US-Geheimdienst CIA-Chef Tenet räumt seinen Posten
Washington - Den Rücktritt gab US-Präsident George W. Bush am Nachmittag bekannt. Er würdigte die "überragende Leistung Tenets über viele Jahre". Nach einem Treffen mit dem CIA-Chef sagte der Präsident: "Ich werde ihn vermissen. Er war ein starker Führer im Krieg gegen den Terrorismus."
Offiziell wird Tenet noch bis Mitte Juli im Amt bleiben, sagte Bush vor seinem Abflug nach Europa, wo er zunächst Rom besucht und dann an den Feierlichkeiten zum Jahrestag des D-Day in Frankreich teilnimmt.
Vorübergehend wird Tenets Vize John McLaughlin die CIA leiten. Er und Porter Goss, der Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des Repräsentantenhauses, gelten als mögliche dauerhafte Nachfolger.
Einer von Tenets Vorgängern, Admiral a.D. Stansfield Turner, äußerte kurz nach dem Rücktritt den Verdacht, der CIA-Chef müsse als "Sündenbock" herhalten. "Ich glaube nicht, dass er Präsident Bush mitten im Wahljahr einfach auf dem Trockenen sitzen lassen würde, wenn man ihn nicht dazu aufgefordert hätte", sagte Turner dem Fernsehsender CNN.
Das politische Washington schien von der Rücktrittsnachricht überrascht zu sein. Immerhin hatte Tenet die ärgste Kritik unmittelbar nach den Anschlägen des 11. Septembers und auf dem Höhepunkt der Debatte um die Irak-Dossiers der CIA längst hinter sich. Damals gab es heftige Spekulationen um eine Ablösung des Geheimdienstchefs, der sich ungewöhnlich lange - sieben Jahre - an der Spitze der Behörde hielt. "Ich glaube, wir müssen mehr darüber wissen, warum diese überraschende Ankündigung gerade heute erfolgte", sagte der Führer der oppositionellen Demokraten im Senat, Tom Daschle.
Bush schien bemüht, jegliche Spekulationen über politische Hintergründe der Personalie zu zerstreuen. "George Tenet ist die Sorte Beamter, mit der man gerne zusammenarbeitet", sagte der Präsident.
Vor CIA-Mitarbeitern begründete Tenet seinen Rücktritt mit familiären Gründen. "Es war eine persönliche Entscheidung, und sie hatte nur einen Grund: das Wohlbefinden meiner wunderbaren Familie, nicht mehr und nicht weniger", zitierte der Beamte seinen Chef. Tenet hat mit seiner Frau Stephanie Glakas-Tenet einen Sohn, John Michael. Bereits im vergangenen Sommer soll er an einen Rücktritt gedacht haben, gab den Gedanken aber wieder auf - möglicherweise in der Hoffnung, seine Amtsführung mit der Gefangennahme Osama Bin Ladens zu krönen, glauben einige seiner Vertrauten. Allgemein war erwartet worden, dass Tenet nach der Präsidentschaftswahl im November unabhängig von deren Ausgang abgedankt hätte.
Tenet kämpfte während seiner Ansprache mit den Tränen, als er sich an seinen einzigen Sohn Michael im Publikum wandte: "Du bist ein toller Sohn, und ich will jetzt ein toller Vater sein." Er gehe "mit Trauer, aber hocherhobenem Hauptes", sagte Tenet. Es habe in seiner Amtszeit Erfolge und Enttäuschungen gegeben. "Wir sind nicht perfekt, aber das bestgehütete Geheimnis ist, dass wir sehr, sehr, sehr, sehr gut sind", sagte Tenet. Die Öffentlichkeit werde wahrscheinlich nie erfahren, welche Fortschritte die CIA-Mitarbeiter "im Kampf gegen fanatische Feinde in aller Welt" gemacht hätten. Dennoch sei weiterhin viel zu tun. Der 51-Jährige lobte Präsident Bush für seine unermüdliche Unterstützung für die CIA-Mitarbeiter. Es sei ihm eine Ehre, als CIA-Direktor gedient zu haben.
Tenet war seit sieben Jahren Chef des CIA. 1997 hatte ihn Bushs Vorgänger Bill Clinton an die Spitze des Geheimdienstes berufen. Wegen zahlreicher Pannen - unter anderem auch wegen falscher Informationen über die Massenvernichtungswaffen im Irak - stand Tenet häufig in der Kritik.
Vor allem wurde er vom Untersuchungsausschuss zum 11. September in massiver Form kritisiert. Die unabhängige Kommission warf ihm und der Behörde insgesamt eine ganze Serie schwerer Fehler und Mängel vor und stellte fest, dass ohne dieses Versagen das Komplott vom 11. September hätte aufgedeckt werden können.
Tenet selbst verwahrte sich entschieden gegen die Vorwürfe. Er räumte aber auch einige Fehler ein, die er aber zum Teil auf mangelnde technische Ausrüstung, fehlende Finanzmittel und zu geringen Personalbestand zurückführte.
Die CIA war auch in den Ruch geraten, mit den Folterungen im irakischen Gefängnis Abu Ghureib zu tun gehabt zu haben. Der "New Yorker" hatte berichtet, Verteidigungsminister Donald Rumsfeld habe ungewöhnliche Verhörmethoden im Irak genehmigt, die letztlich zu Misshandlungen von Gefangenen führten. Das Magazin hatte sich dabei auf einen früheren Geheimdienstmitarbeiter berufen. Die CIA bestritt jedoch alle Vorwürfe.
Die jüngste Panne war der Verrat des früheren CIA-Informanten Ahmed Tschalabi. Wie jetzt bekannt wurde, hatte der irakische Politiker Geheimdienstinformationen an Iran weitergegeben.