US-Lauschangriff gegen Sicherheitsrat Chile will Aufklärung über Spionagevorwurf

Erstmals hat sich ein betroffenes Land zum Spionageverdacht im Sicherheitsrat geäußert. Chiles Außenministerium hält die US-Aktion für möglich. Die britische Tageszeitung "Observer" hatte berichtet, die US-Abhörbehörde NSA überwache die Telefon- und E-Mail-Anschlüsse von sechs Mitgliedsstaaten im Weltsicherheitsrat.

Berlin - Mit abwägenden Worten reagierte jetzt erstmals Chiles Staatspräsident Ricardo Lagos auf die Vorwürfe der britischen Zeitung. "Ich möchte mich mehr darüber informieren", erklärte er nach einem Bericht der wichtigsten chilenischen Tageszeitung "El Mercurio". Der gemäßigte Sozialist, auf einer Reise im Süden seines Landes von Journalisten befragt, fügte jedoch hinzu, das Wichtigste sei im Augenblick, in der Uno eine friedliche Lösung zu erreichen. "Wir sollten uns nicht darin verlieren und weiter daran arbeiten, die internationale Situation unter Kontrolle zu halten", so Lagos beschwichtigend.

Der "Observer" hatte am Wochenende berichtet, dem Blatt läge ein Memorandum eines Regionalleiters der "National Security Agency" (NSA) an zwei Vorgesetzte und einen befreundeten ausländischen Geheimdienst vor, wonach die Vertreter von sechs Staaten im Uno-Sicherheitsrat abgehört werden sollten. Dazu zählten neben Chile die Länder Kamerun, Guinea, Angola, Mexiko und Pakistan. Allesamt sind sie derzeit nicht-ständige Mitglieder des Gremiums.

Die angebliche Abhöraktion, die Privat- und Büroanschlüsse sowie E-Mails umfasst, steht nach Angaben des "Observer" im Zusammenhang mit einer möglichen zweiten Irak-Resolution. Für eine Verabschiedung einer zweiten Resolution im Uno-Sicherheitsrat benötigen die USA neun der insgesamt 15 Stimmen. Nach dem Bericht der britischen Zeitung wollen sich die USA mit der Abhöraktion Informationen über das mögliche Abstimmungsverhalten der in Uno-Kreisen als "Sechserpack" benannte Gruppe verschaffen.

Ähnlich diplomatisch wie Staatspräsident Lagos äußerte sich auch der Staatssekretär im chilenischen Außenministerium, Cristián Barros: "Wir sind dabei, den Inhalt dieser Information zu analysieren, und glauben sagen zu können, dass das an die britische Zeitung gelangte Memorandum der Wahrheit entsprechen könnte", wird Barros in "El Mercurio" zitiert. Man müsse den Vorgang mit Vorsicht behandeln und darüber mit den im Memorandum genannten amerikanischen Mitarbeitern sprechen, wird Barros weiter zitiert.

Ungenannte hochrangige Quellen aus dem chilenischen Außenministerium zufolge soll der Bericht des "Observer" intern jedoch bestätigt worden sein, heißt es in dem chilenischen Blatt, das zu einem der ältesten und renommiertesten des Landes gehört. Allerdings berichtet die Tageszeitung nicht, worauf sich die Erkenntnisse des chilenischen Ministeriums gründen.

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