US-Verteidigungsminister Hagel Ein freundlich verpackter Rauswurf

Minister Hagel, Präsident Obama: "Beispielhaft"
Foto: MANDEL NGAN/ AFPSeine letzten Auftritte in Washington absolvierte Chuck Hagel als Versehrter. Auf seiner linken Backe prangte in den vergangenen Wochen erst ein Pflaster in Übergröße, kurz darauf zeigte der 68-Jährige offen eine langsam verheilende Schnittwunde. Ein Unfall in der Küche, hieß es aus dem Pentagon. Hagel sei gegen eine Schranktür gelaufen.
Der Verteidigungsminister sah nicht nur körperlich angeschlagen aus. Er war es auch politisch. An diesem Montagmorgen erklärte er vor der Presse im Weißen Haus seinen Rücktritt, neben ihm fand der US-Präsident sehr freundschaftliche Worte und Vize Joe Biden machte ein sehr trauriges Gesicht. Hagel sei ein "beispielhafter Verteidigungsminister" gewesen, sagte Barack Obama.
Talent zum verbalen Ausrutscher
Warum aber tritt er dann eigentlich zurück? Darauf geben Hagel, Obama und Biden keinen Hinweis. Die Nummer soll gesichtswahrend für alle Seiten sein. Von einer "gemeinsamen Entscheidung" ist die Rede.
Tatsächlich hat Obama seinen Verteidigungsminister entlassen. Offenbar im Oktober, noch vor den für den Präsidenten desaströsen Kongresswahlen, hatten sie die ersten Gespräche in diese Richtung. Hagel also hat sich an diesem Montag mehr oder weniger freiwillig feuern lassen. Das Hauptproblem der beiden Freunde: Uneinigkeiten in Fragen der Syrien-Strategie.
So hatte Obama die Terrormilizen des "Islamischen Staates" (IS) Anfang des Jahres noch als Anfängertruppe verspottet, im Sommer dann wurde er von deren Vormarsch überrascht. Das war der Zeitpunkt, als Hagel erklärte, der IS stelle eine "unmittelbare Bedrohung" von US-Interessen dar: "Das geht über alles hinaus, was wir bisher gesehen haben." Der Präsident war düpiert. Im Weißen Haus spotteten sie schon vorher über Hagels "gift of gaffe", sein Talent zum verbalen Ausrutscher.
Stets verteidigte Hagel Obamas Direktive, dass US-Kampftruppen im Irak oder in Syrien ausgeschlossen sind. Gleichzeitig aber sagte er, niemand habe "die Illusion, dass Luftschläge allein den IS zerstören könnten". Irgendjemand, so die Botschaft, muss irgendwann Bodentruppen schicken. Nur wer?
Privates Memo ans Weiße Haus geschickt
In Washington gibt es Gedankenspiele, dass unter anderem die Türken diese Aufgabe übernehmen könnten. Doch die sind, genauso wie Saudi-Arabien, unzufrieden mit der US-Strategie, die sich bisher allein gegen den IS, nicht aber gegen Syriens Diktator Assad richtet. Hagel nun packte diese Bedenken in ein privates Memo, das er ans Weiße Haus schickte: Es brauche einen klareren Plan, wie mit dem syrischen Regime umzugehen sei (Lesen Sie hier mehr über Amerikas Strategie im Kampf gegen den IS).
Allerdings war Hagel seinerseits zuvor nicht gerade als großer Stratege aufgefallen. Im Weißen Haus gilt er als einer, der seine Stimme eher selten erhoben, sich bei Diskussionen zurückgehalten hat. Vor dem Hintergrund wachsender globaler Krisen - Ebola, Dschihadisten - habe das, so heißt es nun in diversen US-Medien, zur Absetzung Hagels beigetragen.
Fair ist das nicht. Denn Obama hat sich im Weißen Haus einen sehr engen Kreis langjähriger Vertrauter geschaffen, darunter seine nationale Sicherheitsberaterin Susan Rice. Dort trifft er seine Entscheidungen. Weder Hagel noch Außenminister John Kerry gehören dazu; das ist in außen- und sicherheitspolitischen Fragen natürlich ein Problem.
Obama hatte den Republikaner Hagel vor zwei Jahren dementsprechend auch mehr als Manager denn als Strategen oder Gestalter ausgewählt: Der zweimal verwundete Vietnam-Veteran und Kritiker des Irak-Krieges sollte Obamas Politik des graduellen Rückzugs von der Weltbühne implementieren, des militärischen Abzugs aus dem Irak und Afghanistan. "Ich diene zum Wohlgefallen des Präsidenten", erklärte Hagel noch letzte Woche bei einem TV-Auftritt: Obama treffe die Entscheidungen.
In der gegenwärtigen Lage allerdings braucht Obama dringend mehr Input von außen. Solange er nichts an seiner Abschottung im Weißen Haus ändert, ist der Rauswurf Hagels inkonsequent. Seine möglichen Nachfolger werden an dieser Machtarithmetik nichts ändern können: Im Gespräch sind vornehmlich Michèle Flournoy, eine frühere Staatssekretärin unter Hagels Vorgänger Leon Panetta, sowie Ashton Carter, bis zum letzten Jahr stellvertretender Verteidigungsminister.
Obama muss damit gleich zwei zentrale Positionen in seiner Regierung neu besetzen, denn bereits im September hatte Justizminister Eric Holder seinen Rücktritt angekündigt. Ohne Zustimmung des neuerdings republikanisch beherrschten Senats kann er allerdings keine neuen Minister installieren. Mit harten Polit-Kämpfen ist zu rechnen.