Uran-Munition Nato untersucht "Balkan-Syndrom"
Brüssel/Genf/Washington - Nato-Generalsekretär George Robertson kündigte am Freitag an, baldmöglichst eine Liste mit den Zielen zusammenzustellen, die von Waffen mit abgereichertem Uran angegriffen wurden. Nach Angaben der Bundesregierung ist bislang kein deutscher Soldat in Bosnien oder im Kosovo mit Uran-Munition verseucht worden.
Die EU-Kommission verlangte in Brüssel, die Uran-Munition aus dem Verkehr zu ziehen, wenn sich ein Gesundheitsrisiko für die Nato-Soldaten oder für EU-Mitarbeiter in der Region herausstellen sollte. Kommissionssprecher Jonathan Faull betonte jedoch am Freitag, bislang gebe es noch nicht genügend Informationen über den Sachverhalt. "Wir haben keine zuverlässigen Erkenntnisse über einen Zusammenhang zwischen der Munition und dem Tod der Soldaten", sagte er.
Die Uno-Umweltorganisation Unep hat inzwischen elf von insgesamt 112 Nato-Zielen im Kosovo untersucht, wobei in acht Fällen Spuren von Radioaktivität entdeckt wurden. Konkrete Hinweise auf gesundheitliche Risiken durch die Uran-Munition gebe es zwar bislang nicht, erklärte Unep am Freitag in Genf. Direkt an den Detonationsorten sei aber Vorsicht angebracht.
"Das Unep-Team stellte mit Erstaunen fest, dass Reste dieser Munition auch eineinhalb Jahre nach dem Konflikt noch einfach so herumlagen", sagte der Leiter des Untersuchungsteams, der ehemalige finnische Umweltminister Pekka Haavisto. Im März will Unep, die noch nicht alle Bodenproben aus dem Kosovo ausgewertet hat, einen endgültigen Bericht vorlegen.
Noch mehr Krebserkrankungen
Munition mit abgereichertem, also leicht radioaktivem Uran wurde bei den Nato-Luftangriffen auf Jugoslawien 1999, aber auch im Bosnienkrieg 1992-95 eingesetzt. Im Kosovo-Krieg wurden nach US-Angaben 31.000 Geschosse dieser Art abgefeuert. Sie verfügen über große Durchschlagskraft und werden gegen gepanzerte Fahrzeuge eingesetzt.
Am Freitag wurde in Spanien und Portugal je eine weitere Krebserkrankung bei Ex-Balkan-Soldaten bekannt. In beiden Ländern gibt es bisher je einen Todesfall. Nach Spanien ordnete auch Portugal die Untersuchung ihres Balkan-Personals auf mögliche Verstrahlung an. 10.000 Menschen sollen getestet werden, unter ihnen außer Soldaten auch Polizisten und zivile Beobachter. Auch Russland will Leukämie-Tests anordnen. Moskau hat rund 3600 Fallschirmjäger zu den Kfor-Friedenstruppen ins Kosovo entsandt. Polen will seine im Kosovo Dienst tuenden Polizisten medizinisch untersuchen.
In Großbritannien berichtete der Sender BBC von einem am "Balkan-Syndrom" erkrankten Nato-Soldaten. Die meisten Todesfälle, die mit der uranhaltigen Munition in Verbindung gebracht werden, hat es bisher in Italien gegeben, wo sieben Nato-Soldaten an Krebs starben.