USA-Besuch Powell, Fischer und der Kasten Flens
Washington - Sollte Außenminister Joschka Fischer befürchtet haben, er müsse bei seinem ersten Besuch in Washington nach Kriegsende im Irak zu Kreuze kriechen, dann hat er sich getäuscht. Herzlich und entspannt verlief sein Gespräch mit dem amerikanischen Außenminister. Die US-Regierung buhlt plötzlich um die Gunst des "alten Europa", denn die Friedenssicherung im Irak wächst den Alliierten über den Kopf.
Vier Milliarden Dollar kostet der Irak-Einsatz nach dem Krieg monatlich. Die Amerikaner waren jedoch nur von Kosten in Höhe von zwei Milliarden Dollar ausgegangen. Präsident Bush weiß, dass er sein gigantisches Haushaltsdefizit nicht bis zur Präsidentenwahl vor sich herschieben darf.
In der Hoffnung, auch Deutschland für Unterstützung bei der Friedenssicherung im Irak zu gewinnen, kehrte Powell alte Differenzen über den Krieg unter den Teppich und beschwor die Freundschaft zu Deutschland. Powell bestätigte, dass die US-Regierung im Gespräch mit Uno-Generalsekretär Kofi Annan und einigen Ländern über eine stärkere Rolle der Uno im Irak sei. Um welche Länder es sich handelte, sagte er jedoch nicht. Fischer betonte: "Eine stärkere, eine zentrale Rolle der UN ist etwas, das wir immer unterstützt haben." Die Deutschen würden sich am Wiederaufbau im Irak beteiligen. Erst jedoch müsse die Grundlage geklärt werden.
Genau darüber sind sich Deutschland und die USA jedoch nach wie vor uneinig. Nach Ansicht Powells bietet die Uno-Resolution 1483 "genügend Autorität für Nationen, die nach einem Uno-Mandat suchen, um an Aktivitäten zur Stabilisierung und Friedenssicherung im Irak teilzunehmen". Eine neue Resolution, wie sie unter anderem Deutschland fordert, wollen die Amerikaner vermeiden. Ihre Ablehnung klang jedoch weniger entschieden als bisher. Man diskutiere bereits, wie mit dem Wunsch einiger Staaten nach einer neuen Uno-Resolution umzugehen sei, sagte Powell.
Nach einem Gespräch mit der Sicherheitsberaterin von Präsident Bush, Condoleezza Rice, dämpfte Fischer Hoffnungen auf eine schnelle Einigung. Wenn es verstärkt zu einer solchen Diskussion komme, dann "ist das nicht von Schaden", sagte Fischer. Wenn es aber eine Debatte über einen Uno-Einsatz im Irak gäbe, so stehe sie erst am Anfang.
Die Resolution 1483 gibt den Besatzungsmächten USA und Großbritannien weit reichende Befugnisse. Auf Druck vor allem Deutschlands und Frankreichs war jedoch auch die "zentrale Rolle der Uno" in dem Papier festgeschrieben worden. Darauf beruft sich jetzt die Bush-Administration.
Ein leerer Kasten Flensburger für Joschka Fischer
Mit deutschen Soldaten können die Amerikaner jedoch nicht rechnen. Die klare Haltung von Bundeskanzler Gerhard Schröder gelte nach wie vor, machte Fischer deutlich. Dennoch sei Deutschland daran interessiert, "mit den Amerikanern die Probleme zu lösen". Die Instabilität der arabischen Welt und insbesondere des Nahen Ostens sei eine Bedrohung für Deutschland. Gefragt sei jetzt "eine gemeinsame Grundlage zur Lösung dieser regionalen Krisen". Fischer betonte: "Im Rahmen unserer Möglichkeiten wären wir bereit, einen Beitrag zur humanitären Hilfe zu leisten."
Powell bedankte sich herzlich bei Fischer gerade für sein persönliches Engagement zur Lösung der Nahost-Krise. Ferner sprachen die beiden Minister über die Situation in Afghanistan, Iran und Nordkorea.
Auf seinem Rückflug wird Fischer ein ungewöhnliches Gepäckstück tragen. Colin Powell überreichte ihm einen Kasten Flensburger Bier - allerdings mit leeren Flaschen. Fischer hatte das Bier seinem amerikanischen Kollegen bei dessen Deutschlandbesuch am 16. Mai geschenkt. In Amerika habe er keinen Händler gefunden, der die Flaschen zurücknehme, scherzte Powell offenbar in Anspielung auf die deutsche Pfanddebatte. Überdies überreichte Powell dem deutschen Außenamtschef ein Fischbesteck. Offen blieb, ob es sich dabei um eine Anspielung auf Fischers Namen handelte. Sicher scheint jedoch, dass auf Außenministerebene das Tief im transatlantischen Verhältnis überwunden ist.