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US-Militärpläne: Kriegsspielchen im Pazifik

Foto: Pete Perez/ Pagan Watch

US-Militärpläne für den Pazifik Bombodrom im Paradies

Pagan ist eine winzige Insel im Pazifik, doppelt so groß wie Norderney, ein Naturschatz. Schon bald jedoch will die US-Armee hier den Bombenabwurf üben - auch als Signal an China.

Barack Obama schaut auf den Pazifik, er sieht die Vereinigten Staaten als pazifische Macht. Daran hat der US-Präsident in den vergangenen Monaten keinen Zweifel gelassen. Er mag nicht mehr nach Osten blicken, in die Vergangenheit, nach Europa. Obama hat den "Schwenk nach Asien" ausgerufen und will mehr US-Militär in die Region schicken. Mehr Schiffe, mehr Flugzeuge, mehr Soldaten.

Der Präsident, geboren auf Hawaii und teilweise aufgewachsen in Indonesien, will alte Verbündete wie Australien, Japan, Südkorea rückversichern - und ein Gegengewicht bilden zu Chinas Machtdemonstrationen. Peking liegt im Dauerclinch mit seinen Nachbarn, reklamiert Gewässer für sich, erschafft künstliche Inseln.

Obama sagt, die Stabilität in der Region müsse gewahrt werden. Es geht um Einfluss und Allianzen. Wer mit wem? Wer gegen wen? Das ganz große Spiel.

Große Politik aber hat oft kleine Opfer. Und so könnte Obamas Schwenk schwerwiegende Konsequenzen haben für eine Mini-Insel mitten im Pazifik: Pagan, Teil der Nördlichen Marianen, ein sogenanntes US-Territorium zwischen Japan und Papua-Neuguinea. 18 Grad und sieben Minuten nördlicher Breite, 145 Grad und 46 Minuten östlicher Länge, doppelt so groß wie Norderney.

Pazifikinsel Pagan: Schießübungen, Bombardierungen

Pazifikinsel Pagan: Schießübungen, Bombardierungen

Foto: NASA

Wegen der neuen Ausrichtung auf Asien möchte das US-Militär die Insel künftig für mindestens 16, maximal 40 Wochen pro Jahr zum Truppenübungsplatz für ihre See-, Luft- und Bodenstreitkräfte umfunktionieren: Anlanden am Strand, Schießübungen, Bombardierungen. Auf Teilen von Tinian, einer weiteren Marianen-Insel, will das Pentagon die Soldaten zumindest am Boden mit scharfer Munition trainieren lassen. 2017 könnte es losgehen.

Irgendwo, das klingt logisch, muss eine Armee ja für den Ernstfall trainieren. Das sieht auch der Delegierte des US-Kongresses, Gregorio Kilili Camacho Sablan, ein. Aber muss man dafür die Zerstörung von Flora und Fauna einer Insel in Kauf nehmen? Und vor allem: Muss es ausgerechnet diese Insel sein? "Ich möchte nicht, dass Pagan bombardiert wird", sagt Sablan. Er liest den Satz gleich zwei Mal vor. Damit er auf keinen Fall überhört wird.

Gregorio Sablan ist der Abgeordnete der Nördlichen Marianen, es ist seine Heimat, die da bombardiert werden soll. Zehnmal im Jahr reist er nach Washington. Flugzeit 26 Stunden hin, 26 Stunden zurück. Englisch spricht er mit Akzent, für ihn ist es Sprache Nummer drei.

US-Kongressdelegierter Sablan: 26 Stunden hin, 26 Stunden zurück

US-Kongressdelegierter Sablan: 26 Stunden hin, 26 Stunden zurück

Foto: www.sablan.house.gov/

Der 60-Jährige ist kein richtiger Abgeordneter, er darf sich nur Delegierter nennen. Im US-Kongress hat er Rederecht, aber abstimmen kann er nicht. Dieses Schicksal teilt er mit den Delegierten aus dem Hauptstadtdistrikt, den Virgin Islands oder von Guam - alles keine Bundesstaaten, alle ohne weitgehende Rechte.

Wenn in den Gebäuden auf dem Washingtoner Kapitolshügel ein schrilles Klingeln einsetzt, das die Abgeordneten an eine Abstimmung im Parlament erinnert, dann kann Sablan, Vertreter der gut 50.000 US-Bürger auf den Nördlichen Marianen, in seinem Büro am Ende des Ganges im vierten Stock sitzen bleiben und das Ganze im Fernsehen verfolgen.

Er wird ebenfalls zusehen müssen, sollte der Kongress über das Schicksal von Pagan und Tinian entscheiden müssen - falls US-Militär und lokale Behörden keine Einigung finden. Das Militär hat im Frühjahr ein 1388-Seiten-Dokument  vorgelegt, das detailliert die Folgen für Pagan und Tinian auflistet, Alternativen abwägt und vor allem Begründungen liefert. Ausführlich wird darin Obama und seine "Neu-Balancierung" in Richtung Pazifikregion zitiert (Lesen Sie hier  mehr über das Kräftemessen im Pazifik).

Warum Pagan und Tinian? Craig Whelden, Top-Militär der US-Marines in der Region, sagt, dass man im westlichen Pazifik Defizite festgestellt habe. Und die "größte Notwendigkeit für Trainingskapazitäten und -fähigkeiten" bestehe auf den Nördlichen Marianen. Zudem sollen mehrere Tausend US-Soldaten aus Japan abgezogen und in US-Pazifikgebiete wie Guam verlegt werden.

Bis Anfang August können nun die betroffenen Bürger ihre Meinung sagen und Eingaben machen. Die Stimmung ist eindeutig: "Wir lieben unsere Insel", zitiert die "Los Angeles Times" Jerome Adlan, den für Pagan zuständigen Bürgermeister. "Wir wollen sie nicht aufgeben." Der Vorschlag des Militärs, sagt Adlan, würde Pagan in Ödnis verwandeln.

Dagegen argumentiert die US-Regierung, Pagan sei seit einem Vulkanausbruch in den Achtzigerjahren unbewohnt. "Das ist nicht wahr", sagt dagegen der Delegierte Sablan. Immer wieder würden die früheren Einwohner nach Pagan zurückkehren, um dort einige Zeit zu leben.

Wie viele das seien? Nun, manchmal nur einer, sagt er.

Das eigene Land, sagt Sablan, sei trotzdem von zentraler Bedeutung für sein Volk. "Unsere Geschichte hängt daran". Das US-Militär könne den "PR-Kampf" um Pagan deshalb niemals gewinnen. Auf change.org kursiert eine an Obama gerichtete Petition gegen die Pentagon-Pläne . Sie hat bereits mehr als 110.000 Unterzeichner.

Die Geschichte der Nördlichen Marianen ist eine des ständigen Wechsels zwischen den Mächten. Erst 1976 sind sie den USA beigetreten. Einst waren die Marianen eine spanische, dann eine deutsche Kolonie. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahmen die Japaner, im Zweiten Weltkrieg die USA. Von Tinian aus starteten 1945 jene US-Bomber, die die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abwarfen.

Wird nun China die Großmacht, die die Pazifikregion in einen neuen Konflikt stürzt? Sablan glaubt nicht daran. Natürlich, Peking zeige seine Muskeln, sei ein aufstrebendes Land. "Aber ich glaube nicht, dass die in den Krieg gegen uns ziehen wollen."

Dann schaut der Delegierte Sablan wieder hinüber zum Fernseher. Es geht jetzt um den Verteidigungsetat.


Zusammengefasst: Die USA wollen ihre Militärpräsenz im Pazifik verstärken. Auf dem Inselchen Pagan soll ein Truppenübungsgelände entstehen. Seit den Achtzigerjahren ist das Eiland wegen der aktiven Vulkane nicht mehr dauerhaft bewohnt. Trotzdem wehren sich die Menschen in der Region gegen die US-Pläne.

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