Republikaner im US-Haushaltsdrama Die Kamikaze-Partei

Amerikas Republikaner erscheinen mal wieder wie ein wildgewordener Haufen. Die Konservativen stimmen stur für den Shutdown und gegen die eigene Führung. Dabei denken sie nur an ihre Karriere und nicht an die Partei.
Republikanischer Sprecher Boehner: Kaum Posten zu verteilen

Republikanischer Sprecher Boehner: Kaum Posten zu verteilen

Foto: NICHOLAS KAMM/ AFP

Amerikas Kongressabgeordnete sind vor allem eines: politische Unternehmer in eigener Sache. Ihr Kundenkreis ist eng umrissen, er beschränkt sich weitgehend auf die Wähler im eigenen Wahlkreis. Das zeigt sich auch beim Streit über den Shutdown.

Dabei vertreten die Republikaner eine harte Linie. Die weitere Finanzierung der Regierung segnen sie nur ab, wenn Präsident Barack Obama seine Gesundheitsreform ("Obamacare") verschiebt oder gleich komplett einstampft. Der Umbau des maroden Gesundheitssystems ist aber Obamas wichtigstes innenpolitisches Projekt. Entsprechend groß ist der Druck. Der Präsident kann eine solche Vorlage praktisch nicht akzeptieren. Es ist also die größtmögliche Konfrontation, die die Republikaner suchen.

Viele Abgeordnete rechnen auch in diesem Szenario kühl. Das US-Wahlrecht kennt nur Direktmandate, und im Repräsentantenhaus müssen sämtliche Mitglieder alle zwei Jahre ihren Sitz verteidigen. Also geht ihnen der Dienst an der Basis über alles, dorthin eilen sie beinahe jede Woche zurück, um Geld für den Wahlkampf zu sammeln und Geld nach dem Wahlkampf zu verteilen. Landesliste, Parteivorstand, Fraktionszwang? Diese Begriffe sind den meisten Kongressabgeordneten völlig unbekannt.

Im aktuellen Disput um Amerikas Regierungsstillstand erklärt dieser Umstand, weshalb sich eine Brigade von Republikanern aufführt wie ein Haufen Berlusconis - als Staatsfeinde von innen, die den Staat lahmlegen wollen, weil das ihre konservativen Wähler daheim wünschen. Das ist ihnen wichtiger als die anderslautenden Vorgaben ihres "Chefs": eine Rolle, die John Boehner, republikanischer Sprecher, ohnehin nicht ausfüllen kann. Boehner hat kaum Posten zu verteilen, er kann seinen Abgeordneten nicht vorschreiben, wie sie abstimmen sollen - und seine Macht ist im Vergleich zu früheren Sprechern noch einmal dramatisch geschrumpft.

Die meisten Wahlkreise sind streng verteilt

Denn beide US-Parteien vermessen seit Jahren Amerikas Wahlkreise streng parteiisch neu, damit möglichst viele linke oder rechte Hochburgen entstehen. Bei der Kongresswahl im Jahr 2010 waren daher gerade einmal 30 von 435 Sitzen wirklich umkämpft, mit einem Abstand von unter fünf Prozent beim Ergebnis. In beinahe 70 Prozent der Wahlkreise gewann hingegen eine Partei mit mehr als 60 Prozent der Stimmen, haushoch also. Die Wahlkreise sind selbst nach Hautfarben fein säuberlich getrennt: In demokratischen Gebieten stellen Schwarze und Latinos die Mehrheit - die republikanischen sind zu fast drei Vierteln weiß.

Solche Faktoren beeinflussen das Abstimmungsverhalten mehr als jede Ermahnung, das Staatswesen zu retten. Abgeordnete, die so gut wie nie ein farbiges Gesicht sehen, stimmen gegen jede Einwanderungsreform. Und Tea-Party-Aktivisten, die im pragmatischen Washington unerwünscht sind, sind in ihren erzkonservativen Wahlkreisen nur unumstritten, wenn sie im Kongress möglichst prinzipientreu und kompromisslos bleiben. Denn sonst droht ihnen dort in parteiinternen Vorwahlen Konkurrenz von noch weiter rechts. Wie soll man sich besser davor absichern, als dem vermeintlichen Kommunisten Obama einen Shutdown zu verpassen?

Das riskante Spiel der Republikaner

Doch auch für die Republikaner gilt: Was Einzelnen nützt, ergibt noch lange nicht ein schlagkräftiges Ganzes. Die Konservativen spielen ein gefährliches Spiel. Denn viele Amerikaner mögen über den Staat schimpfen, aber sie wollen ihn nicht abschaffen - schon gar nicht, wenn ihre eigenen Leistungen beschnitten werden. Als Republikanerführer Newt Gingrich 1995 mit Bill Clinton ein ähnliches Duell versuchte, kegelte er sich selbst aus dem Amt und verhalf dem skandalbelasteten Clinton zum politischen Comeback. Auch nun zeigt landesweit eine Mehrheit der US-Bürger in Umfragen wenig Verständnis für das Gebaren der Abgeordneten.

Das könnten Amerikas Konservative spätestens im Jahr 2016 bereuen: Sie haben nur dann Chancen auf den Einzug ins Weiße Haus, wenn sie auch Wähler erreichen, die den Staat nicht zwangsläufig als Feind sehen. Republikanische Politiker, die Präsident werden wollen, wissen dies. Egal ob sie Chris Christie (Gouverneur von New Jersey) heißen oder Jeb Bush (Bruder von George W.). Nur sind auch sie gegenüber vielen Abgeordneten ihrer eigenen Partei vor allem eins: machtlos.

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