
Usbekistan: Machtkampf in der Familie des Tyrannen
Machtkampf in Usbekistan Die gefallene Tochter des Diktators
Reporter aus dem Westen gehörten bislang nicht zu den bevorzugten Ansprechpartnern von Usbekistans korrupter Herrscher-Clique. Das 30-Millionen-Einwohner-Land in Zentralasien ist eine Diktatur. Journalisten aus dem Ausland wird die Einreise verwehrt, Medien im Inland werden zensiert und unterdrückt. In Usbekistan wird gefoltert, und zwar laut Uno "systematisch".
Umso bemerkenswerter war das Schreiben, dass vor einigen Tagen im Büro des britischen Senders BBC landete. Der Absender war offenbar Gulnara Karimowa, die ebenso schöne wie ambitionierte Tochter von Usbekistans Präsident Islam Karimow. Sie werde von Sicherheitskräften in ihrem eigenen Haus gefangen gehalten. "Ich wurde geschlagen, mein Arm ist voller Narben", zitiert die BBC das Schreiben. Vom Sender engagierte Handschrift-Experten halten das Kassiber für echt.
Gulnara Karimowa, 41, galt als "Paris Hilton Usbekistans". Jahrelang war sie das schöne Gesicht eines hässlichen Regimes. In besseren Zeiten betätigte sie sich als Dichterin, Designerin und unter dem Künstlernamen Googoosha als Pop-Sängerin. Mit dem französischen Schauspieler Gérard Depardieu verbindet sie eine langjährige Freundschaft. Karimowa gehörte zum internationalen Jetset, aber damit ist es vorbei.
Seit Februar steht sie in der Hauptstadt Taschkent unter Hausarrest. Ihr Luxus-Apartment wurde von Spezialeinheiten gestürmt. Ihr Liebhaber Rustam Madumarow - früher mal Sänger der usbekischen Boy-Group Dado - wurde verhaftet.
Der handgeschriebene Brief, der die BBC erreichte, wirft ein Schlaglicht auf einen Machtkampf, der die Herrscher-Familie zerreißt und dessen Schockwellen auch in Europa zu spüren sind. Usbekistan ist ein enger Partner der Nato im Afghanistan-Krieg, die Bundeswehr unterhält in der Stadt Termes eine Luftwaffenbasis.
Krieg im Karimow-Clan
Man war nicht wählerisch auf der Suche nach Verbündeten, als der Westen in Afghanistan aufmarschierte. Usbekistan ist eines der brutalsten Regime der Welt. Islam Karimow herrscht bereits seit 1989, erst als Sekretär der Kommunistischen Partei, später als Präsident des unabhängigen Usbekistan. Er lässt Medien und Oppositionelle unterdrücken. 2005 ließ er Soldaten in Panzerwagen einen Volksaufstand in der Stadt Andischan zusammenschießen. Mindestens 500 Menschen kamen ums Leben, die genaue Opferzahl wurde nie bekannt.
Seine Tochter Gulnara machte auch politisch Karriere: Sie war Botschafterin bei den Vereinten Nationen und als Diplomatin in Spanien. Vielen Beobachtern galt sie als wahrscheinlichste Thronfolgerin ihres Vaters.
Der Erstürmung von Gulnaras Wohnung war ein monatelanger Machtkampf vorhergegangen, der von einem Riesenkrach innerhalb des Karimow-Clans flankiert wurde. Via Twitter zog Gulnara über ihre sechs Jahre jüngere Schwester Lola und Mutter Tatjana her. Sie beschuldigte beide, gemeinsam mit der usbekischen Staatssicherheit Intrigen gegen sie zu schmieden. Karimowa hält den Chef des Geheimdienstes für den Drahtzieher der Angriffe. Sie warf ihm vor, für "Besäufnisse und Orgien" in seiner Behörde verantwortlich zu sein, ihre jüngere Schwester Lola hingegen vergnüge sich "auf ihrer eigenen Yacht mit Koks", die Mutter gebe sich dem Okkultismus hin.
In einer anderen Kurznachricht war die Rede davon, dass sich Mutter und Schwester selbst bereicherten. "Die Mutter versteckt Millionen unter der Badewanne", hieß es da. Tatsächlich muss niemand im Karimow-Clan darben. Karimowas jüngere Schwester Lola hat eine Luxusvilla in der Schweiz und ein 58-Millionen-Dollar-Anwesen in in Beverly Hills.
"Meistgehasste Frau des Landes"
Gulnara Karimowas spitze Kommentare über die Verfehlungen anderer wirkten allerdings mehr wie ein Ablenkungsmanöver von ihrem eigenen Sündenregister. Karimowa war in den vergangenen Jahrzehnten zu einer der mächtigsten Wirtschaftsgrößen in Usbekistan aufgestiegen. Das hatte sie allerdings weniger ihrem unternehmerischen Talent zu verdanken: Die schöne Präsidententochter nahm sich einfach, was sie kriegen konnte. US-Diplomaten bezeichneten sie in einer auf WikiLeaks veröffentlichten Depesche als "Räuberbaronin" und als "meistgehasste Frau des Landes".
- So deckten TV-Reporter in Schweden auf, dass die skandinavische Telefongesellschaft TeliaSonera 300 Millionen US-Dollar Schmiergeld an Karimowas Leute bezahlt hatte, um Zugang zum usbekischen Markt zu bekommen. TeliaSonera und Karimowa bestreiten dies.
- In der Schweiz beschlagnahmten Fahnder 800 Millionen Franken, die Karimowa zugerechnet werden. Sie ermitteln im größten Geldwäsche-Skandal der Schweiz nun auch direkt gegen die Präsidententochter.
Die Herrschaft von Präsident Islam Karimow zeigt erste Risse, glaubt der russische Zentralasien-Experte Pjotr Topitschkanow vom Carnegie-Institut: "Das System in Taschkent ist nicht mehr stabil", urteilt er über den zerfallenden Tyrannen-Clan - und das wirkt angesichts der Vorgänge noch zurückhaltend.