Unglück von Smolensk Russischer Absturzbericht empört Kaczynski-Bruder

Der russische Report über den Absturz von Smolensk sorgt in Polen für wütende Reaktionen: Jaroslaw Kaczynski, Bruder des bei der Katastrophe getöteten Präsidenten, sagte, sein Land werde "verhöhnt". Die Ermittler hatten die Schuld bei einem alkoholisierten polnischen Kommandeur gesehen.
Wrack der polnischen Präsidentenmaschine: "Eine Verhöhnung"

Wrack der polnischen Präsidentenmaschine: "Eine Verhöhnung"

Foto: SERGEI KARPUKHIN/ REUTERS

Flugzeugabsturz der polnischen Präsidentenmaschine am 10. April 2010

Warschau - 96 Menschen starben bei dem im russischen Smolensk - auch das Staatsoberhaupt Lech Kaczynski war unter den Opfern. Dessen Bruder Jaroslaw hat jetzt empört auf einen Bericht von russischen Ermittlern zu dem Unglück reagiert. Die Schuld werde "einseitig" und "ohne Beweise" Polen und den Piloten zugewiesen. Die Darstellung bedeute "eine Verhöhnung Polens", sagte Jaroslaw Kaczynski am Mittwoch.

Viele Fragen seien in dem Bericht offen geblieben, sagte der konservative Politiker, der früher Ministerpräsident seines Landes war. Kaczynskis Schlussfolgerung: "Das ist die Folge davon, dass die Untersuchung den Russen überlassen wurde." Seine Kritik richtete sich damit auch gegen Regierungschef Donald Tusk. Diesen beschuldigte er, die Ermittlungen zur Katastrophe an die russische Seite abgegeben und eine Beteiligung der EU am Verfahren verhindert zu haben. Kaczynski verwies auf angebliche Fehler russischer Fluglotsen auf dem Flughafen in Smolensk.

Auch der polnische Innenminister Jerzy Miller hält Russland für mitverantwortlich. "Auf eine sichere Durchführung dieses Flugs waren beide Seiten nicht gut vorbereitet", sagte er und verwies auf mögliche Fehler bei der Arbeit der russischen Fluglotsen auf dem Flughafen in Smolensk sowie auf den schlechten Zustand der technischen Anlagen dort. Die polnische Seite halte diese Faktoren für "wesentlich", sagte Miller. Er halte aber russische Vorwürfe gegen die polnische Besatzung für durchaus berechtigt.

Kernfrage bleibt die Einstufung des Fluges. Polen hielt die Reise für militärisch, dienstlich und offiziell - in diesem Fall trägt der Flughafen die Mitverantwortung für alle Entscheidungen. Bei zivilen Flügen entscheidet aber allein der Pilot über die Landung.

Ein Fehlverhalten der Fluglotsen sehen die russischen Ermittler nicht. In ihrem am Mittwoch veröffentlichten Untersuchungsbericht gaben sie ranghohen Vertretern an Bord der Maschine eine Mitschuld an der Tragödie. Im Cockpit sei psychologischer Druck auf die Besatzung ausgeübt worden, woraufhin die Piloten sich zur Landung "unter nicht angemessenen Bedingungen" entschieden hätten. Trotz mehrfacher Warnung hätten sie versucht, die Maschine vom Typ Tupolew TU-154 im dichten Nebel zu landen.

Fatale Fehler im Cockpit

Schuld treffe den polnischen Kommandeur Andrzej Blasik, der mit 0,6 Promille Alkohol im Blut trotz Warnungen der russischen Flugüberwachung die Piloten zur Landung gezwungen habe, sagte die Luftfahrtexpertin Tatjana Anodina bei der Veröffentlichung des russischen Abschlussberichts.

Blasik habe laut Stimmenrekorder direkt im Cockpit Druck auf die Piloten ausgeübt, sagte Anodina. Auch Kaczynskis Protokollchef habe sich vorschriftswidrig in der Pilotenkanzel aufgehalten. Die Lotsen des Flughafens hätten wegen einer nebelbedingten Sichtweite von nur 200 Metern dringend einen Ausweichort empfohlen, sagte die Leiterin des internationalen Luftfahrtamtes MAK. "Eine Landeerlaubnis hat es nicht gegeben."

Die Delegation war auf dem Weg ins russische Katyn, um der Opfer des Massakers an rund 22.000 Polen während des Zweiten Weltkriegs zu gedenken. Das Ausweichen auf einen anderen Flughafen hätte die Ankunft bei den Feierlichkeiten verzögern können.

Russland und Polen, deren Beziehungen historisch belastet sind, näherten sich in ihrer gemeinsamen Trauer anlässlich des Unglücks an. Allerdings wuchs später die Kritik Polens an den russischen Ermittlungen zur Absturzursache. Schon Polens Ministerpräsident Tusk hatte die vorläufigen Ermittlungsergebnisse kürzlich als inakzeptabel und fehlerhaft bezeichnet. Einen ersten 200-seitigen Bericht hatte Warschau im Oktober erhalten. Die scharfe Kritik Kaczynskis an dem Abschlussbericht kommt daher nicht überraschend.

kgp/dpa/AFP
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