Vereiteltes Terrorkomplott Washington will Iran zur Verantwortung ziehen

Skrupellose Drahtzieher, mexikanische Auftragskiller, hochpolitische Anschlagsziele: Die US-Justiz will einen spektakulären Attentatsplan aufgedeckt haben. Iranische "Elemente" hätten den saudi-arabischen Botschafter in Washington ermorden wollen. Iran dementiert - dennoch drohen weitreichende Folgen.
Vereiteltes Terrorkomplott: Washington will Iran zur Verantwortung ziehen

Vereiteltes Terrorkomplott: Washington will Iran zur Verantwortung ziehen

Foto: Carolyn Kaster/ AP

Der Schauplatz des geplanten Bombenattentats: ein Nobelrestaurant in Washington. Das Ziel: Adil al-Dschubeir, der saudi-arabische Botschafter in den USA. Die Zahl der möglichen Todesopfer: bis zu 150.

Ob das nicht doch zu viele unbeteiligte Leidtragende seien, soll einer der Komplizen erst gezögert haben. Darauf der Haupt-Drahtzieher: "Scheiß' auf sie."

Dieser Dialog ist nur eine von vielen abenteuerlichen Szenen eines mutmaßlichen Terrorkomplotts "unter Führung iranischer Regierungselemente", das die US-Justiz vereitelt haben will. "Auch wenn sich das alles liest wie ein Hollywood-Drehbuch, die Folgen wären sehr real gewesen", sagte FBI-Direktor Robert Mueller, der am Dienstag mit Justizminister Eric Holder und dem New Yorker Bezirksstaatsanwalt Preet Bharara auftrat, um Details dieses Falls zu offenbaren.

Die Staatsanwaltschaft klagte zwei Männer als Drahtzieher des Komplotts an: Manssor Arbabsiar, 56, einen US-Bürger mit doppelter Staatsbürgerschaft und iranischem Pass, und Gholam Schakuri, der als Mitglied der Kuds-Brigaden bezeichnet wurde, einer Spezialeinheit der Revolutionswächter (IRGC) Irans. Arbabsiar wurde bereits am 29. September am New Yorker Kennedy-Flughafen festgenommen und sollte noch am Dienstag dem Haftrichter vorgeführt werden. Schakuri, der in Iran ansässig sei, sei flüchtig.

Arbabsiar soll seine Mittäterschaft dem FBI zufolge gestanden haben. Er habe erklärt, von Männern rekrutiert, bezahlt und gesteuert worden zu sein, "die seines Wissens nach hochrangige Offiziere der Kuds" gewesen seien.

Der ursprüngliche Plan sei es gewesen, den Botschafter lediglich von Drogenhändlern entführen zu lassen. Später habe man sich aber darauf verständigt, "ein Restaurant, in dem der Botschafter verkehrt, in die Luft zu jagen". Zu den weiteren Zielen gehörte nach Informationen des Senders ABC News auch die israelische Botschaft in Washington.

US-Außenministerin Clinton: "Linie überschritten"

Schon zeichnet sich ein erhebliches politisches Nachspiel ab. "Die USA bestehen darauf, dass Iran für seine Handlungen zur Verantwortung gezogen wird", sagte Holder. "Die Anklage enthüllt ein tödliches Komplott unter Führung von Elementen der iranischen Regierung mit dem Ziel, einen ausländischen Botschafter auf US-Boden mit Sprengstoff umzubringen."

Das war zwar ein klarer Fingerzeig in Richtung Teheran. Doch Holder verweigerte konkretere Angaben und ließ sich auch nicht darüber aus, wie weit die Verantwortung in Iran nach Erkenntnissen der US-Justiz gereicht habe.

US-Außenministerin Hillary Clinton kündigte in einem Interview neue Sanktionen gegen Iran an. Durch das Komplott sei eine Linie überschritten worden - und Iran müsse dafür verantwortlich gemacht werden, sagte Clinton. International werde Teheran durch die geplanten Anschläge weiter isoliert.

"Wir werden mit unserer Alliierten und Partnern zusammenarbeiten, um Iran eine Botschaft zu senden", sagte ein hochrangiger Regierungsvertreter der "New York Times". "Wir tolerieren nicht, dass ausländische Diplomaten auf unserem Boden zur Zielscheibe werden." Das Weiße Haus habe den saudischen König Abdullah bereits vor zwei Wochen informiert.

Iran: "Konstruiertes Szenario"

Die iranische Führung wies die Vorwürfe zurück. Ein Berater von Präsident Mahmud Ahmadinedschad sprach am Dienstagabend von einem "konstruierten Szenario".

Das geplante Attentat in einem Restaurant - für das ein "Honorar" von 1,5 Millionen Dollar ausgelobt worden sein soll - habe ein Massaker an "unschuldigen Amerikanern" in Kauf genommen, sagte New Yorks Bezirksstaatsanwalt Bharara. Darunter hätten sich auch US-Senatoren befinden können, die in jenem Lokal verkehrten. Den Namen des Restaurants nannte Bharara freilich nicht. Es hätten weitere Anschläge folgen sollen: "Dies wäre nur der erste Akt einer Serie tödlicher Angriffe gewesen."

In der Tat präsentiert sich das mutmaßliche Komplott wie ein John-le-Carré-Thriller aus dem Kalten Krieg. Arbabsiar, Schakuri und andere "Mitverschwörer in Iran, inklusive der Kuds-Brigaden" begannen nach Angaben des FBI im Frühjahr dieses Jahres mit der Planung.

Killer beim mexikanischen Drogenkartell angeheuert

Dazu habe sich Arbabsiar seit Mai mehrfach mit einem namentlich nicht genannten Mitglied eines gewalttätigen Drogenkartells in Mexiko getroffen - eine höchst ungewöhnliche, internationale Volte des Falls. Das Dumme: Dieses Kartellmitglied sei ein Informant der US-Drogenfahnungsbehörde DEA gewesen.

Arbabsiar habe den Informanten und dessen mutmaßliche Komplizen "angeheuert", um den Botschafter umzubringen, erklärte das FBI kurz nach der Pressekonferenz. "Schakuri und andere Mitverschwörer waren sich des Plans bewusst und haben ihm zugestimmt", hieß es.

Arbabsiar erkundigte sich der Anklage zufolge bei dem Informanten nach dessen "Kenntnis hinsichtlich Sprengstoffen" für einen Anschlag. Der Informant habe sich als Experte für C-4-Plastiksprengstoff ausgegeben. Daraufhin habe Arbabsiar dem Informanten "mehrere gewalttätige Missionen" in Aussicht gestellt.

Der Informant forderte der Anklage zufolge für sich und vier "Mittäter" ein "Honorar" von 1,5 Millionen Dollar, dem Arbabsiar angeblich zugestimmt habe. Auch habe Arbabsiar versichert, er verfüge über "100.000 Dollar im Iran", die als Anzahlung für den Kauf des C4 verwendet werden könnten. Die Summe habe Arbabsiar im August in zwei Raten überweisen lassen - auf ein Undercover-Konto des FBI.

Der Informant habe Arbabsiar im Juli versichert, er habe den Botschafter bereits in Washington ausspähen lassen, hieß es weiter. Er habe aber vor massenhaften Todesfällen gewarnt, sollte es tatsächlich zu dem Anschlag in einem Restaurant kommen, das al-Dschubeir öfters besuche. Daraufhin habe Arbabsiar gesagt: "Sie wollen den Typen ermordet haben, wenn hundert mit ihm gehen, scheiß auf sie." Unschuldige Opfer seien "kein Problem".

Ende September soll Arbabsiar erneut nach Mexiko geflogen sein, um die Übergabe des restlichen Geldes zu überwachen. Die mexikanischen Behörden verweigerten ihm jedoch nach FBI-Angaben die Einreise und setzen ihn in eine Maschine zurück nach New York City, wo er auf einen Flug zu seinem Ursprungsort umsteigen sollte. Dort sei er am 29. September festgenommen worden.

US-Präsident Obama seit Juni informiert

Arbabsiar soll den Angaben zufolge auch mit einem "Cousin" in Iran geprahlt haben, der ihn mit der Bluttat beauftragt habe. Dieser Cousin sei ein "wichtiger General" im Militär, der mit "Angelegenheiten außerhalb Irans befasst" sei und auch mit einem Bombenanschlag im Irak in Zusammenhang gestanden habe.

Dass der Plan von Anfang an mit einem DEA-Informanten diskutiert worden sein soll, deutet darauf hin, dass die US-Regierung früh eingeweiht war. "Niemand war jemals in Gefahr", versicherte Holder. US-Präsident Barack Obama war nach Darstellung des Weißen Hauses schon seit Juni informiert.

Am späten Dienstagnachmittag Washingtoner Ortszeit teilte das US-Finanzministerium mit, es habe die US-Vermögen der beiden Angeklagten sowie dreier weiterer an dem Komplott beteiligten Iraner eingefroren. Auch dürfen US-Staatsbürger nun keinerlei Kontakte mehr zu den Betroffenen halten. Neben Arbabsiar und Schakuri handele es sich dabei um folgende Personen:

• Kassim Soleimani, ein Kommandeur der Revolutionswächter. Seine US-Gelder waren zuvor schon wegen anderer Vorwürfe eingefroren worden, unter anderem wegen der Unterstützung des syrischen Regimes durch die IRGC.

• Hamed Abdollahi, ein hochrangiges IRGC-Mitglied, der "Aspekte des Komplotts koordiniert" und andere Kuds-Force-Mitglieder überwacht habe, "die direkt für die Koordination und Planung dieser Operation verantwortlich" gewesen seien.

• Abdul Reza Schahlai, ein IRGC-Mitglied, das "diese Operation koordinierte".

"Risiken für Banken, die mit Iran Geschäfte machen"

"Der Iran hat erneut die Kuds-Brigaden und das internationale Finanzsystem genutzt, um Vorhaben des internationalen Terrorismus zu verfolgen", erklärte Staatssekretär David Cohen. "Die finanziellen Transaktionen im Mittelpunkt dieses Komplotts offenbaren die Risiken für Banken und andere Institutionen, die mit Iran Geschäfte machen."

"Dies war kein typischer Fall für uns", sagte FBI-Direktor Robert Mueller. Die Ermittlungen erstreckten sich demzufolge über Monate hinweg, die Anklage beruht unter anderem auf mitgeschnittenen Gesprächen und Telefonaten des Informanten mit Arbabsiar. Beteiligt waren zahlreiche US-Behörden - neben dem FBI, der DEA und der Staatsanwaltschaft unter anderem auch die New Yorker Joint Terrorism Task Force und das US-Außenministerium. Auch dankte Holder der mexikanischen Regierung "für ihre enge Koordination und Zusammenarbeit in der Sache" und bei der Festnahme Arbabsiars.

"Die Details dieses Mordkomplotts sind gelinde gesagt schaurig", sagte Bharara. "Sie waren mehr als bereit, willens und in der Lage, ihren Plan auszuführen." Zum Glück sei dieser Plan aber aufgeflogen, "bevor er in Gang kam".

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