Uno-Anhörung Häftlinge berichten vom Leid in Nordkoreas Gulags

Lagerflüchtling Shin Dong-hyuk: "Als Arbeitsvieh gehalten"
Foto: KIM HONG-JI/ REUTERSSeoul - Der Hörsaal der Yonsei-Universität von Seoul war nicht allzu gut besucht. Doch die Journalisten und Zuhörer, die an diesem Dienstag gekommen waren, lauschten atemlos, als Shin Dong-hyuk und Jee Heon-a von ihren Erlebnissen in Nordkoreas höllischen Arbeitslagern berichteten. Sie waren als Zeugen vor einen Uno-Ausschuss geladen, der mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen in Nordkorea untersuchen soll.
Fünf Monate nach ihrer Gründung hörte die Kommission am Dienstag in der südkoreanischen Hauptstadt erstmals öffentlich Überlebende und Experten an. Das Gremium wolle feststellen, "ob Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt worden sind und wer die Verantwortung trägt", sagte der Vorsitzende der dreiköpfigen Kommission, Michael Kirby.
Am ersten Tag beschrieben die beiden Flüchtlinge Folter, Zwangsarbeit und Hinrichtungen in Straflagern und Gefängnissen. In Nordkorea sitzen nach Schätzungen von Amnesty International bis zu 200.000 Menschen in politischen Gefangenenlagern ein.
Shin Dong-hyuk gilt als wohl bekanntester Überlebender des Lagersystems in dem Land. 2005 gelang ihm nach 23 Jahren in der Strafkolonie Lager 14 die Flucht. Dort war er auch auf die Welt gekommen. Seine Erlebnisse hat er in einem Buch niedergeschrieben, das im SPIEGEL-Verlag erschienen ist.
Camp 14 ist eine mit Stacheldraht abgeschirmte Welt inmitten eines isolierten Landes. Shin schätzt die Zahl der Insassen zu seiner Zeit auf 20.000 bis 30.000 Menschen. Das Gelände liegt etwa 80 Kilometer nördlich von Pjöngjang. Es gibt dort Kohlebergwerke, Fabriken sowie landwirtschaftliche Betriebe.
In teilweise erschütternden Details berichteten Shin und Jee Heon-a am Dienstag in Seoul über das Leben in den gefürchteten Straflagern.
So seien Hinrichtung, Folter und Unterernährung in den Lagern an der Tagesordnung. Selbst kleinste Vergehen oder Missgeschicke würden drastisch bestraft. Shin hackten Aufseher einen Teil seines Mittelfingers ab, weil er eine Nähmaschine kaputt gemacht hatte. "Sie haben uns als Arbeitsvieh gehalten und versucht, alles aus uns herauszuholen, bevor wir sterben", so Shin.
Gesalzene Frösche, um zu überleben
Jee, die 1999 inhaftiert wurde, berichtet über die katastrophale Ernährungslage in ihrem Camp. So seien gesalzene Frösche eines der wenigen Dinge gewesen, die den immer präsenten Hunger hätten stillen können. "Die Augen aller Lagerbewohner waren eingefallen, wir sahen aus wie Tiere", erklärte die 34-Jährige den Uno-Mitarbeitern. Man habe die Frösche gesammelt, gehäutet und gegessen.
Zudem habe sie mitangesehen, wie eine Mutter zur Tötung ihres eigenen Neugeborenen gezwungen wurde.
Es ist das erste Mal, dass ein von der Uno eingesetzter Ausschuss die Menschenrechtslage in Nordkorea untersuchen will. Insgesamt sollen binnen fünf Tagen bis zu 30 Überlebende angehört werden. Im März hatte der Menschenrechtsrat die Kommission mit einem entsprechenden einjährigen Mandat ausgestattet. "Weil sich die Menschen nicht erheben können, wie in Libyen oder Syrien, ist das hier ihre einzige Hoffnung", erklärte Shin am Dienstag.
Kein Zugang für Uno-Beobachter in Nordkorea
Nordkorea verweigert dem Ausschuss den Zutritt ins Land. Nach den Anhörungen in Seoul bis zum Freitag setzt die Kommission in der nächsten Woche die Arbeit in Tokio fort. "Das hier geschieht öffentlich, weil wir das Bewusstsein für die Verhältnisse in dem Land schärfen wollen", sagte der Ausschussvorsitzende Kirby.
Trotz der vielen Berichte von Überlebenden und Augenzeugen streitet das Regime in Pjöngjang weiter die Missachtung von Menschenrechten ab. Entsprechende Meldungen seien lediglich "politische Verschwörungen", um die Regierung unter Diktator Kim Jong Un zu destabilisieren.
Verschiedene Menschenrechtsgruppen und Vereinigungen von Gulag-Überlebenden hegen laut einer gemeinsam verfassten Erklärung große Erwartungen an die Uno-Untersuchung. Diese könne ein erster Schritt sein, auf dem langen Weg zu einer Anklage gegen die nordkoreanische Regierungsspitze vor dem Internationalen Strafgerichtshof.