Völkerrechtler
"Es gibt keine Pflicht, Palästina anzuerkennen"
Die Palästinenser jubeln über ihren Erfolg in New York. Dabei bedeutet der neue Uno-Beobachterstatus für sie nur einen kleinen Fortschritt, sagt Völkerrechtsexperte Christian Schaller im Interview. Immerhin können sie nun Kriegsverbrecher vor den Internationalen Strafgerichtshof bringen.
Palästinenserpräsident Abbas vor der Uno: "Status schon vorher privilegiert"
Foto: Andrew Gombert/ dpa
SPIEGEL ONLINE: Was wird sich mit dem Beobachterstatus für die Palästinenser völkerrechtlich verändern?
Schaller: Die Palästinenser dürfen künftig die Aufmerksamkeit des Sicherheitsrats auf bestimmte Streitigkeiten lenken, von denen sie betroffen sind. Es wird aber verkannt, dass der Status Palästinas auch bisher zwischen Vollmitglied und Beobachter lag, also schon sehr privilegiert war. Sie dürfen bereits seit 1974 an den Sitzungen und der Arbeit der Generalversammlung teilnehmen. 1998 wurde ihr Status noch einmal aufgewertet. Unter anderem dürfen sie seither Resolutionsentwürfe zu Nahost-Fragen mit einbringen und während der Generaldebatte auch zu anderen Themen sprechen.
SPIEGEL ONLINE: Können Palästinenser Israel wegen möglicher Kriegsverbrechen verklagen?
Schaller: Die Chance, dass es vor dem Internationalen Strafgerichtshof tatsächlich zu einem Verfahren kommt, hat sich mit der Zuerkennung des Status eines Beobachterstaates vergrößert. Die Palästinenser haben den Internationalen Strafgerichtshof 2009 nach der Gaza-Krise gebeten, sämtliche Vorkommnisse in den palästinensischen Gebieten seit 2002 zu untersuchen. Für ein solches Verfahren muss jedoch geklärt sein, ob Palästina ein Staat ist.
Und das ist jetzt neu: Der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs kann sich auf die Resolution der Uno-Generalversammlung berufen und Palästina im Sinne des Römischen Statuts als Staat betrachten. Ein Urteil des Strafgerichtshofs betrifft jedoch nie einen Staat, also zum Beispiel Israel, sondern immer nur Personen. Die können dann natürlich zur Verantwortung gezogen werden.
SPIEGEL ONLINE: Inwiefern kann man Palästina nun als Staat bezeichnen?
Schaller: Jeder Staat muss selbst entscheiden, ob er Palästina als Staat anerkennen will. Es gibt keine verbindliche Verpflichtung, das zu tun oder zu lassen. Das Völkerrecht kennt zwar Kriterien, nach denen beurteilt wird, wie ein Staat aussehen soll: Er muss über ein Staatsgebiet verfügen, ein Staatsvolk und Staatsgewalt haben und in der Lage sein, mit anderen Staaten in Verbindung zu treten. Aber es gibt keine Instanz, die das für alle gültig entscheidet.