Fotostrecke

Viktor Orbán: EU-Rechtsaußen in der Kritik

Foto: BERNADETT SZABO/ REUTERS

Ungarns Premier Orbán Europas rechter Rüpel

Ungarns Premier hat sich mit radikalen Gesetzesreformen zum Außenseiter Europas gemacht - am Nachmittag muss sich Viktor Orbán vor dem EU-Parlament verteidigen. Auch im eigenen Land verliert der Rechtspopulist zunehmend an Rückhalt. Noch radikalere Kräfte profitieren.

Seit neuestem ist Viktor Orbán auch in der Nationalgalerie in Budapest zu sehen. Dort ist er nur wenige Zentimeter groß, trägt noch lange schwarze Haare, vor ihm auf dem Heldenplatz der Hauptstadt haben sich Zehntausende Menschen versammelt. Die Szene stammt aus dem Jahr 1989. Damals, bei den Feierlichkeiten zur Neubestattung der nationalen Symbolfigur Imre Nagy, forderte Orbán den Abzug der sowjetischen Besatzungstruppen - ein mutiger Schritt.

Seinen großen Moment hat der heutige ungarische Premier auf Leinwand festhalten lassen. Das in kräftigem Rot und Grün gehaltene Bild hat er für eine Ausstellung über Ungarns Geschichte malen lassen. "Hofmalerei" nennt das der Publizist József Debreczeni. Er beobachtet Orbán seit Jahren, hat zwei Biografien über ihn geschrieben.

Von einer "Orbán-Diktatur" spricht Debreczeni - und zählt all die Bereiche auf, in denen der Premier seine Vertrauten eingesetzt habe: in der Oberstaatsanwaltschaft, in den Gerichten, im Budget-Rat - und an der Staatsspitze mit dem Präsidenten Pál Schmitt. Der rechtskonservative Regierungschef nutze seine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament, um das Land nach seinem Gutdünken langfristig umzugestalten.

Auch die EU-Kommission hat inzwischen Bedenken angemeldet: Sie eröffnete am Dienstag drei Verfahren gegen Ungarn wegen Verstößen gegen EU-Recht - wegen Zweifeln an der Unabhängigkeit der ungarischen Zentralbank, der Justiz und der Datenschutzbehörde. . Außerdem schickte sie einen weiteren Mahnbrief nach Budapest.

Orbán tritt nun nach langem Hin und Her die Vorwärtsverteidigung an - gegen die "Lügen und Verleumdungen" der "internationalen Linken": Er will seine Politik am Mittwoch im EU-Parlament erläutern.

Bei Interview-Anfragen verweisen Mitarbeiter auf den Facebook-Account

Orbán selbst sagt sonst zu Kritik kaum etwas, zumindest nicht in ausländischen Medien. Nun erklärt der Regierungschef, er werde sich der "Macht", aber nicht den Argumenten "beugen". Pressetermine und kritische Interviews mag der 48-Jährige nicht. Interview-Anfragen werden tagelang bearbeitet, bei telefonischen Nachfragen verweist einer seiner Mitarbeiter lediglich auf die Homepage und den Facebook-Account des Regierungschefs. Dort zeigt der Politiker seine Welt: Mal weiht er eine neue Universität ein, mal zeigt er sich mit seiner Ehefrau und seinen fünf Kindern, mal als begeisterter Fußballspieler.

Sprechen lässt der Premier lieber andere, zum Beispiel Gergely Pröhle, ehemaliger ungarischer Botschafter in Berlin und heutiger Vize-Staatssekretär im Außenministerium. Er lässt in seinem Büro grünen Tee servieren. Die Angriffe auf Ungarn weist er als "absurd" zurück, spricht vom "Frust der politischen Gegner".

Statt "rhetorischer Auswüchse" müsse es endlich eine Debatte um "die konkreten ungarischen Gesetze" geben. Pröhle wählt seine Worte bedächtig. Ungarn sei Teil der europäischen Werte- und Rechtsgemeinschaft und wolle das auch bleiben. Er sei zuversichtlich, dass sich die Regierung mit der EU-Kommission einigen werde.

Als er nach Orbáns Regierungsstil gefragt wird, holt er tief Luft, lehnt sich auf seinem Stuhl vor, dann sagt er, ganz Diplomat: "Herr Orbán ist ein demokratisch gewählter und gesinnter Politiker, der die Möglichkeiten der demokratischen Rahmenbedingungen vollkommen nutzt."

"Einer muss Orbán in die Schranken weisen"

Dem Regierungschef gehe es einzig darum, seinen langfristigen Einfluss auszubauen - in den Medien, der Notenbank und in den Gerichten, sagt dagegen eine junge Frau. Sie wartet an der Straßenbahnhaltestelle Oktogon auf der Pester Seite. "Das ist keine Demokratie mehr."

Die 25-Jährige ist eine der wenigen, die sich äußert. Über Politik mögen nicht viele gern öffentlich reden, die meisten winken ab, sobald sie den Namen Orbán hören. Dass Brüssel nun rechtlich gegen Ungarn vorgeht, findet die Frau gut, ihren Namen will sie nicht nennen.

"Einer muss Orbán doch endlich mal in die Schranken weisen." Dabei hatte sie der Fidesz-Partei 2010 noch ihre Stimme gegeben.

Eva Fischer sieht das anders. Sie würde Orbán jederzeit wieder wählen. Die Ungarndeutsche sitzt in ihrem kleinen gelb angestrichenen Häuschen in Pécs, zweieinhalb Autostunden südwestlich von Budapest entfernt. "Es gibt keine Alternative zu Orbán und seiner Fidesz", sagt die 71-Jährige bestimmt. Die Kommunisten und ihre Nachfolgeparteien hätten "alle und alles als ihr Eigentum behandelt". Es sei gut, dass der Premier nun endlich "aufräume". Kritik an ihm wehrt die ehemalige Kindergärtnerin ab: Wer wolle schon einen Regierungschef, der fehlerfrei sei?

In der Rolle des EU-Bösewichts

Doch Orbán verliert immer mehr an Rückhalt in seinem Land: Bekam sein Bürgerbund vor rund eineinhalb Jahren noch knapp 53 Prozent der Stimmen, liegt er in aktuellen Umfragen nur noch bei etwa 35 Prozent.

Orbán versucht gegenzusteuern, nutzt seine Rolle als EU-Bösewicht, wie selbst Regierungsmitglieder monieren, allerdings hinter vorgehaltener Hand. Orbán spiele den Märtyrer nach dem Motto: Alle schlagen auf uns arme Ungarn ein. Solche Beleidigungen des ungarischen Volkes lasse er, der Premier, nicht zu.

Mit solch patriotischen Tönen hält Orbán seine Anhänger bei Laune, denn auch sie leiden unter der Wirtschaftskrise. Doch es ist ein gefährliches Spiel. Es schürt die EU-feindliche Stimmung in Ungarn und nützt vor allem der rechtsextremen Jobbik-Partei. Sie hat in den Umfragen zugelegt: Jobbik liegt in einigen Erhebungen sogar mittlerweile gleichauf mit den 2010 abgewählten Sozialisten.

Mitarbeit: Judit Klein
Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren