US-Konjunkturpaket "Buy American"-Klausel beunruhigt deutsche Wirtschaft

Von dem milliardenschweren US-Konjunkturprogramm soll möglichst wenig Geld ins Ausland fließen: Der Kongress plant für das Gesetz eine "Buy American"-Klausel. Die deutsche Wirtschaft ist beunruhigt - auch Kanzlerin Merkel warnt vor Protektionismus.

Washington - Noch sind die Milliarden nicht freigegeben, und schon gibt es Streit um ihre Verteilung. Die USA stehen vor der gewaltigen Aufgabe, den Fluss der mehr als 800 Milliarden Dollar aus dem geplanten staatlichen Konjunkturprogramm zu kanalisieren. Die ersten Dämme werden bereits errichtet: Möglichst wenig von dem Geld soll ins Ausland gespült werden. "Buy American", heißt die Klausel, die der Kongress in dem Gesetz festschreiben möchte: Kauft amerikanische Waren! Jetzt fürchten Amerikas Handelspartner protektionistische Hürden - und um Aufträge.

Präsident Obama: Setzen die USA verstärkt auf Protektionismus?

Präsident Obama: Setzen die USA verstärkt auf Protektionismus?

Foto: AP

Der in dieser Woche im US-Repräsentantenhaus verabschiedete Gesetzestext   schreibt ausdrücklich fest, dass bei den geplanten Infrastrukturprojekten nur Stahl und Eisen aus US-Produktion eingesetzt werden soll. Ausnahmen sind nur bei Lieferengpässen zulässig oder wenn der ausschließliche Einsatz von US-Produkten die Kosten um mehr als 25 Prozent in die Höhe treiben würde.

Der Entwurf des US-Senats, der kommende Woche zur Abstimmung gestellt werden soll, geht noch weiter: Alle Materialien und Ausrüstungsgegenstände, die bei staatlich finanzierten Konjunkturprojekten zum Einsatz kommen, müssen demnach aus US-Produktion stammen. Bis Februar soll das Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen sein, dann wird klar sein, inwieweit ausländische Unternehmen von dem Investitionsboom profitieren können.

Bei der deutschen Industrie wird das US-Gesetzgebungsverfahren mit einiger Skepsis beobachtet. "Die Tatsache, dass diese Klausel enthalten ist, ist ein negatives Signal, das uns Sorge macht", sagt Sigrid Zirbel, Amerika-Regionaldirektorin beim Bund der Deutschen Industrie (BDI) in Berlin. Die Expertin sieht "ein Zeichen in Richtung Protektionismus". Bis zu einer abschließenden Bewertung müsse aber zunächst abgewartet werden, wie das endgültige Gesetz aussieht.

Ganz anders wird das in der US-Industrie empfunden. "Wenn wir eine Brücke in West Virginia bauen, heuern wir ja auch keine Arbeiter aus Deutschland an", sagte Thomas Gibson, der Präsident des branchenfinanzierten American Iron and Steel Institute, in der "Washington Post". "Dasselbe sollte für die Materialien gelten." Die US-Metallbranche sieht ihre Chance gekommen, nach Jahren des auszehrenden Kampfs gegen Billigimporte vor allem aus China wieder gute Geschäfte zu machen.

In der Argumentation der "Buy American"-Befürworter schwingt ein patriotischer Unterton mit. "Es ist an der Zeit, dass sich Wirtschaftspatrioten für ihr Land erheben", sagt Leo Gerard, Chef der US-Metallgewerkschaft United Steelworkers. "Wir müssen unsere Gesetze aggressiv umsetzen, damit die Dollars der amerikanischen Steuerzahler amerikanische Arbeitsplätze schaffen."

Solche Forderungen stoßen auf großen Widerhall bei den verunsicherten Arbeitnehmern in den USA - und damit auch bei den Kongressabgeordneten, die sich daheim im Wahlkreis als Interessenvertreter der einfachen Bürger profilieren wollen. Chris Braddock von der US-Handelskammer in Washington warnt eindringlich davor, dass sich Industrie und Politik mit protektionistischen Maßnahmen selbst ins Fleisch schneiden. "Amerikanische Arbeiter wäre die ersten, die darunter zu leiden hätten", sagt Craddock.

Der Handelskammervertreter fürchtet eine Kettenreaktion aus nationalstaatlichen Schutzmechanismen, die die Handelsflüsse um die Welt noch weiter schwächen könnten: "Eine Klausel unter dem Motto 'Kauft amerikanisch!' würde Vergeltung in anderen Ländern nach sich ziehen - also etwa 'Kauft deutsch', 'Kauft chinesisch', und so weiter."

Gegner der Schutzregel in den USA fürchten, dass das Land damit gegen Freihandelsverträge verstößt, die es etwa im Rahmen der Welthandelsorganisation eingegangen ist. Die Folge könnten kostspielige Sanktionen sein. Ein EU-Sprecher in Brüssel deutete bereits die Bereitschaft zur Gegenwehr an: "Wenn ein Gesetz verabschiedet wird, das den Kauf oder Verkauf europäischer Güter in Amerika verbietet, werden wir nicht untätig zusehen."

Allerdings ist das letzte Wort noch nicht gesprochen: Die US-Regierung äußerte am Abend Verständnis für die Proteste ihrer Handelspartner und kündigte an, die umstrittene Stahl-Klausel weiter abwägen zu wollen: "Die Regierung wird diese Klausel überprüfen", sagte Präsidentensprecher Robert Gibbs am Freitag im Weißen Haus. "Sie versteht die Bedenken, die dagegen vorgetragen wurden."

"Wir brauchen eine offene Weltwirtschaft"

Bundeskanzlerin Angela Merkel dürfte ein mögliches Umdenken der USA begrüßen. Sie hatte angesichts der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise vor nationalen Subventionen und Protektionismus gewarnt: "Wir brauchen eine offene Weltwirtschaft." Sie sehe es mit gewissem Misstrauen, wenn die USA jetzt ihre Automobilindustrie bezuschussten, sagte Merkel am Freitag auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. "Solche Phasen dürfen nicht lange andauern." Merkel trat damit auch Äußerungen aus der französischen Regierung entgegen. Deren Wirtschaftsministerin Christine Lagarde erklärte am Freitag, ein wenig Protektionismus sei in der Krise "ein notwendiges Übel".

Merkel wandte sich gegen eine nationale Abschottung und rief dazu auf, die Krise als Chance zur Schaffung weltweiter Regeln des Wirtschaftens zu nutzen. "Wir brauchen internationale Koordinierung, dass wir die Marktkräfte nicht völlig verzerren, weil jeder um sein eigenes Überleben kämpft." Die Kanzlerin erneuerte auf dem Forum mit Politikern und Wirtschaftsführern aus aller Welt ihre Vorschläge für eine "Charta für nachhaltiges Wirtschaften" und einen Weltwirtschaftsrat. Neben der Regulierung der Finanzmärkte und eines freien Welthandels dürften auch der Klimaschutz und die Bekämpfung der Armut nicht aus dem Blick geraten.

Grundlage für eine solche Charta könnten die Standards der vielen bereits existierenden internationalen Organisationen sein. Alle Nationalstaaten müssten ein Stück Verantwortung abgeben, sagte Merkel. "Wir haben keine globale Architektur die ausreichend funktioniert. Und daran müssen wir arbeiten." Die Kanzlerin verwies auf die Europäische Union, wo sich 27 Mitgliedstaaten inzwischen an den Einfluss übergeordneter Instanzen gewöhnt hätten. "Diesen Lernprozess werden alle Nationen, auch die größten, nach meiner festen Überzeugung gehen müssen", sagte Merkel.

hen/AFP/Reuters
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