Top-Politiker in Venezuela unter Verdacht Drogen, Macht, Verrat

Er ist die Nummer zwei im Staat - und angeblich der mächtigste Drogenboss Venezuelas: Parlamentspräsident Cabello wird von seinem Ex-Leibwächter schwer belastet. Welche Rolle spielen die USA in dem Thriller?
Parlamentspräsident Cabello: "Ich bin verpflichtet, mich zu verteidigen"

Parlamentspräsident Cabello: "Ich bin verpflichtet, mich zu verteidigen"

Foto: Ariana Cubillos/ AP/dpa

Der Angeschuldigte brauchte ein paar Stunden, um sich von dem Schock zu erholen, dann aber holte Diosdado Cabello zum Gegenschlag aus: "Ich bin verpflichtet, mich zu verteidigen", sagte Venezuelas Parlamentspräsident in seiner eigenen TV-Sendung und kündigte eine Klage gegen die spanische Tageszeitung "ABC" an.

Das Blatt hatte behauptet, der zweitmächtigste Mann Venezuelas sei zugleich oberster Drogenschmuggler des Landes. Als Kronzeuge zitiert das konservative Madrider Blatt Cabellos ehemaligen Leibwächter, der sich kurz zuvor in die USA abgesetzt hatte.

Wenn stimmt, was "ABC" schreibt, könnte das die ohnehin angeschlagene chavistische Führung ins Wanken bringen. Vielleicht ist es aber auch nur ein mit Geld erkaufter Versuch Washingtons, die linksnationalistische Regierung zu destabilisieren. Das jedenfalls behaupten die Machthaber in Caracas. Präsident Nicolás Maduro nannte die Vorwürfe gegen Cabello "bestialisch" und "vulgär".

Die Zeitung schreibt, der 51-jährige Politiker und Ex-Offizier Cabello sei seit Jahren Kopf des größten venezolanischen Drogenkartells mit Namen "Los Soles" ("Die Sonnen"). Das Kartell, dessen Name sich vom Sonnenemblem auf den venezolanischen Generalsuniformen ableite, führen demnach hochrangige Militärs. Und Los Soles dominiere nahezu monopolartig den Drogenhandel im Land. Demnach komme das Kokain von den Linksrebellen der Farc im benachbarten Kolumbien und werde über venezolanische Häfen und Flughäfen in die USA und Europa transportiert. Internationale Drogenfahnder gehen davon aus, dass pro Woche fünf Tonnen Rauschgift über Venezuela geschmuggelt werden.

"Berge von Dollar"

Hauptquelle des spanischen Blattes ist der ehemalige Chefleibwächter von Cabello, Leamsy Salazar. Der 40 Jahre alte Offizier im Range eines Korvettenkapitäns hatte sich im Dezember nach Spanien abgesetzt und war dort in das Zeugenschutzprogramm der US-Drogenkontrollbehörde DEA aufgenommen worden. Laut "ABC" hat Salazar dafür detaillierte Infos geliefert. So will er Cabello dabei beobachtet haben, wie er Marschbefehle für Drogenschmuggel-Boote gab, und ihn zu Orten begleitet haben, wo er "Berge von Dollar" hortet.

Die US-Justiz ermittelt seit Jahren gegen venezolanische Funktionäre wegen Drogenschmuggels. Aber ist der übergelaufene Leibwächter nun das fehlende Puzzleteil, um Cabello entscheidend zu belasten?

Der für die Bekämpfung des Drogenschmuggels zuständige Abteilungsleiter im US-Außenamt, William Brownfield, der selbst von 2004 bis 2007 US-Botschafter in Caracas war, bestätigte den "ABC"-Bericht indirekt: Der Artikel sei "nicht widersprüchlich" zu Hinweisen, dass Angehörige der venezolanischen Regierung in Drogenhandel verwickelt seien. Weitergehende Berichte, wonach in den USA bereits eine Anklage gegen Cabello vorbereitet werde, wollte Brownfield nicht bestätigen.

Venezolanische Regierungspolitiker wie Cabellos Stellvertreter Elvis Amoroso werfen der US-Botschaft in Caracas hingegen vor, immer wieder Funktionsträger zu bestechen, damit sie mit falschen Aussagen hohe Regierungsfunktionäre belasten. "Salazar hat Geld bekommen, damit er in den USA seine schmutzigen Vorwürfe erhebt", behauptete Amoroso wütend.

Der Top-Personenschützer Salazar hatte den Seitenwechsel offenbar seit Monaten geplant: Er heiratete im Dezember und reiste dann angeblich zu Flitterwochen nach Spanien. Dort begab er sich aber in die Obhut der DEA, die ihn in die USA brachte.

Gegenspieler von Präsident Maduro

Aber was weiß Salazar wirklich? Der Offizier diente dem verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez zehn Jahre als Chefleibwächter und persönlicher Assistent. Nach Chávez' Tod sei er im März 2013 von Cabello in der gleichen Funktion angefordert worden, heißt es in dem Bericht von "ABC". Cabello bestreitet das: Salazar sei nur einer von mehreren Personenschützern in seinem Umfeld gewesen. Und er habe ihn im Juni von seinen Funktionen entbunden, "weil er nachlässig wurde".

Cabello war jahrelang ein enger Vertrauter von Chávez. Er war Gouverneur, Vize-Präsident, Kampagnenchef, Stabschef und Minister für fast alles, von Justiz bis zu öffentlichen Bauten. Er gilt als autoritär, mit bestem Draht ins Militär - und ist Gegenspieler von Präsident Maduro.

Experten glauben jedoch nicht, dass der Parlamentspräsident sich tatsächlich vor der US-Justiz verantworten muss. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein DEA-Bericht, der ihn mit Drogenhandel in Verbindung bringt, seine Position beschädigt", sagt Juan Carlos Hidalgo vom Thinktank "Cato Institute" in Washington. Das sei den USA auch bei anderen Militärs nicht gelungen.

Venezuela erlebt zurzeit seine schwerste Finanz- und Versorgungskrise seit Jahrzehnten, der Verfall des Ölpreises verschärft die Lage dramatisch. Lebensmittel sind rationiert, Supermärkte leer, es gibt immer mehr Proteste im Land. Am Donnerstag genehmigte Präsident Maduro den Sicherheitskräften den Einsatz von Schusswaffen bei Demonstrationen und großen Menschenansammlungen.

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