Endlich verständlich So funktionieren die US-Vorwahlen

Das Wahlsystem in den USA – endlich verständlich
Vorwahlen gehören zur politischen Tradition in den USA. Viele Amerikaner sehen darin ein besonders demokratisches Instrument, da Wähler einen unmittelbaren Einfluss auf die personelle Zusammensetzung der Spitzenpolitik haben.
Die Primaries erschließen sich aus dem politischen System. Im Präsidialsystem der USA ist die Politik weit stärker auf Einzelpersonen zugeschnitten als beispielsweise in einer repräsentativen Demokratie wie in Deutschland. Dass mehrere Bewerber auch innerhalb einer Partei öffentlich für ein Mandat kandidieren, mag bei uns ungewöhnlich sein, in den USA ist es in der Politik angelegt - nicht nur im Rennen um die Präsidentschaft, sondern auch schon auf lokaler Ebene. Die Parteispitzen haben vergleichsweise geringen Einfluss auf Programmatik und personelle Entscheidungen. An welchen Leitlinien sich Republikaner oder Demokraten orientieren, wird stark vom jeweiligen Kandidaten geprägt. Die Vorwahlen dienen dazu, den Wählerinnen und Wählern eine möglichst große Auswahlmöglichkeit zu bieten und die Eignung der Bewerber für hohe Ämter testen zu können.
Natürlich sorgen Vorwahlen auch für einen gewissen Unterhaltungseffekt. Aber Anhänger von Primaries sehen in dem Instrument besonders einen Vorteil, was die Legitimation des Spitzenpersonals angeht. Tatsächlich ist ein Kandidat, der sich in einem monatelangen Auswahlprozess herausschält und schließlich von der Basis nominiert wird, oft stärker in der Partei verankert als jemand, der von einem kleinen Führungszirkel ernannt wird.
Die Vorwahlen finden traditionell zwischen Jahresbeginn und Juni eines Wahljahres statt, diesmal starten sie am 3. Februar 2020 in Iowa. Der letzte Entscheid wird wohl in Puerto Rico am 7. Juni bei den Republikanern laufen. Meist fallen die Vorwahlen beider Parteien auf ein- und denselben Tag, in einigen Staaten dagegen spalten sie sich auf zwei verschiedene Termine auf. Republikaner in mehreren Bundesstaaten haben dieses Jahr allerdings ihre Vorwahlen abgesagt, weil ihr Parteifreund Donald Trump als Amtsinhaber erneut antritt und als gesetzt gilt.
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Die offizielle Nominierung der Kandidaten erfolgt im Sommer, bei aufeinanderfolgenden Wahlparteitagen - diesmal im Juli in Milwaukee (Wisconsin) bei den Demokraten und Ende August in Charlotte (North Carolina) bei den Republikanern.
Der anschließende Hauptwahlkampf (General Election Campaign) dauert etwa drei Monate. Der eigentliche Wahltag, diesmal am 3. November, fällt stets auf einen Dienstag Anfang November, das ist gesetzlich so vorgesehen. Die Festlegung geht auf eine alte Sitte zurück, so sollte den Farmern genug Zeit gelassen werden, nach der herbstlichen Erntesaison, doch vor dem Wintereinbruch. So konnten sie sonntags in die Kirche gehen, montags in ihren Bezirkssitz kutschieren, dienstags wählen und dann mittwochs noch am Markttag teilnehmen.
Bei den Republikanern ist der Fall bei dieser Vorwahl relativ klar: Der derzeitige Präsident Donald Trump will für eine zweite Amtszeit antreten und er gilt in seiner Partei als gesetzt. In einigen Bundesstaaten sind deswegen sogar die republikanischen Vorwahltermine abgesagt worden. Allerdings hatte auch Trump zu Beginn zwei Gegenkandidaten, denen aber keine Chancen eingeräumt wurden:
Joe Walsh, Radiomoderator und früherer Abgeordneter aus Illinois und
William F. Weld, früherer Gouverneur aus Massachusetts
Spannender wird es bei den Demokraten. Auch wenn sich das Feld inzwischen gelichtet hat, traten zu Beginn des Vorwahlturnus immer noch elf Kandidaten an. Dabei am aussichtsreichsten:
der ehemalige Vizepräsident Joseph R. Biden Jr.
Pete Buttigieg, früherer Bürgermeister der 100.000-Einwohner-Stadt South Bend im Bundesstaat Indiana
Bernie Sanders, Senator aus Vermont
Elizabeth Warren, Juristin und Senatorin aus Massachusetts
Außerdem bewarben sich:
Michael Bennet, Senator aus Colorado
Michael R. Bloomberg, ehemaliger Bürgermeister von New York (2002 -2013) und Medienunternehmer
Tulsi Gabbard, Kongressabgeordnete aus Hawaii
Amy Klobuchar, Anwältin und Senatorin aus Minnesota
Deval Patrick, früherer Gouverneur von Massachusetts
Tom Steyer, Unternehmer aus Kalifornien
Andrew Yang, früherer Hightech-Unternehmer aus New York
Im Laufe des Wahlkampfs wird sich das Feld traditionell weiter lichten.
Die meisten US-Staaten wählen per Primary. Das sind geheime Wahlen auf Staatsebene, in denen die Delegierten direkt bestimmt werden. Es gibt zwei Arten von Primaries: Eine "open" Primary steht Wählern aller Parteien offen, dabei können also auch Demokraten für einen republikanischen Kandidaten stimmen und umgekehrt - was manche nutzen, um die Resultate der rivalisierenden Partei zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Eine "closed" Primary lässt nur registrierte Wähler aus der eigenen Partei zu.
Zehn Staaten (Alaska, Colorado, Hawaii, Iowa, Kansas, Maine, Minnesota, Nevada, North Dakota, Wyoming) sowie die US-Territorien Amerikanisch-Samoa, Guam und die Amerikanischen Jungferninseln ziehen hingegen das Caucus-Verfahren vor. Ein Caucus ist ein Wählertreffen auf kommunaler Ebene (ursprünglich ein "gathering of neighbors"), oft in einer Turnhalle oder einem Gemeindesaal. Jede Kommune gestaltet dieses Treffen anders, doch meist halten Vertreter der Bewerber oder sogar die Bewerber selbst noch ein letztes Mal kurze Empfehlungsreden.
Nach oft mehrstündiger Debatte bekennen sich die Caucus-Teilnehmer dann zu den Kandidaten ihrer Wahl - meist in offener Abstimmung, durch das Heben der Hand oder auch, indem sie sich unter einem Schild mit dem Namen des Bewerbers versammeln. Die Stimmen werden dann ausgezählt, in Listen eingetragen und an die Parteizentrale übermittelt.
Die ersten Caucus-Vorwahlen finden seit 1972 stets im Bauernstaat Iowa statt (diesmal am 3. Februar), gefolgt von der Primary in New Hampshire im Nordosten der USA (11. Februar). Diese Abfolge ist kodifiziert, sodass die Parteien einem Bundesstaat, der sich über das von oben verordnete Timing hinwegsetzt und aus der Reihe tanzt, zur Strafe sogar die Parteitagsdelegierten entziehen oder ihre Zahl oder Stimmen halbieren können. So geschehen 2012, als die Parteispitzen Florida sanktionierten, weil es seine Vorwahlen eigenwillig vorgezogen hatte.
Auslöser dieser kuriosen Sitte war der Wahlparteitag der Demokraten von 1968 in Chicago, der im Chaos versank. Die Partei war gespalten, das Nominierungsverfahren undurchsichtig, die Basis revoltierte mit schweren Unruhen. So hatte der amtliche Kandidat, US-Vizepräsident Hubert Humphrey, bei den Vorwahlen nicht teilgenommen und verlor die darauffolgende Präsidentschaftswahl gegen Richard Nixon.
Also beschlossen die Demokraten für 1972 "demokratischere" Regeln. Durch Zufall landete Iowa dabei mit seinen Caucuses an erster Stelle im Kalender, seither bekannt als "First in the Nation". Vier Jahre später folgten die Republikaner dem Beispiel. Der Mythos bleibt ungebrochen: Das ländliche Iowa sei politisch und demografisch repräsentativ für die USA - obwohl es eher konservativ ist und etwa der Anteil der Afroamerikaner nur drei Prozent beträgt. Auch garantiert ein Iowa-Sieg keinesfalls eine Präsidentschaftsnominierung.
Deutlich repräsentativer ist der US-Gründerstaat New Hampshire, der traditionell die ersten Primaries gibt, kurz nach den Iowa-Caucuses und stets gefolgt von der Primary in South Carolina (29. Februar) und den Caucuses in Nevada (22. Februar). New Hampshires Bürger gelten als moderat und politisch engagiert; ihre Vorwahlen machten erstmals 1952 Schlagzeilen, als sie den Weltkriegsgeneral Dwight D. Eisenhower von dort aus bis ins Weiße Haus katapultierten.
Der Super Tuesday ist ein Dienstag im Februar oder März des Wahljahres, bei dem die größte Gruppe an Staaten ihre Vorwahlen abhält. Da dabei oft Staaten aus allen Ecken der USA ins Spiel kommen, ist dieser Tag ein Test für die landesweite Popularität eines Bewerbers. Am Super Tuesday steht zudem der größte Teil der Delegierten zur Wahl - wer sich da durchsetzt, hat gute Chancen auf den Gesamtgewinn.
Der Super Tuesday 2020 fällt auf den 3. März.
Der Begriff Super Tuesday tauchte das erste Mal 1976 auf, formalisiert wurde er 1988, als die Demokraten versuchten, mit Sammelvorwahlen die Südstaaten von den Republikanern zurückzuerobern. 1992 sicherte sich Bill Clinton beim Super Tuesday die Nominierung, nachdem er zuvor fast in Sexskandalen begraben worden war. Der Republikaner Bob Dole segelte beim Super Tuesday 1996 zur Nominierung. Am Ende verlor er dennoch gegen Amtsinhaber Clinton.
Bei den Vorwahlen werden nicht direkt die Bewerber gewählt, sondern Delegierte, die später auf den Parteitagen für einen Bewerber stimmen. Das System der Delegiertenermittlung ist komplex und von Staat zu Staat unterschiedlich. Die Faustregel: Je bevölkerungsreicher der Staat, desto mehr Delegierte.
Die Demokraten verteilen ihre Delegierten pro Staat nach dem Proporzsystem (40 Prozent Stimmen = 40 Prozent Delegierte). Sprich: Auch der zweite oder dritte Platz kann einen weiterbringen. Allerdings gilt in fast allen Staaten eine 15 Prozent-Hürde: Wessen Stimmenanteil entweder staatenweit oder in einem District zum Beispiel nur bei 14,99 Prozent liegt, bekommt keine Delegierten zugesprochen. Bei den Republikanern dominierte lange das "Winner takes all"-Prinzip, doch auch sie haben ihr Verfahren reformiert: Die Staaten können selbst wählen welches System sie anwenden. Einige benutzen auch Mischformen.
Für die Nominierung reicht dann bei den Republikanern die einfache Parteitagsmehrheit: etwa 1276 von 2551 Delegiertenstimmen. Die Demokraten haben zuletzt die Delegiertenregeln reformiert. Jetzt benötigt ein Bewerber im ersten Wahlgang 1991 Stimmen der 3979 sogenannten pledged (gebundenen) Delegierten. Treten mehrere Bewerber auf dem Parteitag gegeneinander an und es findet sich im ersten Wahlgang keine Mehrheit, dürfen im zweiten Durchgang auch die Funktions- und Mandatsträger, die nicht an einen bestimmten Kandidaten gebunden sind, ihr Votum abgeben. Sie werden auch Superdelegierte genannt. Ihre Zahl beträgt 771. Somit benötigt der siegreiche demokratische Kandidat im zweiten Wahlgang also mindestens 2375 Stimmen.
Der Großteil der Delegierten, die auf den Parteitagen den Kandidaten nominieren, wird in den Vorwahlen bestimmt. Als "pledged delegates" sind sie dazu verpflichtet, für "ihren" Kandidaten zu stimmen. Darüber hinaus gibt es bei den Demokraten "Superdelegierte" beziehungsweise "automatische" Delegierte, die an kein bestimmtes Votum gebunden sind, also frei entscheiden können, wen sie auf dem Parteitag unterstützen. Die "Superdelegierten" setzen sich aus Spitzenfunktionären der Partei sowie Gouverneuren, Senatoren und anderen Mandatsträgern zusammen. In diesem Jahr sind das 771 Delegierte. Da viele die Einflussmöglichkeiten der demokratischen Superdelegierten bei der vergangenen Vorwahl 2016 als unfair und zu groß ansahen, reformierten die Demokraten 2018 die Regeln. Jetzt spielen die Superdelegierten nur noch eine Rolle, wenn sich bei den Vorwahlen noch kein Bewerber klar durchgesetzt hat und beim Parteitag im ersten Wahlgang auch niemand die Stimmenmehrheit der gebundenen Delegierten auf sich vereinen konnte. Dann erst darf auch die Parteielite in einem zweiten oder dritten Wahlgang mitstimmen.
Auch bei den Republikanern gibt es Superdelegierte, allerdings deutlich weniger als bei den Demokraten. Die "unbound delegates" (ungebundene Delegierte), wie sie in der Republikanischen Partei heißen, werden aus dem Republican National Committee, der Bundesspitze der Partei rekrutiert. Jeder Staat schickt mindestens drei, einige Staaten wie Colorado schicken sogar ausschließlich "unbound delegates" zu dem Parteitag. Doch so ungebunden, wie ihr Name vermuten lässt, sind diese Delegierten nicht. 2012 beschloss die Partei, dass sie sich bei dem Parteitag der Mehrheit anschließen sollen genauer gesagt sich an die Regeln halten müssen, die die Partei in den einzelnen Bundesstaaten erlassen hat. Die "unbound delegates" haben also nicht die gleichen Einflussmöglichkeiten wie die Superdelegierten.
Im Laufe eines Vorwahlkampfes scheiden nach und nach einzelne Bewerber aus. Oft haben diese aber bereits Delegiertenstimmen gewinnen können. Wie sich diese quasi "herrenlosen" Delegierten dann bei dem Parteitag zur Bestimmung des Präsidentschaftskandidaten verhalten müssen, ist bei den Republikanern in den einzelnen Bundesstaaten unterschiedlich geregelt. In einigen Staaten sind sie nur so lange an ihren Bewerber gebunden, bis dieser aufgibt oder die Delegierten "entbindet". Häufig gibt der Bewerber dann eine Empfehlung ab, an die sich die Delegierten jedoch nicht halten müssen. Delegierte in New Hampshire können beispielsweise, sobald ihr Bewerber aufgibt, auf dem Parteitag selbst entscheiden, wen sie wählen. In anderen Staaten sind sie aber zumindest in einer ersten Abstimmung weiter an ihren Bewerber gebunden, auch wenn dieser aus dem Vorwahlkampf ausgetreten ist, so beispielsweise in Iowa. Kommt es zu einer weiteren Abstimmung, steht es aber auch diesen Delegierten frei, sich für einen anderen Bewerber auszusprechen. Nur in wenigen Staaten sind die Delegierten auch in weiteren Wahlgängen an ihren Kandidaten gebunden.
Bei den Demokraten dürfen die gebundenen Delegierten (pledged delegates) einen anderen Bewerber wählen, sollte ihr Bewerber aus dem Rennen ausscheiden. Nur einige Delegierte müssen erst von ihrem Bewerber "entbunden" werden, bevor sie einen anderen unterstützen dürfen.
Die Parteitage, stets wenige Monate vor der Präsidentschaftswahl, sind das größte Spektakel des Vorwahlkalenders. Sie sind wahre Krönungsmessen. Die mehrtägige Show ist in der Regel so sorgsam inszeniert, dass nichts dem Zufall überlassen wird, schon gar nicht die Frage, wer Kandidat wird. Diese Entscheidung wird vorher getroffen und von den Delegierten nur noch einmal förmlich abgesegnet. Der letzte Parteitag, der ohne designierten Kandidaten begann, war 1976, als Präsident Gerald Ford seinen Herausforderer Ronald Reagan per Kampfabstimmung bereits im ersten Wahlgang schlug. Ist das Ergebnis nicht so eindeutig wie 1976, spricht man von einer "brokered" oder "contested convention".
Auch der Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten wird auf den Parteitagen nominiert. Wichtig ist neben der "acceptance speech" des Kandidaten die "keynote speech" eines wichtigen Unterstützers oder prominenten Förderers. Im Kern geht es bei den Parteitagen darum, die nationale Bühne zu nutzen, um den Kandidaten in die heiße Wahlkampfphase zu schicken und die Partei zu mobilisieren.
Seit Jahrzehnten ist die Kür des Kandidaten auf dem Abschlussparteitag der Republikaner wie auch der Demokraten ein rein formaler, repräsentativer Akt. Mit viel Show und Pomp wird das Ergebnis der Vorwahlen offiziell abgenickt und der Sieger der Vorwahlen feierlich zum Präsidentschaftskandidaten gekürt. Eine klare Sache, wenn auch die Vorwahlen einen klaren Sieger mit der absoluten Mehrheit der Delegiertenstimmen hervorgebracht haben.
Wenn es jedoch keinem der aktuellen Bewerberinnen und Bewerber vor dem Parteitag gelingt, ausreichend Stimmen für sich zu gewinnen, können sich die Bewerber vorab einigen und "ihre" Delegierten anweisen, eine andere Person zu unterstützen. Einigt man sich aber nicht und bringt der erste Wahlgang kein eindeutiges Ergebnis, ist ein weiterer Wahlgang nötig. Man spricht dann von einer "brokered" (ausgehandelten) oder "contested" (umkämpften) Convention.
Es beginnt dann ein Aushandeln, das früher eher in Hinterzimmern stattfand. Welche Delegierten lassen sich auf welche Seite ziehen? Die Parteigranden spielen dann eine immer größere Rolle, die sogenannten Superdelegierten. Das sind Funktions- und Mandatsträger der Partei. Sie können ab dem zweiten Wahlgang mitwählen und so zum Zünglein an der Waage werden. Der Prozess kann sich dennoch über viele Wahlgänge hinziehen.
Seit den Siebzigerjahren ist es aber nicht ein einziges Mal zu einer "contested convention" gekommen, weder bei den Demokraten, noch bei den Republikanern. Eine "brokered convention", auf der der Kandidat am Ende "ausgehandelt" wird, gab es bei den Republikanern zuletzt 1948, bei den Demokraten 1952. Niemand hat wirklich ein Interesse daran, einen "ausgehandelten" Kandidaten zu präsentieren, denn dieser geht geschwächt in das Rennen ums Weiße Haus .
Theoretisch ja. Die Grenze, bis zu der Amerikaner einzelne Kandidaten unterstützen können, liegt bei 5600 Dollar. Die Summe setzt sich aus jeweils 2800 Dollar für die Vorwahlkampagne und die tatsächliche Präsidentschaftskampagne eines Kandidaten zusammen. Faktisch sind diese Grenzen aber durch mehrere Urteile des Supreme Court untergraben worden.
2014 urteilten die Richter, dass Spender jene 2800 Dollar beliebig vielen und nicht mehr nur einem Kandidaten zukommen lassen können. Weitreichendere Folgen für die massiven Finanzströme in Wahlkampfzeiten aber hatte das "Citizen-United-Urteil" aus dem Jahr 2010, das Unternehmen und Interessenvertretungen nach Jahrzehnten das Spenden erlaubte. Mit einer knappen Mehrheit von 5:4 Stimmen urteilten die obersten Richter damals, dass Firmen nach dem ersten Zusatz der amerikanischen Verfassung als Zusammenschlüsse von individuellen Personen gelten und so uneingeschränktes Recht auf Meinungsfreiheit besitzen.
Seit diesem Urteil unterliegen Firmen und schwerreiche Unterstützer kaum noch Beschränkungen bei ihren politischen Spenden. Sogenannte Super-PACS sind seither von jeglicher Deckelung befreit. Das Geld, das sie einsammeln, können sie jedoch nur im Sinne eines Kandidaten ausgeben, nicht dem Kandidaten selbst oder seiner Kampagne direkt spenden .
Super-Pacs sind politische Aktionsplattformen, die einzelne Kandidaten unterstützen, formell aber unabhängig von deren Kampagnen sein müssen. Die wichtigste Aufgabe der Super-Pacs liegt darin, Geld für Wahlwerbung einzusammeln, den politischen Kandidaten selbst dürfen sie hingegen nicht direkt spenden. Für schwerreiche Sponsoren sind sie der leichteste Weg, um beliebig hohe Summen in den Wahlkampf fließen zu lassen. Es gibt keine Obergrenzen.
Auch ohne Absprache mit der offiziellen Kampagne eines Kandidaten können die Unterstützerplattformen mit ihren finanziellen Mitteln den Wahlkampf von Bewerbern entscheidend prägen, indem sie massiv in Straßenwerbung, TV-Spots und Broschüren investieren. Der Umweg wird stark genutzt, die Superreichen spenden gern unbegrenzt. Im gesamten Wahlkampf 2016 sammelten Super-Pacs rund 1,8 Milliarden Dollar. Und auch im aktuellen Wahlkampf fließen die Gelder wieder über die Super-PACS. Bis zum Februar hatten rund 1700 Gruppen bereits fast 200 Millionen Dollar aufgebracht.
Super-Pacs sind in den USA höchst umstritten. Kritiker befürchten, dass der ohnehin schon enorme Einfluss von Geldgebern auf die Politik durch die Unterstützerplattformen noch einmal um ein Vielfaches gesteigert wird. Zudem bemängeln sie löchrige Kontrollmechanismen und fehlende Transparenz, was die Herkunft der Gelder angeht .
Autoren: Almut Cieschinger, Veit Medick, Claudia Niesen, Marc Pitzke
Dokumentation: Almut Cieschinger, Claudia Niesen
Grafiken: Frank Kalinowski, Anna van Hove
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