Wahlprogramm der US-Republikaner Zurück in die fünfziger Jahre

Republikaner-Anhänger: Erzkonservatives Wahlprogramm
Foto: CHIP SOMODEVILLA/ AFPDen Zeitpunkt haben die Republikaner gut gewählt - am ersten Nachmittag, bevor die TV-Networks abends live dazuschalten, zwischen Nationalhymne, Eröffnungsgebet und Snackpause. Es ist, als sei breitere Aufmerksamkeit unerwünscht, wenn das neue Wahlprogramm beschlossen werden soll.
Kein Wunder. Denn die neuen Leitlinien, zu denen sich die Oppositionspartei zum Auftakt ihres Konvents kommende Woche in Florida bekennen wollen, sind so knallhart-konservativ wie seit Jahren nicht.
Nach außen hin soll die viertägige Propaganda-Show Mitt Romney zwar zum modern-aufgeschlossenen Kandidaten stylen. Doch in Wahrheit rückt die Partei stramm nach rechts - vom kategorischen Abtreibungsverbot über striktere Einwanderungsregeln bis zum verfassungsrechtlichen Verstoß Homosexueller.
Das Programmkomitee segnete den Entwurf am Dienstagabend ab. Schlechtes Timing: Denn seit dem Wochenende tobt ein Skandal um den erzkonservativen Senatskandidaten Todd Akin und seine krassen Thesen zu Abtreibung und Vergewaltigung . Noch mehr Aufruhr über den Rechtsdrall der Partei fehlt da gerade noch.
Romney und die meisten Republikaner haben sich von ihrem Parteikollegen distanziert und ihn zur Aufgabe seiner Kandidatur gedrängt, auch aus Angst um ihre Senats-Chancen. Doch Akin will im Rennen bleiben: Romney solle sich um seinen eigenen Wahlkampf scheren, sagte er dem Fox-News-Moderator Sean Hannity.
Das Wahlprogramm enthüllt nun aber eine unangenehme Realität: Einer wie Akin ist fest in der Partei verwurzelt.
"Herz und Seele der Partei"
Zwar ist das Programm noch unter Verschluss, da es erst in Tampa offiziell von den 2286 Delegierten verabschiedet wird. Doch Insider haben die wichtigsten Passagen bereits den US-Medien zugespielt, darunter CNN, der "New York Times" und mehreren Polit-Websites.
Die aufgeblasenen "Platforms", die die Republikaner alle vier Jahre beschließen, sind aus Prinzip konservativer als die Kandidaten selbst. Damit zeigt sich die traditionelle Kluft der Partei: Das Programm befriedigt die Basis, während der Bannerträger um die Wähler der Mitte buhlt.
Diesmal aber ist das mehr als Routine. "Das Dokument reflektiert das Herz und die Seele der Partei", hat zwar Bob McDonnell erklärt, der Gouverneur von Virginia und Vorsitzende des Programmkomitees. Angesichts der Akin-Affäre versuchte Parteichef Reince Priebus aber sofort gegenzusteuern: "Dies ist das Programm der Partei", sagte er im Kabelsender MSNBC. "Es ist nicht das Programm von Mitt Romney."
Denn die Basis ist konservativer denn je, dank der Tea Party und dem gärenden Unmut über das moderate Establishment. Das Programm 2012 belegt den Rechtsruck der Republikaner - als Rückschritt in die fünfziger Jahre. Ob sich damit jedoch die Wechselwähler ködern lassen werden, bleibt fraglich.
Das sind einige Kernpunkte des Wahlprogramms:
- Abtreibung
Abtreibung soll kategorisch verboten werden, selbst bei Inzest und Vergewaltigung oder wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist. Diese Lieblingsthese Akins stand auch schon 2008 im Parteiprogramm, sorgte damals aber kaum für Wirbel. Romney widerspricht dem, er will diese Ausnahmen im schlimmsten Fall zulassen.
Die Republikaner gehen aber noch weiter: Schon ein Embryo gilt für sie als Person, was sie per Verfassungszusatz verankern wollen. Das könnte Mütter bei Fehlgeburten dem Vorwurf der Kindesmisshandlung aussetzen.
- Schwulenrechte
Die gleichgeschlechtliche Ehe soll per Verfassungszusatz verboten werden. Zwar sprechen die Republikaner Homosexuellen "Respekt und Würde" zu, doch nur als Feigenblatt: Die Passage wurde von Tony Perkins verfasst, dem Chef der Anti-Schwulen-Lobby Family Research Council. "Ich bin sehr glücklich", sagte er der Website BuzzFeed.
Die Schwulenehe - derzeit von sechs US-Staaten anerkannt - sei "ein Anschlag auf die Fundamente unserer Gesellschaft", heißt es dort also. Die Hetero-Ehe dagegen bestimme "unseren Erfolg als Nation": Nur sie erbringe "psychologisch und emotional gesunde" Kinder.
- Einwanderung
Die Republikaner erneuern alte Forderungen nach strengeren Einwanderungsvorschriften. Romneys Team hatte diese abzuschwächen versucht, um die Latino-Wähler nicht zu verschrecken. Vergeblich: So soll der umstrittene Zaun entlang der Grenze zu Mexiko fertiggestellt werden. Auch soll es künftig weder staatliche Studienhilfen noch Schutzgebiete für illegale Einwanderer geben.
- Waffenkontrolle
Die Republikaner sperren sich gegen jegliche gesetzliche Beschränkung beim Kauf von Munition, Magazinen und Nachlade-Clips für halbautomatische Waffen. Das soll auch für Waffen gelten, mit denen der Todesschütze von Colorado im Juli in einem Kino zwölf Menschen erschoss - darunter ein M-16-Gewehr und eine halbautomatische Pistole.
- Wahlrecht
Das Republikaner-Programm begrüßt die Bestrebung etlicher Bundesstaaten, das Wahlrecht zu verschärfen. Bisher haben acht US-Staaten Gesetze erlassen, wonach sich die Wähler im November ausweisen müssen. Da die USA keinen Personalausweis haben, müssen die Betroffenen dazu fortan Reisepässe, Führerscheine oder Geburtsurkunden vorlegen. Die Demokraten fürchten, dass dies vor allem Arme, Minderheiten und Einwanderer vom Urnengang abhalten und so die Wahl zugunsten der Republikaner verzerren könnte.