Verschleppte Soldaten Großbritannien friert Beziehungen zu Iran ein
London - Als Reaktion auf die Krise um die von Iran festgenommenen Marinesoldaten hat Großbritannien alle bilateralen Kontakte zur Regierung in Teheran abgebrochen. "Wir befinden uns jetzt in einer neuen Stufe der Diplomatie", sagte Außenministerin Margaret Beckett heute vor dem Parlament. Die Freilassung der 15 britischen Marinesoldaten und Seeleute habe oberste Priorität. "Wir werden deshalb alle anderen offiziellen bilateralen Kontakte mit Iran stoppen, bis die Angelegenheit gelöst ist", erklärte Beckett.
So sollen iranische Regierungs- und Behördenvertreter vorerst keine Visa mehr erhalten. Zudem friert die Regierung in London staatliche Hilfen für Handelsprojekte mit Iran ein, wie ein britischer Regierungsvertreter erläuterte.
Premierminister Tony Blair sagte, es sei an der Zeit "den diplomatischen und internationalen Druck zu erhöhen, um sicher zu gehen, dass die iranische Regierung ihre völlige Isolation in dieser Angelegenheit begreift". Die Festnahme der britischen Militärangehörigen bezeichnete Blair als "völlig inakzeptabel, falsch und illegal".
Die iranische Botschaft in London teilte einer Agenturmeldung zufolge mit, die Regierungen beider Länder könnten den Konflikt "durch Kontakte und enge Zusammenarbeit lösen". Allerdings bekräftigte die Botschaft die iranische Darstellung, wonach die Briten am vergangenen Freitag in iranischen Hoheitsgewässern festgenommen worden seien, wie die Agentur "Irna" weiter meldete.
Britisches Militär legt Satellitendaten vor
Die britische Regierung dagegen kann eigenen Angaben zufolge mit Satellitenfotos belegen, dass die von Iran festgenommenen Soldaten nicht in die Gewässer der Islamischen Republik eingedrungen waren. Die britischen Boote hätten sich eindeutig innerhalb irakischer Gewässer aufgehalten, als sie von der Marine der iranischen Revolutionsgarde gestoppt worden seien, erklärte der stellvertretende Chef des britischen Verteidigungsstabes, Vize-Admiral Charles Style.
Blair hatte zuvor bereits angedroht, die Satellitenbilder als Beweis vorzulegen. Diese seien bislang nur nicht publiziert worden, "weil wir nicht wollen, dass dies eskaliert". Regierungskreisen zufolge hat Großbritannien die Aufzeichnungen Iran jedoch bereits zur Verfügung gestellt.
Den Angaben des britischen Militärs zufolge sind die 15 Soldaten bei ihrer Festnahme auf dem Schatt al-Arab 1,7 Seemeilen (rund 3,1 Kilometer) von der Grenze zu Iran entfernt gewesen. Das britische Verteidigungsministerium stützt sich dabei auf Aufnahmen, die mit dem Satellitensystem GPS gemacht wurden. Demnach befanden sie sich eindeutig in irakischen Gewässern und nicht auf iranischem Gebiet, wie die Regierung in Teheran behauptet. Die Verschleppung sei also "ungerechtfertigt" gewesen, betonte Vize-Admiral Style.
Style sagte vor Journalisten, Iran habe die Position am Sonntag zunächst sogar bestätigt. Später hätten die iranischen Behörden ihre Angaben jedoch geändert und eine Position zwei Seemeilen weiter östlich genannt - und damit in iranischem Hoheitsgewässer. Einen nachvollziehbaren Grund für diese Änderungen gebe es nicht. Style sagte, die Soldaten seien bei der Kontrolle eines Handelsschiffes auf dem Grenzfluss Schatt al-Arab "in einen Hinterhalt gelockt worden".
Iran hatte am Freitag 15 britische Soldaten und Seeleute in Gewahrsam genommen und ihnen vorgeworfen, im irakisch-iranischen Grenzgebiet im Persischen Golf in iranische Gewässer eingedrungen zu sein. Die Krise hat die wegen des Atomkonflikts ohnehin angespannten Beziehungen verschärft und vor allem auch an den Energiemärkten große Unsicherheit ausgelöst. Seit Beginn des Konflikts ist der Ölpreis deutlich gestiegen.
Türkische Diplomaten sollen Briten besuchen dürfen
Während das Mullah-Regime Großbritannien bislang den Zugang zu den Gefangenen verweigert, dürfen in Kürze möglicherweise türkische Diplomaten die britischen Soldaten besuchen. Das sagte der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan heute laut einem Bericht des türkischen Fernsehsenders CNN-Turk nach Gesprächen mit dem iranischen Außenminister Manutschehr Mottaki.
"Es könnte möglich sein, dass türkische Diplomaten die 15 Soldaten sehen können", wurde Erdogan zitiert. Bereits am Dienstag hatte der türkische Außenminister Abdullah Gül gesagt, dass Ankara wegen der gefangen genommenen Soldaten mit Teheran im Kontakt stehe. Wann genau es zu dem Treffen kommen könnte, wurde nicht bekannt. Die Nachrichtenagentur Anatolien zitierte den Ministerpräsidenten mit den Worten, es sei jederzeit mit einer positiven Entwicklung zu rechnen. Erdogan hatte Mottaki in Saudi-Arabien am Rande eines Treffens der Arabischen Liga getroffen.
Die britische Außenministerin Margaret Beckett hatte am Dienstag in Ankara mit Erdogan über die Lage der 15 Militärs gesprochen, die im benachbarten Iran festgehalten werden. Die Türkei hatte versichert, alles zu tun, um dem Nato-Partner zu helfen.
Iran unbesorgt wegen Militärmanöver
Iran ist nach Berichten des staatlichen Fernsehens nicht besorgt wegen der erhöhten Militärpräsenz der USA im Golf. Auf dem Laufband im Fernsehen hieß es in englischer Sprache: "Iran: Keine Besorgnis wegen der Kriegsspiele des Pentagon im Persischen Golf ... Teheran beobachtet (die US-) Kriegsspiele genau." Es war unklar, ob die Schlagzeile auf einer offiziellen Mitteilung der Regierung basierte. Eine Stellungnahme der Behörden war zunächst nicht zu erhalten.
Die USA haben vor der Küste Irans im Golf die stärkste Marinepräsenz seit der Invasion im Irak vor etwa vier Jahren aufgebaut. Wie der Kapitän des bereits in den Gewässern kreuzenden Flugzeugträgers "Dwight D. Eisenhower" gestern mitteilte, traf nunmehr auch der Flugzeugträger "Stennis" in der Seeregion ein. Die Schiffe würden "für einige Tage oder auch länger" im Golf an gemeinsamen Manövern teilnehmen.
phw/reuters/dpa/AP