US-Finanzminister Mnuchin "Wenn wir müssen, können wir die türkische Wirtschaft stilllegen"

Der Einmarsch türkischer Truppen in Nordsyrien hat international scharfe Kritik ausgelöst. Die USA drohten schon vor Beginn der Offensive mit Konsequenzen, jetzt haben sie harte Sanktionen gegen die Türkei vorbereitet.
US-Finanzminister Steven Mnuchin hat der Türkei mit neuen Sanktionen gedroht

US-Finanzminister Steven Mnuchin hat der Türkei mit neuen Sanktionen gedroht

Foto: MICHAEL REYNOLDS/EPA-EFE/REX

In Nordsyrien sind nach dem türkischen Einmarsch derzeit laut Uno 100.000 Menschen auf der Flucht. Nun drohen die USA der Türkei mit neuen Strafmaßnahmen. Finanzminister Steven Mnuchin sagte, es würden Sanktionen vorbereitet, die jedoch noch nicht in Kraft treten.

US-Präsident Donald Trump werde aber eine Verfügung unterzeichnen, die den Finanzminister in Absprache mit dem Präsidenten und dem Außenminister ermächtige, Sanktionen gegen "jede Person mit Verbindungen zur türkischen Regierung" zu verhängen. "Das sind sehr harte Sanktionen. Ich hoffe, dass wir sie nicht einsetzen müssen", sagte Mnuchin. "Wenn wir müssen, können wir die türkische Wirtschaft stilllegen."

Finanzanstalten seien vorgewarnt worden, dass Sanktionen verhängt werden könnten. Trump sei "besorgt" über die Militäroffensive in Nordsyrien und über mögliche Angriffe auf zivile Ziele durch türkische Truppen.

Die Militäroffensive in Nordsyrien hat am Mittwochnachmittag begonnen. Sie richtet sich gegen die kurdische YPG-Miliz, die auf syrischer Seite der Grenze ein großes Gebiet kontrolliert. Die Türkei sieht in ihr einen Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und damit eine Terrororganisation. Entlang der Grenze will die Türkei eine sogenannte Sicherheitszone einrichten und dort auch syrische Flüchtlinge ansiedeln, die derzeit in der Türkei leben.

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Türkei fordert Solidarität von der Nato

US-Verteidigungsminister Mark T. Esper verurteilte den "einseitigen" Einmarsch, der der Beziehung zwischen den beiden Ländern "dramatischen Schaden" zufüge. Die Offensive würde die Region weiter destabilisieren.

Die Türkei verlangt ihrerseits von der Nato ein "klares und deutliches" Solidaritäts-Bekenntnis. In einer Pressekonferenz mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu, es reiche nicht, dass die Nato-Partner sagten, "wir verstehen die legitimen Sorgen der Türkei. Wir wollen diese Solidarität klar und deutlich sehen".

Offenbar IS-Kämpfer aus Gefängnis ausgebrochen

Auch über die gefangenen Kämpfer und Unterstützer der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in dem Gebiet, die bislang von der YPG-Miliz bewacht werden, wird weiter diskutiert. Viele befürchten, dass sie im Zuge der türkischen Militäroffensive entkommen könnten. US-Finanzminister Mnuchin sagte, es sei "zwingend", dass die Türkei nicht erlaube, dass auch nur ein einziger gefangener IS-Anhänger in dem türkischen Einmarschgebiet entkomme.

Offenbar hat sich Mnuchins Befürchtung jedoch bereits bestätigt: Die von Kurden angeführten "Syrian Democratic Forces" (SDF) teilten mit, dass nach türkischen Angriffen fünf IS-Kämpfer aus einem Gefängnis ausgebrochen seien. Sie seien in der Grenzstadt Kamischli inhaftiert gewesen. Zudem kam es in dem Flüchtlingslager Al-Hol im Nordosten Syriens, in dem zahlreiche IS-Angehörige leben, nach SDF-Angaben zu einem Aufruhr. In dem Lager leben der Uno zufolge fast 70.000 Menschen.

Weitere Zivilisten getötet

Derweil steigen die Opferzahlen. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte sind seit Beginn der türkischen Offensive insgesamt 17 Zivilisten ums Leben gekommen. Allein am Freitag habe es sieben zivile Opfer gegeben. Die türkische Armee und mit ihr verbündete syrische Rebellen nahmen demnach mehrere Dörfer ein.

EU diskutiert Sanktionen gegen die Türkei

In der EU wird derzeit über Sanktionen gegen die Türkei diskutiert. Schweden hat sich für ein EU-weites Waffenembargo ausgesprochen, bei einer Verschlechterung der Lage seien "Wirtschaftssanktionen oder Sanktionen gegen Einzelpersonen" denkbar, sagte Außenministerin Ann Linde.

Diese müssten einstimmig beschlossen werden - Ungarn hatte aber bereits sein Veto gegen eine geplante EU-Erklärung eingelegt, in der die türkische Militäroffensive in Nordsyrien verurteilt werden sollte. Einige Staaten haben deshalb unilateral einen Stopp für Waffenlieferungen an die Türkei angekündigt, darunter das nicht zur EU gehörende Norwegen und die Niederlande. Schweden erklärte, bereits seit vergangenem Jahr keine Waffenexporte in die Türkei mehr zu genehmigen.

kko/dpa
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