Anti-Soros-Kampagne in Ungarn Warum sich Netanyahu mit Orbán verbündet

Anti-Soros-Plakatkampagne (hier in der Stadt Szekesfehervar)
Foto: ATTILA KISBENEDEK/ AFPSeine Augen sind zu Schlitzen verengt, er grinst halb gehässig, halb zufrieden. So kann man den US-Börsenmillardär und Philantropen George Soros derzeit überall in Ungarn sehen - als Schwarz-Weiß-Foto auf einem Plakat, daneben zwei Sprüche: "99 Prozent lehnen die illegale Migration ab." Und dann, in Riesenlettern: "Lassen wir nicht zu, dass es Soros ist, der am Ende lacht!"
Ob Plakatwand, Bushaltestelle, U-Bahn-Schacht oder Litfaßsäule - Ungarn ist derzeit förmlich zugekleistert mit Anti-Soros-Plakaten. Es ist die neueste Plakataktion der ungarischen Regierung und von einer Intensität, wie man sie selbst vom in seiner demagogischen Rethorik schwer zu überbietenden Ministerpräsidenten Viktor Orbán bisher nicht kannte.
Wie schon bei einem halben Dutzend vorheriger Kampagnen geht es auch diesmal wieder um illegale Migration: Angeblich, so behauptet es die Orbán-Regierung, soll der US-Börsenilliardär für die Flüchtlingskrise in den vergangenen zweieinhalb Jahren verantwortlich sein und eine "Migranteninvasion" von noch viel größerem Ausmaß planen. Soros sei als Finanzspekulant über das Schicksal von Millionen hinweg geschritten, verkündet Orbán, er unterhalte ein ausgedehntes Mafia-Netzwerk und gefährde den Frieden und die Zukunft Europas.

Ungarns Premier Viktor Orbán
Foto: Laszlo Balogh/ REUTERSOrbán und seine Regierung bedienen in dieser Kampagne indirekt, aber gezielt antisemitische Klischees: Soros ist ungarischer Jude und hat den Holocaust überlebt, bevor er als Emigrant in den USA zu einem Milliardenvermögen kam. Deshalb haben inzwischen zahlreiche jüdische Organisationen, darunter die Förderation der jüdischen Gemeinden Ungarns MAZSIHISZ, protestiert. Zumal sich in Ungarn antisemitische Schmierereien auf den Anti-Soros-Plakaten häufen: Manche sind mit Judensternen bemalt, auf anderen steht: "Drecksjude". Auch aus Deutschland kam Kritik an der Aktion: Staatsminister Michael Roth postete nach einem Budapest-Besuch am Wochenende, ihn mache die Kampagne "sprachlos".
Soros selbst kommentiert die Aktion gegen ihn so: "Ich bin sehr beunruhigt darüber, dass das derzeitige ungarische Regime in seiner bewussten Desinformationskampagne antisemitische Bilder verwendet."
Tatsächlich handelt es sich um eine irreführende Desinformationskampagne: Zwar stimmt es, dass Soros' Open-Society-Stiftungen Flüchtlingshilfsorganisationen in Ungarn unterstützen, allerdings in weitaus geringerem Maße als angenommen. So etwa bekam das ungarische Helsinki-Komitee, das unter anderem - und nicht einmal hauptsächlich - auch die Situation von Flüchtlingen im Land überwacht, 2016 insgesamt umgerechnet rund 400.000 Euro von Soros-Stiftungen - rund ein Drittel des Gesamtbudgets der Organisation.
Unterstützung aus Israel
Orbán hingegen behauptet, dass Soros ein riesiges Netzwerk "selbst ernannter Bürgerrechtler" finanziere, dass zusammen mit kriminellen Schleusern hunderttausende illegaler Migranten nach Europa bringe. Nicht nur deshalb wirkt die Argumentation der Orbán-Regierung an den Haaren herbeigezogen. Soros selbst vertritt auch fast deckungsgleich die EU-Flüchtlingspolitik - und tritt durchaus dafür ein, genau zu prüfen, wen Europa hereinlässt.
Doch Unterstützung für seine Kampagne, die den ungarischen Steuerzahler bisher umgerechnet 18,4 Millionen Euro kostete, erhält Orbán derzeit ausgerechnet aus Israel - von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu. Israels Botschafter in Ungarn, Yossi Amrani, verfasste zwar zuerst mehrmals recht deutliche Protestnoten, sowohl wegen der Anti-Soros-Kampagne als auch wegen Orbáns kürzlicher Elogen auf den Reichsverweser Miklós Horthy, der mitverantwortlich für den Holocaust an den ungarischen Juden war.
Doch dann zog das israelische Außenministerium den Protest gegen die Anti-Soros-Kampagne auf Anweisung von Netanyahu zurück. Denn wie Orbán sieht auch Netanyahu Soros als Feind - der US-Börsenmilliardär finanziere Organisationen, die Israel verleumdeten und dem Land sein Recht auf Selbstverteidugung absprächen, heißt es dazu in einer Stellungnahme des israelischen Außenministeriums.
Orbán und Netanyahu sehen Soros als Feind
Nicht nur den Feind Soros haben Netanyahu und Orbán gemeinsam. Ähnlich wie die Orbán-Regierung kürzlich mit ihren Gesetzen gegen die "Central European University" und gegen Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) will auch Netanyahus Partei Likud eine Art "Anti-Soros"-Gesetz gegen Israel-kritische NGOs verabschieden. Bereits seit längerem ist Ungarn international ein konsequenter Unterstützer der Netanyahu-Regierung und seiner Partei, gegen Kritik an der israelischen Siedlungspolitik nimmt die Orbán-Regierung Netanyahu in Schutz. Deshalb ist die noch vor einigen Jahren harsche Kritik Israels an antisemitischen Vorfällen in Ungarn oder an der häufig rechtsextremen Rethorik der Orbán-Regierung immer leiser geworden.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu
Foto: POOL/ REUTERSNetanyahu kommt am kommenden Dienstag und Mittwoch zu einem offiziellen Besuch nach Budapest - neben Orbán will er dort auch die Regierungschefs Polens, Tschechiens und der Slowakei treffen. Der Besuch soll im Vorfeld nicht durch Kritik an am ungarischen Ministerpräsidenten überschattet werden. Deshalb protestierte die israelische Regierung auch gegen Orbáns kürzliche Horthy-Elogen nur halbherzig. Auch der Jüdische Weltkongress (WJC) hält sich im Vergleich zu früheren Protesten mit Kritik an Orbán derzeit zurück.
Orbán selbst will von dem Vorwurf, er schüre mit der Kampagne gegen Soros Antisemitismus, nichts wissen. Es gehe lediglich darum, Ungarn gegen illegale Migranten und damit gegen eine Gefahr für seine Sicherheit zu verteidigen, schrieb er dem MAZSIHISZ-Vorsitzenden András Heisler als Antwort auf einen kritischen Brief, in dem der jüdische Gemeindeverband Orbán bat, die Anti-Soros-Kampagne zu beenden.
Orbán verlangte seinerseits die Unterstützung der jüdischen Gemeinden Ungarns, da er mit seinem konsequenten Eintreten gegen illegale Migranten aus arabischen Ländern auch verhindere, dass Menschen mit antisemitischen Ansichten ins Land kämen. "Diese Antwort war keine Überraschung", sagt MAZSIHISZ-Chef András Heisler zum SPIEGEL. Eine unangenehme Überraschung sei allerdings die Haltung der Netanyahu-Regierung, so Heisler.