US-Republikaner Aufmarsch der Glaubenskrieger

Tea-Party-Demonstration (Archivbild): Hauptsache konservativ - und vor allem gläubig
Foto: Steven Senne/ APObacht! Bei Amerikas Lobbyisten für die christliche Familie stellt sich der Besucher keineswegs nur mit Namen vor. Das genügt nicht. Ohne Religions-Check geht hier gar nichts. Die Frage also: "Bist du Christ?"
"Ja, Lutheraner aus Germany."
Stirnrunzeln, mitleidiger Blick. "Oh, na gut, aber das ist auch so ähnlich wie Christentum, oder?"
"Durchaus."
Hoffnung keimt auf, kurzes Nachdenken. "Die sind hart und streng, diese deutschen Lutheraner, nicht wahr?
"Nein, nicht wirklich."
Okay, jetzt ist es vorbei. "Schade."
Wir sind beim politischen Arm des "Rats für Familienforschung", mitten unter 3000 evangelikalen Christen, die sich in einem Washingtoner Hotel zum "Gipfeltreffen der Werte-Wähler" versammelt haben. Politischer Arm hört sich ein bisschen wie IRA und Sinn Fein an, ist aber halb so schlimm. Zumindest, wenn man Christ ist.
Und genau darum geht es zwei Tage lang in der US-Hauptstadt: Welchen republikanischen Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur unterstützen die Rechtsaußen-Christen? Wer gibt den besten Christen ab? Alle aussichtsreichen Kandidaten sind gekommen, denn die Evangelikalen sind eine stetig wachsende Wählergruppe.
Ausgerechnet Mitt Romney, der aktuelle Spitzenreiter in den Umfragen, hat aber hier bei den Werte-Wählern den schwierigsten Auftritt. Denn Romney ist nicht mal Lutheraner. Er ist Mormone.
Mormonentum? "Kult"
"Mormonentum ist kein christlicher Glaube", hatte schon am Freitag Robert Jeffress den Reportern am Rande der Veranstaltung erläutert. Es handele sich da vielmehr um einen "Kult". Jeffress ist einer der evangelikalen Anführer, Pastor in Dallas - und Gefolgsmann von Texas-Gouverneur Rick Perry. Der ringt, welch Zufall, gerade mit Romney um die Kandidatur.
Als Romney dann am Samstag seine 20 Minuten auf der Bühne bekommt, spricht er über Jobs, Wachstum, US-Präsident Barack Obama - nur kaum über die Religion. "Wenn ihr wollt, dass Amerika die stärkste Nation auf der Welt ist, bin ich der richtige Präsident für euch", ruft er den Christen zu. Und dann versucht er es durch die Blume doch noch: Toleranz sei ein konservativer Wert, "vergiftete Sprache bringt uns nicht weiter". Mancher Redner hier, so Romney, überschreite die Grenze. Der Applaus kommt ein bisschen zögerlich, aber er kommt.
Romney meint nicht nur den Pastor aus Texas. Er meint vor allem Bryan Fischer. Den radikalen Christen und Publizisten haben sie direkt nach ihm auf die Rednerliste gesetzt. Fischer hat den Präsidentschaftsbewerber in der Vergangenheit immer wieder wegen dessen Glauben attackiert. Romney kennt das schon, schließlich hatte er bereits 2008 einen Anlauf auf die Präsidentschaftskandidatur unternommen, scheiterte dann aber in den republikanischen Vorwahlen.
Bryan Fischer also. Der nächste Präsident müsse von "echtem, authentischem, wirklich christlichem Glauben sein", ruft er in die Halle. Die Tea-Party-Aktivisten im Saal jubeln. Also nicht Romney. "Christliche Staatsmänner schufen die Vereinigten Staaten, und christliche Staatsmänner müssen sie jetzt zurückgewinnen", sagt er.
Gut gegen Böse
Gut, Romney ist gefährlich. Aber wahrlich böse ist in Fischers Welt der amtierende Präsident Obama. Den halten sie im Publikum sowieso für einen Sozialisten, wenn nicht gar Muslim. Oder warum sonst trägt Obama den Mittelnamen Hussein? Es sind in der Mehrheit verbitterte Menschen, die hier zusammenkommen. Sie glauben, sie müssten ihr Lebensmodell verteidigen gegen die Liberalen, die Schwulen, die Muslime, die Obamas dieser Welt. Das wahrhaft Gute gegen das Übel. Der Kampf macht sie hart, freudlos.
Diese Nation, ruft Fischer jetzt von seiner Bühne, müsse von einem geführt werden, der nicht glaube, dass die Menschen aus Schleim entstünden und die Nachfahren von Affen seien. Nieder mit der Evolutionstheorie! Dann kommt der Islam dran. Jede Moschee in den USA sei ein potentieller Rekrutierungsort für Terroristen: "Es gibt moderate Muslime, aber es gibt keinen moderaten Islam." Nächster Gegner: Wie der Islam sei auch die Homosexualität eine Bedrohung von Amerikas Freiheit, sie führe zum Niedergang der Gesellschaft.
Und so geht es unter dem Jubel der Anhänger munter weiter. Obama und Co. gehen hier nicht mehr als politische Gegner durch, sie sind Feinde. Das sagt eine Menge aus über den Zustand des Landes, über seine politische Spaltung, über den Weg, den einflussreiche Gruppen auf der republikanischen Seite des politischen Spektrums in den vergangenen Jahren eingeschlagen haben. Alle Kandidaten für 2012 huldigen diesem Trend.
Die Helden der Wutbürger von Washington sind an diesem Wochenende der Radikalliberale Ron Paul, die Tea-Party-Ikone Michele Bachmann und - zuletzt in den landesweiten Umfragen weit nach oben aufgestiegen - Herman Cain, der frühere Chef der Fast-Food-Kette Godfather's Pizza.
"Schweinefleisch über Iran abwerfen"
Bachmann berichtet von ihrer persönlichen Beziehung zu Jesus Christus; dass sie "den Herrn über Gebete bei nahezu jeder Entscheidung" konsultiere. Der 76-jährige Ron Paul will die US-Truppen aus Übersee heimholen, denn Jesus habe ja gesagt, dass Steinigung nicht die Lösung des Problems der Prostitution sein könne. Herman Cain sagt, er würde an allen strategischen Stellen rund um die Welt - vor allem rund um Iran - Abwehrraketen aufstellen, um einen nuklearen Angriff auf die USA oder befreundete Staaten zu verhindern.
Das klingt alles so einfach, so unkompliziert. Die große außenpolitische Debatte? Sie fehlt in diesem Rennen der Kandidaten bisher völlig.
Vor der Tür des Saals steht William Temple. Der 61-jährige Tea-Party-Aktivist trägt die Revoluzzer-Klamotte aus dem 17. Jahrhundert, als die Amerikaner noch gegen die Briten um ihre Unabhängigkeit kämpften. Und heute? Außenpolitik im 21. Jahrhundert? Er wisse da eine Menge Dinge, die man mit Irans Diktator machen könne, sagt Temple: "Zum Beispiel Schweinefleisch von B-52-Bombern über den Heiligen Stätten Irans abwerfen." Das solle man Präsident Mahmud Ahmadinedschad mal am roten Telefon androhen, dann werde der schon zur Vernunft kommen.
Am Ende dürfen Williams und die anderen noch an einer Probeabstimmung über die Kandidaten teilnehmen. Dass noch kurz zuvor, am Samstagmorgen, Busse mit Ron-Paul-Anhängern vorgefahren sind, zahlt sich jetzt aus: Der Parlamentsabgeordnete aus Texas holt 37 Prozent, Cain kommt auf 23, der Katholik Rick Santorum auf 16 Prozent. Perry und Bachmann erhalten jeweils acht Prozent.
Und Mitt Romney? Der belegt mit vier Prozent den letzten Platz.