Streit mit Washington EU wehrt sich gegen diplomatische Abwertung durch die USA

EU-Vertretung in Washington
Foto: Europaeische UnionDie EU wehrt sich gegen eine mögliche Herabstufung ihrer Vertretung in der US-Hauptstadt Washington. "In einer überraschenden Entwicklung hat der EU-Botschafter in den USA seine Position auf der diplomatischen Protokollliste verloren und wurde dauerhaft an das Ende der Liste gesetzt", heißt es in einem Brief des Vorsitzenden der Delegation des Europäischen Parlaments für die Beziehungen zu den USA, Christian Ehler, an US-Kongressabgeordnete.
"Das ist keine Art, mit Partnern umzugehen", schreibt Ehler weiter, vor allem, weil weder die EU-Außenbeauftragte noch der EU-Botschafter von der Veränderung offiziell informiert worden seien. Ehler hat das dem SPIEGEL vorliegende Schreiben gemeinsam mit zwei weiteren Europaparlamentariern am Dienstag abgeschickt.
Die EU-Botschaft wird offenbar seit einiger Zeit nicht mehr wie die Botschaft eines Nationalstaats behandelt, sondern nur noch wie eine Vertretung einer Internationalen Organisation. Die Gemeinschaft hätte damit den Status etwa der Afrikanischen Union - ein Vorgang, der in Brüssel für mächtig Ärger sorgt.
"Die diplomatische Rückstufung der EU-Delegation in Washington, ohne die Vertretung zu informieren, ist ein weiteres Indiz für die EU-kritische Haltung der Trump-Administration", sagt der Chef des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, David McAllister, dem SPIEGEL: "In der Diplomatie haben protokollarische Fragen große Bedeutung."
Das kann man so sagen.
Zum ersten Mal aufgefallen war die Veränderung des Status beim Begräbnis des früheren US-Präsidenten George H.W. Bush im Dezember. Das hatte zunächst die Deutsche Welle berichtet.
Zwar war der EU-Botschafter David O'Sullivan eingeladen, jedoch wurde er nicht, wie eigentlich üblich, als einer unter den ersten 30 Botschaftern aufgerufen - sondern als letzter. Es sind solche Anlässe, bei denen eine Änderung der Rangfolge auf der Protokollliste überhaupt sichtbar wird. Die Liste bestimmt, in welcher Reihenfolge sich die Diplomaten bei Empfängen vorstellen oder wie die Sitzordnung bei offiziellen Anlässen aussieht.
Die meisten Länder behandeln die EU-Vertretungen wie bilaterale Botschaften, das ist auch sinnvoll, denn seit dem Vertrag von Lissabon ist die EU immer wieder als diplomatischer Akteur aufgetreten. Am sichtbarsten war dies bei den Verhandlungen zum Atomabkommen mit Iran. In den USA hatte Präsident Barack Obama die Aufwertung der EU verfügt, ein Umstand, der es seinem Nachfolger nun besonders nahelegen könnte, die EU zurückzustufen und damit zu demütigen.

Mike Pompeo
Foto: FRANCISCO SECO/POOL/EPA-EFE/REXDer Vorgang geht keineswegs nur Feinschmecker an Diplomatenakademien an, vielmehr passt er zur EU-kritischen Haltung der Regierung Donald Trumps. "Wenn Präsident Trump, Außenminister Pompeo und der US-Botschafter bei der EU, Sondland, über Europa sprechen, beschimpfen sie die EU als bürokratisch, machen aus ihrer Präferenz, mit einzelnen Mitgliedsländern zu verhandeln keinen Hehl und loben populistische und nationalistische Bewegungen", monieren die EU-Parlamentarier in ihrem Schreiben an den US-Kongress.
Mike Pompeo hatte die EU zuletzt bei einer Rede in Brüssel Anfang Dezember mit scharfen Worten kritisiert und die internationale Weltordnung infrage gestellt.
Die diplomatische Kabale kommt zudem zu einem ungünstigen Zeitpunkt, da EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström sich am Mittwoch zu Gesprächen in Washington aufhält. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker hatte bei seinem Besuch bei Trump im Juli vergangenen Jahres zwar erreicht, dass Trump von seiner Drohung mit Strafzöllen für europäische Autobauer Abstand nahm.
Die im Gegenzug vereinbarten Gespräche über den Abbau von Handelsbeschränkungen und eine Reform der Regeln der Welthandelsorganisation WTO kommen jedoch seitdem kaum voran. Trumps EU-Mann Gordon Sondland hatte ausgewählten EU-Parlamentariern im vergangenen Jahr bereits mehrfach den Unmut seines Chefs über diesen Umstand zugetragen.

Jean-Claude Juncker, Donald Trump
Foto: Pablo Martinez Monsivais/ APVon offizieller Seite drängt die EU darauf, wieder auf die alte Position auf der Protokollliste vorzurücken. "Wir sind mit den relevanten Stellen über die Auswirkungen auf die EU-Delegation in Washington im Gespräch", sagt eine Sprecherin des Europäischen Auswärtigen Dienstes. "Wir erwarten, dass die diplomatische Praxis, die vor einigen Jahren etabliert wurde, wiederhergestellt wird."
Nach SPIEGEL-Informationen haben bereits im Dezember in Washington Gespräche stattgefunden, um die Herabstufung zu korrigieren. Allerdings weiß in Brüssel niemand, ob die dort offenbar erreichte Zusage belastbar ist, also mit anderen Worten: den Segen des Weißen Hauses hat.
Die Deutsche Welle berichtet, dass die Herabstufung offenbar nur für Amtsinhaber O'Sullivan persönlich zurückgenommen sei. Kein großer Sieg jedoch, denn der Mann wird sein Amt ohnehin bald abgeben. Nachfragen, um Klarheit zu erhalten, gestalten sich in diesen Tagen schwierig, wie EU-Diplomaten unumwunden zugeben: Wegen des derzeitigen Regierungs-Shutdowns in den USA fehlen den EU-Beamten kompetente Ansprechpartner.
Dazu kommt, dass es der ein oder andere EU-Mitgliedstaat gar nicht so fürchterlich findet, wenn der EU-Botschafter in der Rangliste nach hinten rückt. Denn zwischen manchen nationalen Botschaften und der EU-Vertretung gibt es durchaus Eifersüchteleien, zumal an einem Standort wie Washington, an dem die Zeit amerikanischer Politiker für europäische Belange ein knapp bemessenes Gut ist.