Vergewaltiger getötet Hoffnung für junge Iranerin in der Todeszelle
Berlin - Ein Jahr lang sitzt Nazanin Fatehi nun schon in der Todeszelle. Drei Männer hatten 2005 die damals 17-Jährige und ihre 16-jährige Nichte in einem Park in einem Teheraner Vorort verfolgt - und versucht, sie zu vergewaltigen. Nazanin wehrte sich. Und verletzte einen der Männer tödlich.
Im Frühjahr 2005 wurde sie festgenommen - und Anfang 2006 von einem Gericht in Teheran zum Tode verurteilt.
"Ein Exempel, damit keine Frau es mehr wagt, ihre Hand gegen einen Mann zu erheben", verkündeten die iranischen Richter laut einem Bericht der iranischen Zeitung "Etemad".
Nazanins Fall ging um die Welt. Menschenrechtsorganisationen machten auf die geplante Hinrichtung aufmerksam. Mina Ahadi, Vorsitzende des Internationalen Komitees gegen die Todesstrafe, hat zusammen mit Nazanin Afshin-Jam die Kampagne "helpnazanin" gestartet. Afshin-Jam ist Sängerin, ehemalige Miss Kanada und Namensvetterin der zum Tode Verurteilten. Die zwei Frauen, die beide selbst aus Iran stammen, haben mehr als 200.000 Unterschriften gegen die Hinrichtung des iranischen Mädchens gesammelt, Petitionen beim Uno-Menschenrechtsrat eingereicht, die EU informiert, Demonstrationen gegen die Todesstrafe in Iran organisiert.
"Heute konnte Nazanin wieder lachen"
Aktionen, die Nazanin möglicherweise das Leben gerettet haben. Heute hat das Teheraner Gericht den Fall der jungen Frau erneut verhandelt. Vertreter ausländischer Medien seien dabei gewesen, sagt die Menschenrechtlerin Mina Ahadi direkt nach Ende des Gerichtstermins zu SPIEGEL ONLINE. "Und die Richter haben entschieden, dass das Mädchen nicht absichtlich getötet hat, sondern dass es Notwehr war. Außerdem bekräftigten die Richter, dass das vorherige Urteil nicht angemessen war, weil vier angebliche Zeugen falsch ausgesagt haben."
Hoffnung für Nazanin keimt auf. "Zwar wurde heute nicht formuliert, dass die Todesstrafe aufgehoben ist - und wir haben noch nichts schriftlich. Aber die Verhandlung ist sehr positiv verlaufen", sagt Ahadi, die in Kontakt mit Nazanins Anwälten steht. Es könne sein, dass die junge Frau nun ein bis zwei Jahre im Gefängnis bleiben müsse. Möglich sei aber auch, dass sie in Kürze freikommt.
Täglich hat Mina Ahadi in den vergangenen Wochen mit Nazanins Mutter telefoniert. Die berichtete ihr immer wieder, wie schlecht es ihrer Tochter im Gefängnis ging. "Heute konnte Nazanin wieder lachen", sagt sie.
Auch Ruth Jüttner, Iran-Expertin bei Amnesty International glaubt, dass die internationale Aufmerksamkeit für Nazanin einen Beitrag zu der heutigen Verhandlung geleistet hat. "Weil Öffentlichkeit hergestellt wurde, hatte Nazanin jetzt im Gegensatz zum vergangenen Jahr zwei sehr engagierte Anwälte gehabt, die aus dem Fonds der Kampagne von Afshin-Jam und Ahadi bezahlt wurden", sagt Jüttner zu SPIEGEL ONLINE.
Blutgeld um sich keine Blöße zu geben
Aber selbst wenn das Todesurteil nicht offiziell aufgehoben wird, bestehe die Möglichkeit, dass Nazanin am Leben bleibt, sagt Jüttner. "In einem ähnlichen Fall, in dem eine Frau ihren Vergewaltiger aus Notwehr getötet hat, wurde in einem neu aufgerollten Verfahren die Todesstrafe nicht aufgehoben. Stattdessen haben die Justizbehörden Einfluss auf die Familie des Opfers genommen und sie dazu gebracht, Blutgeld anstelle der Hinrichtung zu akzeptieren." Damit habe das Gericht sein Gesicht wahren können und das Urteil nicht öffentlich aufheben müssen. Auch damals habe internationaler Druck bewirkt, dass die Todesstrafe nicht vollzogen wurde.
Nazanin kann wieder hoffen - für andere Minderjährige in Iran kommt jede Hilfe zu spät. Mindestens drei Jugendliche seien im vergangenen Jahr hingerichtet worden, sagt Mina Ahadi zu SPIEGEL ONLINE. Und etwa 30 Kinder und Jugendliche säßen in einer Todeszelle, schätzt sie.
Im Juni führte die Kanadierin Afshin-Jam über eine Vermittlerin ein Interview mit Nazanin, die in der Todeszelle in Teheran saß. "Meine Botschaft an alle Menschen ist, dass auch die Welt draußen manchmal ein Gefängnis ist. Helft nicht nur mir, helft allen ,Nazanins'", sagte Nazanin.
Sie meinte damit die vielen rechtlosen Frauen in Iran.