Umsturz in Libyen China scheut Anerkennung der Gaddafi-Rebellen
Peking/Tripolis - Die Rebellen in Libyen haben die Kontrolle über weite Teile des Landes übernommen, viele Staaten haben die Gegner des geflüchteten Despoten Muammar al-Gaddafi bereits als neue Machthaber bestätigt. Doch China erkennt ihre Vertretung nicht als rechtmäßig an.
Man werde den Nationalen Übergangsrat erst als legitime Regierung anerkennen, wenn die "Zeit reif ist", sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Peking. Wann dies der Fall sei, sagte Sprecherin Jiang Yu nicht. China stehe jedoch in Kontakt mit dem Übergangsrat und unterstütze dessen Rolle in Libyen.
Chinas Rolle im Libyen-Konflikt ist zwiespältig. Erst gestern hatten Berichte für Irritationen im Westen gesorgt, wonach die Volksrepublik Gaddafi auf Anfrage große Mengen an Waffen und Munition angeboten haben soll. Laut Dokumenten, die der kanadischen Tageszeitung "The Globe and Mail" vorliegen, boten staatlich kontrollierte chinesische Rüstungskonzerne der damaligen libyschen Führung noch im Juli Lieferungen im Umfang von mindestens 200 Millionen Dollar (150 Millionen Euro) an - ungeachtet des Uno-Embargos, das Waffenlieferungen ausdrücklich verbietet.
China räumt Waffengespräche ein
Außenamtssprecherin Jiang räumte ein, dass chinesische Rüstungsfirmen mit Gaddafi-Vertretern über Waffenkäufe sprachen. Sie sagte, Peking werde seine Kontrollen über Waffenexporte verschärfen. Zugleich wiederholte Jiang die Linie Pekings, dass keine Verträge unterzeichnet worden und keine Waffen tatsächlich geliefert worden seien.

Vertreter des Übergangsrats sagten der Nachrichtenagentur Reuters, sie hätten Beweise, dass in den vergangenen Monaten nicht nur aus China, sondern auch aus Europa Waffen an Gaddafi geliefert worden seien. Laut einem Sprecher sind Waffen über Mittelsmänner sowie über Algerien ins Land gelangt. Man untersuche Verbindungen nach China und in osteuropäische Staaten, sagte er. Der Sprecher der Rebellen sagte nun, es herrsche Uneinigkeit, wie man mit Regierungen umgehe, die Waffen an Gaddafi geliefert haben.
Über den Verbleib des Despoten werden weiter Mutmaßungen angestellt. Für neue Spekulationen sorgte in der Nacht zum Dienstag die Nachricht, dass ein Konvoi mit bewaffneten Truppen des Regimes nach Angaben von Augenzeugen und Militärs in der Stadt Agadez im Norden Nigers eingetroffen ist. Ein Augenzeuge sagte, die Gaddafi-Truppen hätten zahlreiche Waffen bei sich gehabt. Die Angaben zur Anzahl der Wagen schwanken zwischen mehreren Dutzend und 250.
An der Spitze des Konvois fuhr den Angaben zufolge Rissa Ag Boula, ein Anführer vom Stamm der Tuareg. Der frühere Tourismusminister führte vor zehn Jahren einen Unabhängigkeitskrieg der Tuareg-Nomaden an, ehe er in Libyen Zuflucht suchte. In zehn Wagen des Konvois seien Gold, Euro- und Dollarnoten aus einer Bank in Gaddafis Heimatstadt Sirt außer Landes gebracht worden, meldet die Agentur Reuters unter Berufung auf einen Sprecher des Übergangsrats.
Der Konvoi sei von der Armee Nigers eskortiert worden, berichtet Reuters weiter. Ein namentlich nicht genannter französischer Militär sagte, Gaddafi könne möglicherweise zum Konvoi hinzustoßen und sich ins benachbarte Burkina Faso absetzen - das westafrikanische Land hatte ihm Asyl angeboten. Der Militär wies darauf hin, dass sich ein derart großer Konvoi nicht ohne Wissen der Nato bewegen könne. Laut einem örtlichen Armeevertreter hat sich der Konvoi am Dienstag auf den Weg in die Hauptstadt Niamey gemacht.
Gaddafi-Hochburg vor Rebellen-Einnahme
Nach den Worten seines Sprechers Mussa Ibrahim ist Gaddafi immer noch in Libyen. Ibrahim sagte nach Angaben des arabischen Fernsehsenders al-Dschasira in der Nacht zum Dienstag einer TV-Station in Syrien weiter, dem 69-Jährigen gehe es gesundheitlich ausgezeichnet, und er sei guter Stimmung. Gaddafi-Sohn Saif al-Islam sei auch in Libyen und wechsle seinen Aufenthaltsort häufig, sagte Ibrahim.
Nach tagelangen Verhandlungen steht offenbar eine der letzten Hochburgen Gaddafis vor dem Fall: Einheiten des Übergangsrats wollen kampflos in Bani Walid einrücken. Sie hätten mit Vertretern der Wüstenstadt eine Abmachung erreicht, um Kämpfe zu vermeiden, berichtet al-Dschasira. Die Einigung müsse aber noch endgültig bestätigt werden. Dann könnten die Aufständischen die Stadt noch am Dienstag unter ihre Kontrolle bringen.
Die Rebellen belagern seit einer Woche die Stadt, deren Bewohner sich geweigert hatten, sich den Rebellen zu ergeben. Man hatte bislang erwartet, dass es erneut Kämpfe mit Gaddafi-loyalen Truppen geben würde. Nähere Details zur Abmachung sind bislang noch nicht bekannt.
Bani Walid, rund 140 Kilometer südöstlich von Tripolis, ist einer der Orte, an denen die Aufständischen Gaddafi vermutet hatten. Dort leben viele Angehörige des Stamms der Warfalla, der mit einer Million Mitgliedern ein Sechstel der libyschen Bevölkerung ausmacht. Gaddafi hatte vergangene Woche in einer Audiobotschaft gesagt, die Warfalla gehörten zu jenen, die ihn bis zum Tod verteidigen würden.