US-Beamte zum Weltsicherheitsrat "Ihr entscheidet nicht über einen Krieg"

Sind es nur noch diplomatische Scheingefechte? Zwar behauptet der britische Premier Tony Blair: "Ich will keinen Krieg" und räumt Iraks Diktator Saddam Hussein noch eine "letzte Chance" ein. US-Diplomaten sprechen offenbar aber eine andere Sprache: Der Krieg sei beschlossene Sache, gleich wie der Weltsicherheitsrat entscheide.

London/Washington - Amerikanische Beamte hätten die Position in Gesprächen mit den derzeitigen Mitgliedern des Weltsicherheitsrates deutlich gemacht, berichtet die Washington Post" am Dienstag unter Berufung auf ausländische Diplomaten.

John Bolton, US-Staatssekretär im Außenministerium, habe der russischen Regierung am Montag mitgeteilt, dass Washington unabhängig von der Zustimmung des Weltsicherheitsrats handeln werde. Ein anderer ausländischer Diplomat sagte der Zeitung, ihm sei dasselbe gesagt worden. "Ihr entscheidet nicht darüber, ob es im Irak einen Krieg gibt oder nicht", habe ein US-Beamter gesagt. "Die Entscheidung treffen wir, und das ist bereits geschehen. Sie ist endgültig. Die einzige Frage ist, ob der Sicherheitsrat mitzieht oder nicht."

Nach Auffassung Washingtons könnten die anderen Länder lediglich entscheiden, ob sie die Glaubwürdigkeit des Weltsicherheitsrates mit der Forderung nach einer Fortsetzung der Waffeninspektionen zerstören wollten, berichtete die "Washington Post".

"Ich will keinen Krieg"

Am Mittag hatte Großbritanniens Premierminister Blair dagegen noch von einer letzten Chance für Saddam Hussein gesprochen. Die USA und Großbritannien würden ihren Entwurf einer zweiten Irak-Resolution für die Uno jetzt noch nicht zur Abstimmung bringen, sondern damit warten, sagte Blair. Die Uno-Waffeninspektoren könnten ihre Arbeit vorerst fortsetzen. "Ich will keinen Krieg", sagte Blair. Deshalb bekomme Saddam "eine weitere letzte Chance". Diesmal allerdings müsse er "100-prozentig kooperieren".

"Passive anstelle von aktiver Kooperation wird nicht reichen", betonte Blair. Wenn Saddam jetzt nicht voll kooperiere, sei es auch nicht sinnvoll, den Waffeninspekteuren noch mehr Zeit zu geben: "Es ist nicht eine Frage der Zeit, sondern eine Frage des Willens."

Weiter erklrte der Premier: "Die Vorstellung, dass die Inspektoren die Waffen und dazugehörige Dokumente ohne die Hilfe der irakischen Behörden aufspüren könnten, ist absurd." Waffeninspektoren seien keine Detektive, "und selbst wenn sie es wären, so ist Irak immer noch ein Land ungefähr der Größe Frankreichs", behauptete Blair. Womit er geografisch komplett daneben lag. Frankreich hat eine Fläche von rund 544.000 Quadratkilometern, der Irak ist lediglich 438.000 Quadratkilometer groß.

Die britische Regierung ist "vorsichtig optimistisch", dass der jüngste Uno-Resolutionsentwurf zum Irak vom Sicherheitsrat angenommen wird. "Wir haben die Zusammensetzung des Sicherheitsrats studiert und glauben, dass wir die Resolution durchbekommen", sagte Mike O'Brien, Staatssekretär im Außenministerium, der BBC. Britische Zeitungen zeigten sich jedoch weniger zuversichtlich. Nach Informationen des "Daily Telegraph" schließen britische Diplomaten ein Veto durch Frankreich oder Russland nicht aus. Um die Verabschiedung werde es einen "harten Kampf" geben.

Unmittelbar nach der Unterhaus-Erklärung Blairs trifft Bundesaußenminister Joschka Fischer in London mit seinem Amtskollegen Jack Straw zusammen. Auch eine Unterredung zwischen Fischer und Blair ist vorgesehen.

In einer für Mittwoch anberaumten Unterhaus-Debatte zum Irak wird erheblicher Widerstand gegen den Kriegskurs von Blair erwartet. Bis zu 100 Labour-Abgeordnete könnten dabei gegen einen Regierungsantrag stimmen, in der der jüngste Uno-Resolutionsentwurf der USA, Großbritanniens und Spaniens als die "letzte Warnung" an Saddam Hussein bezeichnet wird.

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