Obamas NSA-Rede Kleine Reform für den großen Bruder

Obamas NSA-Rede: Kleine Reform für den großen Bruder
Foto: KEVIN LAMARQUE/ REUTERSZwischendurch wirkt es, als sei Barack Obama nicht der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. Sondern der Uno-Sondervermittler in den Konflikten zwischen der NSA und dem amerikanischen Volk sowie der NSA und dem Rest der freundschaftlich gesinnten Welt.
Da wirbt Obama einerseits für die Bedenken der Menschen: "Unser Regierungssystem beruht darauf, dass die Freiheit nicht von guten Absichten der Mächtigen abhängt; es beruht auf dem Recht, das die Mächtigen in ihrer Macht einschränkt." Und andererseits wirbt er für die Späher: "Die Leute von der NSA und anderen Geheimdiensten sind unsere Nachbarn und Freunde." Sie missbrauchten ihre Macht nicht, und "wenn Fehler gemacht werden, dann korrigieren sie diese".
Aufgepumpte Rhetorik, abgespeckte Reform
So geht es hin und her in Obamas 45-Minuten-Rede zur NSA-Reform, auf die Amerika und die Welt im Grunde genommen seit den ersten Enthüllungen Edward Snowdens im Juni 2013 gewartet haben. Er liefert: aufgepumpte Rhetorik, abgespeckte Reform. Obama verspricht bei seiner Rede in Washingtons Justizministerium alles andere als einen Neuanfang. Die NSA wird weiter schnüffeln.
Was Obamas Leute im Vorfeld als "ganze Serie spezifischer Reformen" ankündigten, das ist am Ende nicht mehr als NSA-Kosmetik. Die kleine Reform für Big Brother. Ein paar neue Sicherheitsvorkehrungen für den Schutz von Persönlichkeitsrechten, ein paar Prüfaufträge, ein paar Beruhigungspillen fürs Ausland. Fertig.
"Wir werden die Kommunikationen von Staats- und Regierungschefs unserer engen Freunde und Alliierten nicht überwachen", verspricht Obama unter anderem an die Adresse der deutschen Kanzlerin gerichtet. Obwohl er dies Angela Merkel zuvor schon persönlich zugesichert hat, hört sich das in diesem allgemeinen Rahmen natürlich gut an. Außerdem hatte er zu Beginn seiner Rede schon eine DDR-Referenz eingeflochten, wohl auch nicht ganz zufällig: "Totalitäre Staaten wie Ostdeutschland haben gezeigt, was passieren kann, wenn die gewaltige, unkontrollierte Überwachung Bürger zu Informanten macht und die Menschen für das verfolgt, was sie in ihren eigenen vier Wänden sagen."
Dann aber schränkt Obama gleich zweifach ein: Wenn es die nationale Sicherheit "zwingend" erfordere, dann könnten auch befreundete Staatschefs abgeschöpft werden. Und: "Unsere Geheimdienste werden rund um die Welt weiterhin Informationen über die Absichten von Regierungen sammeln, so wie die Dienste der anderen dies auch tun." Was mag das im Klartext heißen? Merkel als Regierungschefin ist mehr oder weniger raus - aber für Sigmar Gabriel als Vizekanzler gilt das noch lange nicht?
Schwammig bleibt Obama auch in der Frage des von ihm zugesicherten besseren Persönlichkeitsschutzes für Ausländer. Er habe Geheimdienstkoordinator James Clapper und Generalstaatsanwalt Eric Holder angewiesen, Sicherheitsvorkehrungen zu erarbeiten, die die Speicherzeit personenbezogener Informationen sowohl verkürzen als auch deren Nutzung restriktiver handhaben sollen. Ein Auftrag, keine Entscheidung.
Keine Abfrage mehr ohne richterliche Genehmigung
Den Amerikanern versicherte der Präsident, dass die umstrittene massenhafte Sammlung von Telefon-Metadaten zwar fortgesetzt werde ("mächtiges Instrument"), das Verfahren aber solle sich ändern. Die Daten sollen künftig nicht mehr direkt bei der NSA - also der Exekutive - gespeichert, sondern von einer "dritten Partei" verwahrt werden. Denkbar sind die Telefongesellschaften selbst oder ein Zusammenschluss von Providern.
Der Haken: Der Präsident gibt dem Justizministerium und der NSA 60 Tage Zeit, ihm Vorschläge zu unterbreiten; doch schon jetzt sperren sich die Netzanbieter gegen ein solches Vorhaben. Obama hat damit eine Reform angekündigt, deren Umsetzung noch längst nicht geklärt ist. Letztlich soll auch der - parteipolitisch polarisierte - Kongress mitentscheiden.
Eines ist ab sofort wirksam: Die Dienste dürfen keine Telefondaten mehr aus der Sammlung abfragen, ohne dass nicht eine richterliche Genehmigung des geheim tagenden Foreign Intelligence Surveillance Court (Fisc) vorliegt. Bei der NSA wird dieses Verfahren mit Sicherheit für Verärgerung sorgen.
Ansonsten aber haben sich die Späher und Spione nicht zu beklagen. Obama hat unter Rückgriff auf die US-Geschichte versucht, sie aus ihrem fürs Image nicht unbedingt förderlichen Schattenreich herauszuholen: Die Geheimdienste, so Obama, hätten den USA immer wieder geholfen, Nation und Freiheit zu verteidigen. In den Anfangsjahren der Republik gegen die Briten, dann gegen die rebellischen Südstaaten, später gegen Japaner und Deutsche im Zweiten Weltkrieg, schließlich im Kalten Krieg gegen die Sowjetunion. Und seit den 9/11-Anschlägen gegen den internationalen Terrorismus. Aus den NSA-Mitarbeitern macht Obama Freiheitskämpfer.
Natürlich ist da etwas dran; dennoch wirkt es reichlich überzogen. Obama trat ja einst auch an, um die Auswüchse des Sicherheitsstaates unter George W. Bush wieder einzuhegen. Damals versprach er zum Beispiel, das Gefangenenlager von Guantanamo zu schließen. Bis heute ist ihm das nicht gelungen. Wird es mit seiner kleinen NSA-Reform genauso laufen? Am Ende seiner Amtszeit könnte so ausgerechnet das bestehen bleiben, was er einst verändern wollte. Dass er an diesem Freitag nur den kleinen Wurf gewagt hat, wird sein Erbe bestimmen.