
Gefängnisse im Irak: Das geheime Netz der Folterer
Geheimgefängnisse im Irak "Die schlimmste Art von Folter"
Premiere Speakers ist eine renommierte US-Redneragentur. Sie vermittelt Prominente, die mit klugen Worten zusätzliches Geld verdienen wollen - darunter Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus und Ökonom Niall Ferguson. Gebühren: bis zu 250.000 Dollar pro Auftritt.
Eher im Billigbereich liegt da Jim Steele. Ab 15.000 Dollar lässt sich der Texaner buchen, um über "Sicherheit und Anti-Terror-Politik" zu dozieren. Seine Qualifikation: Von 2003 bis 2005 war er ein Chefberater von Paul Bremer, dem US-Verwalter im kriegszerrissenen Irak.
Als solcher, so steht es in seinem Lebenslauf, habe Steele einmal sogar zwei Geiseln gerettet, die zuvor "brutal geschlagen und gefoltert" worden seien. Verteidigungsminister Donald Rumsfeld verlieh ihm dafür später die Medal of Valor, einen der höchsten US-Orden für Heldentum.
Steeles Einsatz hat aber auch eine dunkle, gar nicht heldenhafte Seite. Ausgerechnet zum zehnten Jahrestag des Irak-Kriegs kommt die nun wieder ans Licht, mit frischen Details. Es ist eine groteske Wendung: Steele soll selbst für Folter mitverantwortlich gewesen sein - im Auftrag des damaligen Verteidigungsministers Rumsfeld und unter General David Petraeus, dem späteren CIA-Direktor, der 2012 über einen Sexskandal stürzte.
Das "New York Times Magazine" publizierte den Verdacht erstmals 2005. Damals verursachte er aber kaum Aufregung. Jetzt haben ihn der britische "Guardian" und die BBC mit neuen Recherchen erhärtet - und präzisiert.
Demnach bildete Steele mit Petraeus' Wissen irakische Foltereinheiten aus, die Tausende Zivilisten misshandelten: "Diese Einheiten begingen einige der schlimmsten Folterakte unter US-Besatzung und beschleunigten den Abstieg des Landes in einen totalen Bürgerkrieg."
Amerikanisches Versagen im Irak-Krieg
Petraeus ließ indirekt dementieren, dass er Folter gebilligt habe: "Während seiner Jahre im Irak erfuhr der General von Vorwürfen, irakische Kräfte hätten Häftlinge gefoltert", erklärte ein Sprecher dem "Guardian" nur. "In jedem Fall leitete er die Information sofort auf dem militärischen US-Befehlsweg an den US-Botschafter in Bagdad und an die zuständigen irakischen Führungskräfte weiter."
Es sind Vorwürfe, die zum jetzigen Jahrestag besonders ungelegen kommen: Versuchen die US-Protagonisten dieses von George W. Bush unter Vorwänden angezettelten Krieges doch gerade wieder, ihre Handlungen schönzureden. "Wenn ich es noch mal tun müsste, würde ich es im Handumdrehen tun", sagt etwa Bushs Ex-Vizepräsident Dick Cheney über den Irak-Krieg in einer TV-Dokumentation, die kommende Woche im US-Sender Showtime läuft.
Solcher Revisionismus blüht zurzeit überall. Die Neokonservativen, nach der missratenen Irak-Invasion eigentlich abgeschrieben, machen sich wieder bemerkbar; manche "Neocons" sähen die USA am liebsten im Dauerkrieg. Die Enthüllungen zeigen nun, dass die Lehren aus dem Debakel zu schnell vergessen wurden.
Seite an Seite mit rechten Todesschwadronen
Die Geschichte wiederholt sich. Vietnamveteran Steele kam 2003 vorbelastet in den Irak. In den achtziger Jahren hatte er in El Salvador rechtsgerichtete, US-finanzierte Sicherheitskräfte im Kampf gegen Rebellen ausgebildet. Mehr als 70.000 Menschen kamen um. Die meisten Morde und Folterungen gingen laut Amnesty International aufs Konto der "Todesschwadronen" der Armee, wie sie unter anderem von Steele trainiert wurden.
Die Parallelen zum Irak sind kein Zufall: Als junger Major besuchte 1986 auch Petraeus El Salvador und wohnte angeblich sogar bei Steele. In Lateinamerika entwickelte er seine "Petraeus-Doktrin" der Aufstandsbekämpfung.
Steele wurde dem "Guardian" zufolge von Rumsfeld persönlich in den Irak geschickt, um zu helfen, den Sunniten-Aufstand zu unterdrücken. Er habe Rumsfeld sogar direkt unterstanden. Ähnliches berichtete auch das "New York Times Magazine" 2005. Damals versicherte Steele dem Reporter Peter Maass, er halte Folter für "kontraproduktiv". Diesmal schwieg er sich auf Anfragen des "Guardian" und der BBC aus.
"Schreie von Schmerz und Terror"
Steeles Partner war demnach der Ex-Colonel James Coffman, der wiederum direkt Petraeus unterstanden habe. "Man sah Steele und Coffman nie getrennt", erinnert sich der irakische General Muntadher al-Samari in dem BBC-Film . "Die beiden wussten, was da passierte ... die schlimmste Art von Folter."
Die irakischen Sicherheitskräfte hätten ihre Opfer in Geheimknästen mit Stromschlägen gequält, sie auf dem Kopf aufgehängt, ihnen die Fingernägel ausgerissen und sie "in die Weichteile geschlagen", sagt Samari. Einmal habe er einen 14-Jährigen gesehen, dessen ganzer Körper blaugeprügelt gewesen sei.
Es gebe zwar keine Beweise, dass Steele oder Coffman selbst gefoltert hätten, schreibt der "Guardian". Doch hätten sie sich manchmal zur gleichen Zeit in den Gefängnissen aufgehalten.
In dem BBC-Film sagt auch Peter Maass aus, jener Reporter, der die ersten Enthüllungen im "New York Times Magazine" verfasst hatte. Bei einem Interview mit Steele in einem der Gefängnisse in Samarra habe er "schreckliche Schreie" gehört: "Allah, Allah, Allah!" Es seien "Schreie von Schmerz und Terror" gewesen. Das bestätigt auch der Fotograf Gilles Peress.
Später machte Steele eine neue Karriere im US-Privatsektor, namentlich bei texanischen Öl-Freunden von Bush und Cheney. Seinem aktuellen Lebenslauf zufolge ist er aber bis heute "regelmäßig fürs US-Verteidigungsministerium im Irak tätig, um dabei mitzuhelfen, effektive irakische Sicherheitskräfte aufzubauen".