf Europa hat.
Cameron kündigte bereits vor Monaten an, neue Bedingungen für einen Verbleib der Briten in der EU aushandeln zu wollen. Seinen Landsleuten hat er für den Fall seiner Wiederwahl bei den Unterhauswahlen 2015 ein Referendum über den Verbleib in der EU versprochen.
Die Vorstellung eines Austritts Londons schockiert die meisten Europäer nicht. Der Umfrage im "Guardian" zufolge sagen nur 24 Prozent der Franzosen, dass ein solcher Schritt einen negativen Effekt hätte, bei den Deutschen sagen das 36 Prozent und bei den Polen immerhin 51 Prozent.
Allianz für Europa
In der britischen Politik schmiedet sich nun eine breite Allianz von Europa-Befürwortern quer durch alle Parteien. Dazu gehören auch der frühere Außenminister der Tories, Malcolm Rifkind, und der stellvertretende Premierminister Nick Clegg. Sie fordern eine sofortigen Abwehr der zunehmenden antieuropäischen Stimmung. Rifkind sagte dem "Guardian": "Wir brauchen eine ernsthafte Debatte über den tatsächlichen Nutzen - und die Probleme - einer britischen EU-Mitgliedschaft."
Clegg bezeichnete die Europawahl im kommenden Jahr als Prüfmarke. Den EU-Gegnern sagte er, dass jeder um den Reformbedarf in Brüssel wisse. "Aber immer nur von der Seitenlinie zu nörgeln und mit dem Austritt zu flirten, untergräbt den britischen Führungsanspruch in der EU, schließt einen Reformvorschlag aus und lässt Britannien zunehmend isoliert zurück."