Umstrittener Orbán-Freund Ein Ritterkreuz für den Menschenfeind

Zsolt Bayer
Foto: Zoltan Mathe/ picture alliance / dpaEr ruft dazu auf, Roma-Kinder mit dem Auto zu überfahren. "Zigeuner" sind für ihn "Tiere, die nicht sein dürfen", Juden "stinkende Exkremente", alle Flüchtlinge über vierzehn Jahre "potenzielle Terroristen". Europapolitiker bezeichnet er als "Bastarde" oder "gehirnamputierte, an Krätze leidende Idioten". Regelmäßig kommen in seinen Texten Wörter wie "Wichser" oder "Arschgesicht" und noch deutlich blumigere Ausdrücke vor. So hört es sich an, wenn Zsolt Bayer schreibt.
Doch der 53-Jährige ist nicht irgendein unflätiger Rechtsextremist, sondern einer der bekanntesten und einflussreichsten ungarischen Publizisten. Bayer gehörte 1988 zu den Mitbegründern der heutigen ungarischen Regierungspartei Fidesz, von 1990 bis 1993 war er deren Pressechef. Mit dem Ministerpräsidenten Viktor Orbán verbindet ihn eine enge Freundschaft. Bayer organisiert federführend auch die sogenannten Friedensmärsche, bei denen sich in den letzten Jahren regelmäßig Zehntausende Menschen versammelten, um Orbáns Anti-EU-Kurs zu verteidigen. Die Schlachtrufe lauteten: "Hände weg von Ungarn!" oder "Wir werden keine Kolonie sein!"
Führende Fidesz-Politiker finden, dass Bayer mit Formulierungen bisweilen übertreibt, doch in der Partei und unter vielen Fidesz-Anhängern genießt er Kult- und Guru-Status. Er gilt als jemand, der es wagt, die Dinge beim Namen zu nennen - und es auch kann, weil er keine Parteifunktion hat.
Am vergangenen Samstag nun erhielt Bayer eine hohe staatliche Auszeichnung - das "Ritterkreuz des ungarischen Verdienstordens", Anlass war der Nationalfeiertag am 20. August. An diesem Tag, der an den Staatsgründer Ungarns, König Stephan den Heiligen erinnert, vergibt die ungarische Staatsführung traditionell hohe Auszeichnungen an Persönlichkeiten, die sich um Ungarn verdient gemacht haben.
Als das Portal 444.hu bei der Regierung nachfragte, mit welcher Begründung Bayer ausgezeichnet werde, lautete die Antwort aus der Kanzlei des Ministerpräsidenten Orbán so: "Zsolt Bayer erhält das Ritterkreuz verdientermaßen, auf Antrag der Gemeinschaft der Gulag-Opfer und in Anerkennung seiner journalistischen Tätigkeit, in der er zahlreiche nationale Belange behandelt, insbesondere das Schicksal der Gefangenen aus den Gulag-Zwangsarbeitslagern sowie das Leben der Auslandsungarn, das er authentisch und würdig darstellt."
Das Menschenfeindlichste, was die ungarische Publizistik zu bieten hat
In Ungarn sorgte die Auszeichnung für große Empörung unter Intellektuellen, Künstlern, Bürgerrechtlern und Oppositionspolitikern. Als Erster gab der ehemalige Ombudsmann Ungarns, Jenö Kaltenbach, seinen staatlichen Verdienstorden zurück, den er 2005 erhalten hatte. Mehr als 30 weitere prominente Ordensempfänger entschlossen sich seitdem zu demselben Schritt, darunter auch Andras Heisler, der Vorsitzende des Verbandes der jüdischen Gemeinden in Ungarn (Mazsihisz) sowie mehrere Wissenschaftler, Journalisten und Unternehmer. Die Begründung der Protestierenden: Sie wollten nicht in einer Reihe stehen mit jemandem wie Bayer, der rassistische, antisemitische und antiziganistische Texte schreibe. "Nicht einmal virtuell möchte ich mich in der selben Gesellschaft befinden wie Zsolt Bayer", so Heisler.
Tatsächlich gehören Bayers Texte zu dem Menschenfeindlichsten, was die zeitgenössische ungarische Publizistik zu bieten hat. Im Oktober 2006 schrieb er nach einem grausamen Lynchmord an einem Lehrer, der von einem wütenden Roma-Mob begangen worden war: "Wenn jemand ein Zigeunerkind überfährt, handelt er richtig, wenn er nicht anhält. Wenn es darum geht, Zigeunerkinder zu überfahren, sollten wir kräftig aufs Gaspedal treten."
Im Januar 2011 bezeichnete er den Pianisten András Schiff und den Europapolitiker Daniel Cohn-Bendit - als Synonym für Juden allgemein - als "stinkende Exkremente" und suggerierte, dass "leider versäumt" wurde, alle Juden zu massakrieren. Zwei Jahre später schrieb Bayer folgende Zeilen: "Ein bedeutender Teil der Zigeuner ist nicht geeignet, unter Menschen zu leben. Sie sind Tiere. Diese Tiere sollen nicht sein dürfen. In keiner Weise. Das muss gelöst werden - sofort und egal wie."
Mehr Anerkennenswertes als Fehler
Für diesen Artikel wurden er und die Zeitung "Magyar Hírlap", die ihn publiziert hatte, 2013 zu einer Geldstrafe von umgerechnet 800 Euro verurteilt. Es war der erste Fall, in dem der von der Orbán-Regierung 2010 gegründete Medienrat einen Journalisten verurteilte. Auch für andere Hasspublizistik wurde Bayer verurteilt. So etwa stufte Ungarns Oberstes Gericht 2013 einen Artikel von Bayer als eindeutig antisemitisch ein; 2014 wurde Bayer dafür verurteilt, dass er die Europa-Abgeordnete Ulrike Lunacek in einer Fernsehsendung 2012 eine "gehirnamputierte, an Krätze leidende Idiotin" genannt hatte.
Obwohl Bayers Artikel in Ungarn und auch international immer wieder für Empörung sorgten, distanzierte sich Ungarns Regierungschef Viktor Orbán bisher noch nie von den antihumanistischen Tiraden seines Freundes. Andere Fidesz-Politiker fanden gelegentlich kritische Worte, so etwa der heutige EU-Kommissar Tibor Navracsics, der als stellvertretender Regierungschef 2013 Bayers Ausschluss aus der Fidesz-Partei forderte, nachdem der "Ziegeuner-sind-Tiere"-Artikel erschienen war. Wirkung hatte das jedoch nicht.
Auch jetzt sieht die ungarische Regierung keinen Anlass, Zsolt Bayer den Verdienstorden wieder zu entziehen. Orbáns Kabinettschef János Lázár, der Bayer am Samstag die Auszeichnung überreicht hatte, erteilte entsprechenden Forderungen eine Absage. RTL-Ungarn sagte er: "In der Arbeit von Bayer gibt es viel mehr Anerkennenswertes als Fehler, deshalb halte ich die Auszeichnung für eine richtige Sache."
Zusammengefasst: Der Autor Zsolt Bayer gilt als eine Kultfigur für die Anhänger der heutigen ungarischen Regierungspartei Fidesz - und seinen Kritikern als menschenverachtend und rassistisch. Immer wieder zieht er in seinen Texten übel über Roma und Juden her. Trotzdem bekam er nun eine hohe staatliche Auszeichnung - das "Ritterkreuz des ungarischen Verdienstordens". Mehr als 30 prominente Ungarn aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur gaben daraufhin ihre Orden zurück.