US-Haushaltsstreit Republikaner riskieren den Staatsbankrott

Die mächtigste Nation der Welt steuert tatsächlich auf die Zahlungsunfähigkeit zu: In den USA haben die Republikaner erneut einen Kompromiss im Haushaltsstreit verhindert, rechte Hardliner scheinen zum Äußersten bereit. Genau darin könnte allerdings eine Chance liegen.
US-Haushaltsstreit: Republikaner riskieren den Staatsbankrott

US-Haushaltsstreit: Republikaner riskieren den Staatsbankrott

Foto: Michael Reynolds/ dpa

Gut 30 Stunden sind es noch bis zum Überschreiten des Schuldenlimits, das den Staatsbankrott der USA zur Folge haben könnte, als Präsident Barack Obama dem Ex-Soldaten William Swenson im Weißen Haus den höchsten militärischen Orden der USA um den Hals legt: die "Medal of Honor".

Swenson, sagt Obama, habe mehr als seine Pflicht getan. Unter feindlichem Feuer hat der Soldat in Afghanistan Verwundete und Tote geborgen. Swenson erinnere die Amerikaner daran, dass sie eine "Nation sind mit Bürgern, die aufeinander achtgeben und ihre gegenseitigen Verpflichtungen einhalten - nicht nur, wenn es leicht ist, sondern vor allem, wenn es schwer wird", so der Präsident. Man applaudiert, steht stramm, klopft Schultern. Alle für einen, einer für alle.

Es ist eine schöne Illusion.

Tatsächlich ist Amerika gespalten wie nie zuvor. Jeder gegen jeden. Die Bürger haben ein Parlament gewählt, das sich nicht einmal mehr auf Selbstverständliches einigen kann: Nämlich dass man das, was man bestellt hat, am Ende auch bezahlt.

Denn um nichts anderes geht es ja beim gegenwärtigen Haushaltsstreit: Am 17. Oktober, in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, erreichen die USA ihre Schuldenobergrenze von 16,7 Billionen Dollar. Damit die Regierung weiterhin die bereits eingegangenen Verpflichtungen bedienen kann, müsste der Kongress das Limit entsprechend erhöhen. Tut er aber nicht. Zudem herrscht seit mittlerweile 16 Tagen der Government Shutdown, die US-Verwaltung ist lahmgelegt. Tausende Bundesangestellte im ganzen Land sind mittlerweile auf Suppenküchen angewiesen. Amerika, das Land der Unfreien.

Die Zeit verrinnt. Und auch am Dienstag ist der Kompromiss im Parlament nicht gelungen.

Dabei sah es zuvor noch gut aus: Republikaner und Demokraten im Senat, der oberen Kongresskammer, hatten sich angenähert. Die Einigung zur Aufhebung des Shutdown und Erhöhung der Schuldenobergrenze stand kurz bevor (lesen Sie hier die Einzelheiten), am Dienstag hätten Senat und anschließend das Repräsentantenhaus einfach abstimmen können. Fertig, Krise vorbei. Doch am Morgen suchte Chef-Republikaner John Boehner im Repräsentantenhaus seinerseits die Initiative zu gewinnen: mit einer eigenen Gesetzesvorlage.

Deren Eckpunkte ähnelten dem möglichen Senatskompromiss: Erhöhung des Schuldenlimits, um bis zum 7. Februar 2014 über die Runden zu kommen; Aufhebung des Shutdown und Finanzierung der Bundesverwaltung bis zum 15. Dezember (statt 15. Januar). Plus minder gravierende Änderungen bei der Gesundheitsreform ("Obamacare"). Unter anderem sollten dem Präsidenten sowie den Parlamentariern und ihren Mitarbeitern die Arbeitgeberzuschüsse gestrichen werden.

Republikaner-Führer Boehner: Eigene Vorlage verzockt

Wie bitte? Die Republikaner riskieren eine Weltwirtschaftskrise, um ihren wissenschaftlichen Hilfskräften das Gehalt zu kürzen? Durchaus. Klein-Klein trotz tickender Uhr. Denn Boehner ging es vor allem darum, wieder in die Vorhand zu kommen und zugleich die gut 40 Radikalen der rechtskonservativen Tea Party in den eigenen Reihen einzubinden. Bezeichnenderweise stimmte man zu Beginn der Fraktionssitzung am Morgen sogar gemeinsam "Amazing Grace" an: "Große Gnade, die mich errettete!"

Genutzt hat das: nichts. Erstens lehnte Obama prompt ab. Und zugleich kündigten die Rechtsaußen-Abgeordneten dem Sprecher Boehner die Gefolgschaft auf. Ihnen war das nicht genug. Nicht nur Amerika ist nun gespalten, sondern auch die republikanische Partei. Den ganzen Tag über mühten sich Boehner und sein Führungsteam, die nötigen Stimmen bei den eigenen Leuten zusammenzubekommen. Denn sowohl Obama als auch die Demokraten hatten Boehner schon wissen lassen, dass sie ihm bestimmt nicht aus der Patsche helfen würden. Warum sollten sie auch?

Gegen 19 Uhr musste Boehner einsehen, dass es keinen Sinn mehr hat. Die eigene Gesetzesvorlage war perdu. Damit liegt der Ball nun wieder in der anderen Parlamentskammer.

Die Senatoren hatten ihre Kompromisssuche wegen Boehners Solo unterbrochen, nun bleibt ihnen noch ein einziger Tag, um erstens eine Einigung zu finden und zweitens dann auch noch die Zustimmung des republikanisch dominierten Repräsentantenhauses zu gewinnen. Der Dienstag war ein verlorener Tag. Am Abend stellte die Rating-Agentur Fitch auch noch die "AAA"-Bewertung der USA in Frage. Ein Warnschuss also. Das Magazin "Politico" titelt: "Schlamassel."

Auch die letzte Chance könnte noch von Ted Cruz gefährdet werden

Ist jetzt überhaupt noch was zu retten? Allerdings. Die Chancen stehen sogar recht gut. Es mag absurd klingen, aber das dienstägliche Republikaner-Harakiri könnte einen neuen Pfad eröffnet haben: Noch am Abend nahmen die Verhandler im Senat wieder die Arbeit auf, am Mittwoch könnte ein Kompromiss verabschiedet werden. Der würde dann ins Repräsentantenhaus weitergeleitet und Boehner könnte die Abstimmung freigeben. Schließlich hat er ja lange genug versucht, die Irrationalitäten der Rechtsabweichler in der eigenen Fraktion zu bedienen. Längst ist klar, dass Dutzende pragmatische Republikaner mit den Demokraten stimmen würden, um den selbstzerstörerischen Spuk zu beenden.

Das hört sich prima an. Nur Ted Cruz könnte noch Probleme bereiten. Das ist jener texanische Tea-Party-Senator, der die Republikaner ursprünglich zum Erpressungsversuch gedrängt hatte: Entweder die USA gehen bankrott oder Obama gibt seine Gesundheitsreform auf (lesen Sie hier über seine Beweggründe). Dass davon kaum mehr übrig geblieben ist als die Gehaltskürzung für Kongressmitarbeiter, das wirkt wie Realsatire.

Doch Cruz hat noch eine entscheidende Machtposition: Als Senator kann er eine Abstimmung im Senat um mindestens 30 Stunden aufhalten. So könnte das Schuldenlimit nicht mehr rechtzeitig erhöht werden. Will der 42-Jährige das? Oder können sich die Republikaner noch aus ihren suizidalen Rausch befreien? Am rechten Rand jedenfalls gehört es dieser Tage zum guten Ton, nicht mehr allein Klimawandel oder Evolutionstheorie zu leugnen, sondern auch den möglichen Schaden einer Nichterhöhung der Schuldenobergrenze.

Noch sind diese Leute in der Minderheit. Das Schicksal von Partei und Land liegt nun in der Hand der vernunftbegabten Republikaner.

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