Uno-Mandat Darfur-Mission kommt - aber ohne zusätzliche deutsche Soldaten
Berlin/Khartum - Lange hatte sich die sudanesische Regierung geweigert, nun willigte Khartum endlich ein: Mit Sudans Zustimmung verabschiedete der Uno-Sicherheitsrat in der Nacht eine Resolution, die den Weg für eine 26.000 Mann starke Friedenstruppe in Darfur freimacht. Es wäre die größte Mission in der Geschichte der Uno - sie soll eine der furchtbarsten Krisen der jüngeren Vergangenheit entschärfen.
In der westsudanesischen Krisenregion kämpfen arabische Milizen gegen schwarzafrikanische Rebellengruppen; der sudanesischen Regierung wird vorgeworfen, die Milizen zu unterstützen. Nach Uno-Angaben sind mehr als 2,1 Millionen Menschen vertrieben worden, über 200.000 kamen seit Februar 2003 ums Leben. Großbritanniens neuer Premierminister Gordon Brown spricht vom "größten humanitären Desaster" weltweit.
Die Darfur-Truppe aus 19.555 Soldaten und mehr als 6000 Polizisten wird eine sogenannte Hybrid-Mission sein: Sie soll Truppen der Uno und der Afrikanischen Union (AU) vereinen. Den 7000 Soldaten der AU-Mission unter dem Namen AMIS war es bisher nicht gelungen, die Gewalt einzudämmen.
Das könnte der neuen Truppe mit dem Titel "United Nations-African Union Mission in Darfur" (UNAMID) auch deshalb gelingen, weil die Darfur-Resolution nach Kapitel VII der Uno-Charta den Einsatz von Gewalt als letztes Mittel zulässt - trotz chinesischer Bedenken. Die von den USA, Frankreich und Großbritannien ausgearbeitete Resolution war mehrfach entschärft worden, um auch China zur Zustimmung zu bewegen: Die Regierung in Peking hat starke wirtschaftliche Interessen im Sudan und lehnte zu drastische Maßnahmen ab.
Deshalb haben die Streitkräfte entgegen ursprünglicher Planungen nicht das Recht, illegale Waffen zu beschlagnahmen. In der Resolution 1769 werden auch keine Sanktionen mehr angedroht, sollte der Sudan nicht kooperieren.
Die Zeit rennt der Uno davon
Das größte Problem der Mega-Mission, die alleine im ersten Jahr zwei Milliarden Dollar kosten soll: die Zeit. Laut Resolution müssen die Planungen sofort beginnen, im Oktober die praktischen Vorbereitungen starten, um am 31. Dezember 2007 das Kommando in Darfur von der AU zu übernehmen. Aber bis dahin sind es noch fünf Monate - und selbst dieser Termin erscheint Insidern als optimistisch. Die Aufstellung der Truppe wird mindestens ein Jahr dauern, hört man.
Nicht viel weniger heikel - und eng mit Problem 1 verbunden - ist die Frage der Truppensteller. Bisher steht - außer Frankreich und Dänemark - in Europa niemand Schlange, um Soldaten für die Darfur-Mission abzuordnen. Aus Brüssel hieß es immerhin, die EU sei "bereit, ihre Unterstützung zu verstärken", wie Chefdiplomat Javier Solana erklärte. Nur - die EU hat eben keine Armee, sie ist auf die Soldaten ihrer Mitgliedsländer angewiesen. Dagegen bot neben Nigeria inzwischen auch Indonesien Unterstützung der Mission an. Der Großteil der Truppe soll offenbar von asiatischen Ländern gestellt werden.
Aus Deutschland ist keine militärische Hilfe zu erwarten - jedenfalls nicht über die bisherige Unterstützung im Sudan hinaus. Richtig - aber ohne uns. So in etwa lautet die Position der Bundesregierung. Zwar begrüße man die Darfur-Mission ausdrücklich, hieß es. Aber "wir haben eindeutige Prioritäten", wie Vize-Regierungssprecher Thomas Steg erklärte: Afghanistan und Kosovo. Man dürfe sich "beim gut Gemeinten nicht verzetteln", sagte Steg. Eine Entsendung weiterer deutscher Soldaten in den Sudan sei daher nur "schwer vorstellbar".
Deutschland hält sich zurück
Es waren auch noch kategorischere Absagen zu hören: Sofern künftig Transportleistungen erforderlich seien, "werden wir diese im Rahmen der bisherigen Mandate übernehmen", erfuhr SPIEGEL ONLINE aus Regierungskreisen. "Aber den Umfang der deutschen Beteiligung zu erweitern oder Truppen zu entsenden, wird in der Bundesregierung praktisch ausgeschlossen."
Bisher sind deutsche Soldaten an zwei Missionen im Sudan beteiligt. Unter dem AMIS-Mandat leisten bis zu 200 Bundeswehr-Soldaten logistische Unterstützung - vor allem Transportflüge -, unter dem UNMIS-Mandat sind derzeit 38 deutsche Militär-Beobachter im Sudan. Beide Mandate wurden kürzlich vom Bundestag verlängert. Nach dem Willen des Uno-Sicherheitsrats sollen diese nun in der Darfur-Mission aufgehen.
Die Koalitionsparteien sind in der Darfur-Frage genauso einig wie mit der Regierung einverstanden. "Das Signal aus dem Sicherheitsrat war überfällig", sagte Unions-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff SPIEGEL ONLINE, "aber für uns gibt es keinen Handlungsbedarf". Die 200 Bundeswehrsoldaten könnten sicherlich häufiger abberufen werden, als das bisher der Fall war, glaubt Schockenhoff. "Aber wir werden keine zusätzlichen Truppen stellen." Warum das so ist, erklärte SPD-Fraktionsvize Walter Kolbow, unter Rot-Grün Staatssekretär im Verteidigungsministerium, ähnlich wie der Regierungssprecher: Ein weiterer Auslandseinsatz übersteige die Kapazitäten der Bundeswehr. "Ich sehe keine Möglichkeit zur Aufstockung", sagte Kolbow SPIEGEL ONLINE.
Die Grünen kritisieren die Bundesregierung - und auch eine Ministerin scheint nicht ganz einverstanden
Auch die oppositionelle FDP ist in der Darfur-Frage auf Regierungs-Linie. "Unsere Kapazitäten sind erschöpft", sagte Werner Hoyer, Ex-Staatsminister im Außenamt. Der Bundestagsabgeordnete findet, "man muss nicht jeden Einsatz herbeireden". International würde das von Deutschland jedenfalls niemand erwarten, glaubt Hoyer.
Selbst bei der Linken ist man in diesem Punkt zufrieden mit der Position der Bundesregierung. "Man muss nicht unbedingt militärische Hilfe leisten, um ernsthaft beteiligt zu sein", sagte Bundestags-Fraktionsvize Monika Knoche. Stattdessen sollte allgemein "die zivile und polizeiliche Hilfe betont werden". Knoche betont zudem, dass es sich hier um eine inner-afrikanische Angelegenheit handele, "deshalb muss die Mission auch die Rolle der AU stärken".
Kritik kommt von den Grünen
Nur von den Grünen gibt es Kritik. "Diese kategorische Haltung der Bundesregierung halte ich nicht für richtig", sagt die Außenpolitikerin Kerstin Müller. "Angesichts des Völkermords in Darfur kritisiere ich das ausdrücklich", betonte die Ex-Staatsministerin im Auswärtigen Amt. Sie verlangt, die Uno müsse auch von Berlin vorbehaltlos unterstützt werden. "Selbst wenn es dabei um mehr Soldaten geht, sollte das geprüft werden", sagte die Bundestagsabgeordnete.
Auch Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul hatte sich immer wieder für mehr militärischen Druck in Darfur ausgesprochen. Nun begrüßte die SPD-Politikerin den Uno-Beschluss als "Zeichen der Hoffnung für die Not leidenden Menschen in Darfur und die Flüchtlinge in den Nachbarländern". Es komme aber darauf an, so die Ministerin, dass die Friedensmission schnell einsatzbereit sei und die internationale Gemeinschaft alles zu ihrer Unterstützung leiste.
Das kann man durchaus als Kritik an der eigenen Regierung interpretieren.
Mit Material von dpa, AP und Reuters