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US-Präsidentschaftswahlkampf Bush light

Eins, zwei, drei: Jeb Bush will Vater und Bruder als US-Präsident nachfolgen, jetzt auch ganz offiziell. Bei seinem Auftritt in Miami mag er aber keinesfalls nur als Erbe erscheinen. Ob das gut geht?

Wie bezeichnend, dass Jeb Bush ausgerechnet dieser spezielle Ausdruck entfährt, nachdem er gerade erklärt hat, er trete an, er wolle Präsident werden. Applaus von allen Seiten, "Wir wollen Jeb"-Rufe, Bush schaut nach links, schaut nach rechts - und sagt dann dieses eine Wort: "Puh!"

Endlich ist es raus. Seit eineinhalb Jahren hat sich John Ellis Bush, genannt Jeb, auf diesen Moment vorbereitet. Seit Dezember hat er, der Präsidentensohn und Präsidentenbruder, die Fühler ausgestreckt und eine Unterstützerplattform hat Spenden gesammelt - insgesamt bereits rund hundert Millionen Dollar.

Nahezu im Wochentakt sind zuletzt seine Parteifreunde in den Wahlkampf eingetreten. Aber erst mit Bushs Erklärung an diesem Montag - er ist bereits der elfte Republikaner-Kandidat - geht das Rennen richtig los. "Ich trete an, um zu gewinnen", ruft Bush.

Auf seinen Plakaten steht nur: "Jeb!"

Gut möglich, dass es im kommenden Jahr zu einer Wiederauflage des Duells Clinton gegen Bush um die Präsidentschaft kommt. Allerdings trifft Hillary Clinton, anders als Bush, bisher kaum auf schlagkräftige Gegenkandidaten in der eigenen Partei.

An diesem Punkt setzt Jeb am Montag an, um sich von ihr abzusetzen - und indirekt auch von seinem Bruder, der ja die Marke Bush auf Dauer beschädigt hat. Die Demokraten, sagt Bush, würden "Vorwahlen ohne Spannung" veranstalten für eine "Wahl ohne Wandel". Heißt: Hillary wird eh die Kandidatin und würde als Präsidentin da weitermachen, wo Obama aufhört.

Bush dagegen sucht die eigene Zugehörigkeit zu einer Politdynastie (zweimal Präsident, einmal Vize-Präsident, zweimal Gouverneur, einmal CIA-Chef, einmal Kongressabgeordneter, einmal Senator, zweimal Botschafter) mithilfe der republikanischen Kandidatenflut zu übertünchen: "Niemand ist einfach an der Reihe, jeder muss sich bewähren, das Rennen ist weit offen - genauso wie es beim Kampf um die Präsidentschaft auch sein sollte." Nur logisch, dass auf seinen Plakaten sein Familienname gar nicht vorkommt. Da steht nur: "Jeb!"

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Die Rede ist besser, als viele wohl im Vorfeld vermutet hatten. Ja, Bush ist ein eher hölzerner Redner, er verhaspelt sich, betont die Sätze so, dass sie ein bisschen schräg in der Luft hängen. Andererseits macht diese Nervosität den Mann zugänglicher. Bei rhetorisch geschliffenen Mitbewerbern wie dem Tea-Party-Senator Ted Cruz oder auch der Hochglanz-Kandidatin Clinton ist vor lauter Fassade der Mensch dahinter kaum mehr zu entdecken.

Ansonsten läuft Bushs Auftritt unter jenem Ich-bin-mein-eigener-Herr-Leitmotiv, das er seit Monaten verfolgt. Statt Vater George H.W. und Bruder George W. war dementsprechend auch allein Mutter Barbara am Montag nach Miami gereist.

Bruch mit dem Bruder?

Doch die Distanz zum Bruder ist eher rhetorisch denn real. Das hat nicht zuletzt Jebs Europareise in der vergangenen Woche gezeigt. Da versprach er einen Abschied von Obamas Politik des graduellen Rückzugs (Retrenchment) und mehr amerikanische Führung. Kurz: Der 62-Jährige setzt auf die Wiederbelebung des alten Amerikas. Zwar sprach er in Berlin viel von seinem Vater und der deutschen Einheit; der Bruder kam gar nicht vor. Aber auch das ist wohl wieder mehr Rhetorik als Realität. Einen echten Bruch mit der W.-Politik jedenfalls, den hat Jeb bisher nicht durchblicken lassen. Nichts hat das zuletzt besser illustriert als seine Äußerungen zur Irak-Invasion.

Die Unterschiede der Brüder liegen, man merkt es auch am Montag beim Auftritt in Miami wieder, vor allem im Habitus. Jeb wirkt gehemmter, rationaler, bedächtiger, kundiger auch. Bush light. Bei allen seinen Gesprächspartnern in Europa etwa hat er einen positiven Eindruck hinterlassen. Das war dem Bruder seltener vergönnt.

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US-Polit-Dynastie: Die Bushs

Foto: HO/ AFP

Viel spricht Bush in seiner Bewerbungsrede über Florida, wo er acht Jahre Gouverneur war. Er könne Amerikas Probleme lösen, sagt er: "Weil ich es schon einmal getan habe." Es geht um Steuersenkungen ("19 Milliarden Dollar in Florida"), um Bildungsreformen ("jeder verdient eine Chance"), auch um das Schicksal illegaler Immigranten (einige Demonstranten sind im Saal).

Bush, der mit einer Mexikanerin verheiratet ist und am Montag eine Kostprobe seiner spanischen Sprachfähigkeiten gab, wird vor allem in dieser Frage während der Vorwahlen noch heftigen Gegenwind bekommen. Denn die nach rechts gerückte Republikanerbasis will nichts wissen von einer Einwanderungsreform. Nur: Ohne erklecklichen Stimmenanteil bei den Latinos kann heute niemand mehr Präsident werden.

Bush hat schon vor Monaten festgestellt, dass ein republikanischer Kandidat riskieren muss, die Vorwahlen zu verlieren, um später eine Chance aufs Weiße Haus zu haben. "Ich war ein Reform-Gouverneur", sagt er nun in Miami, seine Botschaft sei eine "optimistische".

Jeb Bush ist offenbar entschlossen, besagtes Risiko einzugehen.

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