US-Präsidentschaft Demokraten bibbern vor Bloomberg-Kandidatur
Washington - Ein enger Vertrauter von New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg lud vorige Woche zum Lunch. Schon beim ersten Gang drehte sich das Gespräch nur noch um ein Thema - den Präsidentschaftswahlkampf und Bloombergs mögliche Rolle. Der Vertraute kam gerade von einer ausgedehnten Reise mit dem Milliardär zurück, und er sagte in die gespannt lauschende Runde: "Er will antreten. Er will es unbedingt. Und wenn er glaubt, er kann gewinnen, wird er es auch tun."
Bloomberg ist das "dark horse" in diesem Wahlkampf, der große Unbekannte. Wird der New Yorker Bürgermeister und mehrfache Milliardär noch in das Rennen um das Weiße Haus einsteigen? Als unabhängiger Kandidat, also ohne Anbindung an die demokratische oder republikanische Partei? Wahlkampfmanager der anderen Präsidentschaftsbewerber rätseln seit Monaten darüber. "Er wird es wirklich nur tun, wenn er glaubt, eine echte Chance zu haben", bekräftigt der Vertraute. "Etwa weil beide Parteien zerstritten wirken und als Kandidaten Mike Huckabee, Rudy Giuliani oder Hillary Clinton nominieren - die auf viele Wähler sehr polarisierend wirken."
Diskreter Kontakt zu Wahlkampfberatern
Bislang bestreitet Bloomberg offiziell eine Kandidatur. Doch es ist in New York ein offenes Geheimnis, dass er längst Vorbereitungen getroffen hat. Einer seiner Top-Berater im Bürgermeisteramt hat im vorigen Jahr bereits den Dienst quittiert, um die Chancen für eine Präsidentschaftskandidatur seines Bosses genauer zu untersuchen. Bloomberg soll sogar bereits im Verborgenen Wahlkampfberater kontaktiert haben - und sich mit seinem Freund Henry Kissinger, dem ehemaligen US-Außenminister, zu regelmäßigen Außenpolitik-Tutorien treffen.
Heute heizt der Gründer des Finanzinformationsdienstes Bloomberg die Spekulationen weiter an - mit dem Auftritt bei einer Konferenz an der Universität von Oklahoma, die sich um politischen Einfluss außerhalb der etablierten US-Parteien dreht. Diskutieren wird mit ihm unter anderem der angesehene republikanische Senator Chuck Hagel. Der hat bereits Interesse signalisiert, einem Kandidaten Bloomberg als Vizepräsidentschaftsbewerber zur Seite zu stehen.
Der Bürgermeister flirtet durchaus mit der Aufmerksamkeit, die solche Gedankenspiele finden. Als er vor wenigen Tagen offiziell eine Pressekonferenz zum Rauchen abhielt, war der Raum prallgefüllt mit Journalisten. Bloomberg lächelte schelmisch: "So viel Interesse am Rauchen?" Dann beantwortete er aber bereitwillig Fragen zu seinem Auftritt in Oklahoma - und seiner Meinung über die anderen Bewerber für das Weiße Haus. Er machte Witze über Rudy Giuliani, der unaufhörlich mit seinen Erfahrungen im Kampf gegen den Terrorismus wirbt, über die wechselnden Positionen von Mitt Romney und Hillary Clinton. Als Fazit zog Bloomberg: "Ich glaube, dass bei unabhängigen Wählern aus beiden Parteien viel Frustration über die Kandidaten herrscht." Zu verschonen schien er in seiner Generalabrechnung nur Senator Barack Obama, den triumphalen Vorwahlsieger von Iowa. Mit dem hat sich Bloomberg im vorigen Monat gar sehr öffentlich in Manhattan zum Frühstück getroffen.
Obama hat seine Kandidatur um das Versprechen von "change", Wandel, aufgebaut. Bloomberg würde wohl eine noch radikalere Botschaft entwerfen - adressiert an alle Bürger, die von den beiden US-Parteien frustriert sind und sich eine Rückkehr zu überparteilichen Kompromissen wünschen. Vor kurzem sagte Bloomberg: "Unser Wahlsystem hat mit Parteien gar nichts zu tun. Wer die meisten Stimmen in den Bundesstaaten erhält, gewinnt. Dafür muss man nicht einer bestimmten Partei angehören."
Bloombergs Denkprozess macht die Demokraten nervös
Freilich sind die Hürden hoch. Noch nie hat ein unabhängiger Kandidat wirklich ernsthaft im Präsidentschaftswahlkampf mitmischen können. Am erfolgreichsten war noch Ross Perot, auch er ein Milliardär, der 1992 und 1996 antrat. Er gewann im ersten Anlauf beinahe zwanzig Prozent der Stimmen, doch keinen einzigen Bundesstaat. Vor dieser Herausforderung wird auch Bloomberg stehen - zumal er in vielen Punkten angreifbar ist.
So zeigte er sich politisch durchaus flexibel. Erst war Bloomberg ein eingeschriebener Demokrat. Dann wechselte er zu den Republikanern, um für das Bürgermeisteramt in New York antreten zu können. Letztes Jahr gab er bei einer Konferenz in Los Angeles mit Arnold Schwarzenegger - dessen überparteilichem Politikstil er nacheifert -, diese Bindung wieder auf und wurde offiziell ein "independent", ein Unabhängiger.
"Er lässt sich von Einwänden wenig beeindrucken"
Außerdem gilt Bloombergs Amtszeit in New York zwar als erfolgreich: Der Geschäftsmann erwies sich auch in der Stadtverwaltung als ein guter Manager, neue Initiativen zur Stadtentwicklung oder zum Unweltschutz gehen auf ihn zurück. Doch ist er für den Rest der USA eben immer noch ein liberaler New Yorker. Seine tolerante Haltung zur Abtreibung oder seine strengen Beschränkungen des Rechtes auf Waffenbesitz werden in konservativeren Teilen der USA schlecht ankommen. Bloomberg müsste zudem als Präsidentschaftskandidat auch acht Monate lang mit der Bürde klarkommen, gleichzeitig weiterhin eine der größten Städte der Welt zu regieren. Sein Privatleben könnte er auch nicht mehr so kategorisch abschirmen wie bislang.
Dennoch: "Vor seiner Bewerbung zum Bürgermeister hat ihm auch jeder gesagt, dass er es nicht schaffen kann", sagt Bloombergs Vertrauter. "Aber er hat locker gewonnen. Also lässt er sich von Einwänden wenig beeindrucken." Insbesondere die Demokraten verfolgen seinen Denkprozess gespannt. Sie fürchten, seine Kandidatur könne sie im schlimmsten Fall das Weiße Haus kosten. Denn nach ihren ersten Analysen könnte er viele Stimmen gewinnen, die sonst eher an den demokratischen Kandidaten gehen würden als an den republikanischen.
Noch hat Bloomberg Bedenkzeit. Er müsste erst im März spätestens damit beginnen, die notwendigen Unterschriften in den jeweiligen Bundesstaaten zu sammeln. Logistisch ist das kein großes Problem. Allerdings hätte der Bürgermeister kaum noch Zeit, Spendengelder für seine Bewerbung zu sammeln. Doch das ist für Bloomberg, der in der Forbes-Liste der Superreichen zuletzt mit einem Vermögen von 11,5 Milliarden Dollar geführt wird, kein Problem. Er hat schon für seine beiden Bürgermeister-Wahlkämpfe in New York rund 160 Millionen Dollar aus der eigenen Tasche bezahlt. Offensichtlich hat er bereits damit begonnen, Vermögen umzuschichten, um genügend Bargeld parat zu haben. "Seine Berater haben ihm gesagt, so eine Kandidatur werde ihn bis zu einer Milliarde Dollar kosten", erzählt der Bloomberg-Insider. "Er hat sie nur angeschaut - und mit den Schultern gezuckt."