Unruhen in Madagaskar Oppositionsführer ernennt sich selbst zum Präsidenten

Militär in den Straßen, Tausende Demonstranten auf den Beinen: In Madagaskar spitzt sich die Situation weiter zu. Aktivisten der Opposition besetzten Regierungsgebäude - und ihr Anführer beansprucht offen die Macht.

Antananarivo - Die Lage wird für den Staatschef immer prekärer: Madagaskars Präsident Marc Ravalomanana ist weitgehend isoliert, seine politischen Gegner haben wichtige Regierungsgebäude besetzt und auch das Militär hat ihm seine Unterstützung entzogen. Oppositionsführer Andry Rajoelina versucht nun die Schwäche seines Gegners zu nutzen und erklärte sich selbst zum Präsidenten.

Proteste in Madagaskar: Demonstranten auf den Beinen, Militär in den Straßen

Proteste in Madagaskar: Demonstranten auf den Beinen, Militär in den Straßen

Foto: AFP

Anhänger der Opposition besetzten mit einer Militäreskorte widerstandslos das Büro des Ministerpräsidenten. Sie trafen auf keinen Widerstand und erklärten Monja Roindefo Zafitsimivalo zum Chef einer Übergangsregierung. Präsident Marc Ravalomanana wies jedoch den Machtanspruch der Opposition zurück. Er habe nicht vor, seinen Posten zu räumen.

Die Opposition habe keine demokratische Legitimation und sei nach wie nur vor eine "Straßenprotest-Bewegung", hieß es in einer Erklärung des inzwischen weitgehend isolierten Staatschefs. Die Opposition erklärte, sie werde das Verfassungsgericht bitten, die Amtsenthebung Ravalomananas zu bestätigten. Eine neue Verfassung sowie Neuwahlen von Parlament und Staatschef wurden binnen zwei Jahren angekündigt.

Opposition stellt Ultimatum

Ravalomananas Regierung räumte ein, dass die Opposition den leerstehenden Verwaltungspalast in der Stadt eingenommen habe. Damit habe sie aber nicht die Macht übernommen, die das Volk bei demokratischen Wahlen 2006 der jetzigen Regierung übertragen habe. Die Regierung erklärte weiter, alle Verantwortlichen befänden im Präsidentenpalast, um eine nationale Schlichtungskonferenz vorzubereiten, die eine demokratische Lösung aus der Krise bringen soll.

Oppositionsführer Rajoelina, der sich aus Angst vor einer Festnahme seit zwei Wochen versteckt gehalten hatte, wagte sich aus der Deckung, nachdem die Streitkräfte Ravalomanana in den vergangenen Tagen ihre Unterstützung entzogen hatten. Rajoelina trat bei einer Demonstration im Zentrum der Hauptstadt Antananarivo vor 10.000 Anhängern auf. Er rief Ravalomanana auf, innerhalb von vier Stunden seinen Rücktritt zu erklären. Mit dem Vorgehen der Opposition verschärfte sich die politische Krise auf der Insel im Indischen Ozean weiter.

Am Freitag wandte sich der bedrängte Präsident Marc Ravalomanana in einem öffentlichen Hilferuf an seine Anhänger und bat sie, ihn an seinem Regierungssitz zu schützen. Die nationalen Rundfunk- und Fernsehsender, die im Palast des Präsidenten untergebracht sind, stellten unvermittelt ihren Betrieb ein.

Europa ist besorgt

Der seit Wochen andauernde erbitterte Machtkampf hat bisher bereits mehr als 140 Menschen das Leben gekostet, Hunderte wurden verletzt.Die EU-Kommission zeigte sich "ernsthaft besorgt" über die Ereignisse in Madagaskar. Die Krise gefährde die Stabilität des Landes, belaste die Bevölkerung und setze die internationalen Bemühungen zur Armutsbekämpfung in Madagaskar aufs Spiel, erklärte die Kommission in Brüssel. Beide Seiten müssten sich für eine friedliche Lösung des Konflikts an den Verhandlungstisch begeben.

US-Botschafter Niels Marquardt hatte am Donnerstagabend im nationalen Fernsehen erklärt, das Land steuere auf einen Bürgerkrieg zu. Seine Botschaft habe daher Familien und Mitarbeiter, die nicht unbedingt benötigt werden, sowie andere US-Bürger zum Verlassen des Landes aufgefordert. Die deutsche Botschaft wollte in Absprache mit anderen europäischen Vertretungen zunächst keine Ausreise-Empfehlung geben.

Während der senegalesische Präsident Abdoulaye Wade die beiden Kontrahenten Ravalomanana und Rajoelina zu Schlichtungsgesprächen in die Hauptstadt Dakar eingeladen hat, gingen die Gewaltakte auf der Insel weiter. Unbekannte verübten einen Brandanschlag auf das Haus des katholischen Erzbischofs Odon Marie Arséne Razanakolona, der aber weitgehend folgenlos blieb.

beb/AP/dpa/AFP

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