Trump und Xi in Mar-a-Lago Dinner, Dessert, Tomahawks
Dass dieser Abend nicht ganz so laufen würde wie geplant, zeigt sich schon im Anflug. Der Präsidentenjumbo Air Force One quält sich auf dem Weg nach Florida noch durch heftige Unwetter, als Donald Trump kurz in der Pressekabine vorbeischaut.
Sofort hagelt es Fragen - doch weniger nach dem eigentlichen Anlass dieser Dienstreise, Trumps Gipfeltreffen mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping in Palm Beach, sondern nach Syrien und dessen Diktator Baschar al-Assad: Wie lange dürfe der nach dem Giftgasangriff von Ibdil noch im Amt bleiben?
Trump zögert einen Moment. "Was in Syrien geschehen ist, ist eine Schande für die Menschheit", sagt er dann. "Und er ist da, und er steuert wohl alles, also denke ich, es sollte etwas passieren."
Wenige Stunden später passiert wirklich etwas: Die USA schießen vom Mittelmeer aus 59 Raketen auf eine Truppenbasis in Syrien ab. Die ersten Nachrichten erreichen die Amerikaner, als Trump in seinem Privatklub Mar-a-Lago gerade sein Seezungen-Dinner mit Xi beendet hat. Als der Nachtisch abgeräumt wird, flimmern bereits Bilder des Angriffs über CNN.
Kurz darauf erscheint Trump vor den Reportern, noch in Dinnergarderobe. Er ist in Begleitung seines engsten Zirkels - darunter Tochter Ivanka Trump, Stabschef Reince Priebus und Chef-Ideologe Steve Bannon, der zwar öffentlich degradiert wurde, aber immer noch im Machtzentrum sitzt.
"Heute Abend habe ich einen gezielten Militärschlag in Syrien befohlen, von dem der Chemiewaffenangriff ausging", liest Trump von einem hastig aufgestellten Teleprompter ab. "Es ist von unverzichtbarem nationalen Sicherheitsinteresse der Vereinigten Staaten, die Verbreitung und Anwendung tödlicher Chemiewaffen zu verhindern und zu unterbinden."
Trumps Ansprache im Video:
"Kein Kind Gottes darf je solches Grauen erleiden"
Weitere Details verrät Trump nicht. Stattdessen beschwört er die syrischen Giftgasopfer, ähnlich wie tags zuvor im Rosengarten des Weißen Hauses - und mit fast den gleichen, offenbar exakt gewählten Mitleidsfloskeln: "Hilflose Männer, Frauen und Kinder, es war ein langsamer und brutaler Tod . Kein Kind Gottes darf je solches Grauen erleiden." Dann verabschiedet er sich etwas ungelenk: "Gute Nacht, und Gott segne Amerika und die ganze Welt."

Donald Trump verlässt die Pressekonferenz
Foto: Alex Brandon/ APDinner, Dessert, Tomahawks: Es ist eine bizarre Show aus Tralala und Tod, mit der Trump seine Drohung vom schwülen Florida aus wahr macht. Anders als sein Vorgänger Barack Obama, der die Giftangriffe 2013 als "rote Linie" verurteilte, dann aber nichts unternahm. Damals, als Privatier, war Trump auch kriegsscheu. Seine Wandlung, vielleicht unter dem Eindruck der plötzlichen Last des höchsten politischen Amts, offenbarte sich schon am Mittwoch im Weißen Haus, als er emotional auf den jüngsten Syrien-Horror reagierte.
Binnen 24 Stunden wurde aus der emotionalen Reaktion eine militärische - und aus Trump ein Feldherr. Ob Zufall oder Zynismus: Wie das inszeniert wurde, sickert in der Nacht langsam durch, in Florida und im Pentagon, wo Top-Regierungsvertreter die Reporter über die Hintergründe informieren. Jedenfalls die Hintergründe, die sie verbreiten wollen.
Drei Militäroptionen zur Auswahl
Noch vor dem Abendessen in Mar-a-Lago lässt sich Trump demnach von Verteidigungsminister Jim Mattis drei gestaffelte Militäroptionen vorschlagen. Trump - dessen Wut und Entschlusskraft mit den neuen Giftgas-Beweisen aus Syrien stündlich gewachsen sei - habe die Risiken von "Tun gegen Nichtstun" abgewogen, berichtet US-Sicherheitsberater Herbert McMaster in Florida. Nach insgesamt drei Sitzungen des Sicherheitsrats "sowie weitreichenden Diskussionen" habe Trump schließlich eine "limitierte" Option gewählt: gezielte Luftschläge gegen syrische Kampfjets und Infrastruktur, doch unter Vermeidung von Zielen, die Chemiewaffen bergen könnten. Der Angriff sei "eine Botschaft an Assad".
Die brennendste Frage ist dabei: Welche Rolle spielte Russland? Man habe vor dem Raketenschlag keine politischen Absprachen mit der russischen Regierung getroffen, sagt Außenminister Rex Tillerson in Palm Beach. "Keine Kontakte mit Moskau wurden geknüpft." Man habe Russlands Militär allerdings vorgewarnt, da sich russische Truppen auf dem syrischen Stützpunkt befunden hätten. "Die Militärplaner ergriffen Vorkehrungen, das Risiko für russisches und syrisches Personal auf dem Flugfeld zu minimieren", ergänzt Pentagon-Sprecher Jeff Davis.
Tillerson, der am Dienstag nach Moskau reist, nutzt das nächtliche Briefing in Florida, um zu tun, was Trump bisher vermieden hat: Er kritisiert Russland scharf. Entweder stecke es mit Assad unter einer Decke oder es sei inkompetent: "Jedenfalls hat Russland in seiner Verantwortung versagt."

Rex Tillerson
Foto: JUNG YEON-JE/ AFPZweite Frage: Wo bleibt der Kongress? Noch 2013 hatte Trump gefordert, dass sich Obama einen Militärschlag von den Abgeordneten absegnen lassen müsse. Nein, heißt es, das habe Trump selbst nun aber nicht getan. Trotzdem habe man Senatoren und Abgeordnete in Kenntnis gesetzt.
Als einer der Ersten meldet sich der Republikaner Marco Rubio zu Wort: Er lobt "die Courage und den Mut unserer Männer und Frauen in Uniform". Auch seine Kollegen John McCain und Lindsey Graham, sonst nicht gerade Trump-Fans, loben den Einsatz als "wichtige Message" - und fordern mehr. Rand Paul dagegen rügt den Vorstoß: "Die USA wurden doch nicht angegriffen."
Regierung spricht von einmaligem Vergeltungsschlag
Was eine dritte Frage aufwirft: Wie geht es nun weiter? Beginnt hiermit eine neue Phase des Krieges? Das Weiße Haus beharrt darauf, dass es sich um einen einmaligen Vergeltungsschlag gehandelt habe, als direkte Konsequenz des jüngsten Giftgasangriffs. Damit habe Trump Stärke zeigen wollen, auch gegenüber anderen Despoten, allen voran in Nordkorea und in Iran.
Doch so einfach ist das natürlich nicht. Tillerson selbst verweist auf die "chaotischen Umstände am Boden in Syrien" - Umstände, an denen ein chirurgischer US-Angriff wenig ändern dürfte. Auch bleibt offen, welche globalen Konsequenzen dieser Alleingang haben wird.
"Wir haben uns sehr sorgfältig mit unseren internationalen Partnern koordiniert, indem wir mit ihnen kommunizierten", versichert Tillerson. "Die Reaktion unserer Alliierten, auch in der Region und im Nahen Osten, war überwältigend zustimmend." Das will man aber lieber von denen selbst hören.
Zum Beispiel von China, das als eine der fünf Vetomächte im Uno-Sicherheitsrat eigentlich hätte konsultiert werden müssen. Das kann Präsident Xi seinem Gastgeber in Mar-a-Lago aber auch beim Frühstück erklären.