Viele Tote und Verletzte Blutiger Angriff Israels auf Gaza-Hilfsflotte

Ein israelisches Elitekommando hat am frühen Morgen Schiffe der "Solidaritätsflotte" für den Gaza-Streifen attackiert. Bei der Militäraktion wurden laut einem TV-Bericht bis zu 16 Menschen getötet. Die Türkei berief eine Krisensitzung des Kabinetts ein, ein israelischer Minister äußerte "Bedauern für die Toten".
Viele Tote und Verletzte: Blutiger Angriff Israels auf Gaza-Hilfsflotte

Viele Tote und Verletzte: Blutiger Angriff Israels auf Gaza-Hilfsflotte

Foto: Idf Spokesmans Office/ dpa

Gaza-Streifen

Jerusalem/Ankara/Larnaka - Beim Einsatz der israelischen Marine gegen einen Schiffskonvoi mit Hilfslieferungen für den sind am Montag nach einem Bericht des israelischen Fernsehens bis zu 16 Menschen getötet und rund 50 verletzt worden. Das türkische Außenministerium hat am Montagmorgen Medienberichte bestätigt, wonach bei einer israelischen Militäraktion gegen das türkische Schiff "Mavi Marmara" mindestens zwei Menschen ums Leben gekommen sind. Mehr als 30 Menschen seien verletzt worden, hieß es.

Die von propalästinensischen Gruppen und einem türkischen Menschenrechtsverband gecharterten Schiffe hatten sich nach Angaben der Organisation von Free Gaza ganz klar in internationalen Gewässern befunden. Die Boote werden zurzeit offenbar in den Hafen von Haifa geschleppt. Der arabische Fernsehsender al-Dschasira berichtete, von dem gestürmten Boot "Mavi Marmara" seien Verletzte in ein Krankenhaus nach Haifa geflogen worden.

Hunderte Elitesoldaten waren den Angaben zufolge im Morgengrauen um 4.30 Uhr von Helikoptern und Schnellbooten an Bord des türkischen Schiffes "IHH" gekommen. Nach Angaben des israelischen Armeerundfunks sollen die Aktivisten versucht haben, den Soldaten die Waffen zu entreißen. Die Organisatoren von Free Gaza warfen dem Kommando vor, das Feuer auf unbewaffnete Passagiere eröffnet zu haben. Die Soldaten sollen auch Tränengas eingesetzt haben. Die palästinensische Nachrichtenagentur Safa in Gaza berichtete, bei dem Angriff sei auch der Anführer der Islamischen Bewegung in Israel, Scheich Raed Salach, schwer verletzt worden.

Minister äußert "Bedauern für Tote"

Die israelischen Streitkräfte bestätigten inzwischen, bei der Militäraktion seien mehr als zehn Menschen getötet worden. Der israelische Industrie- und Handelsminister Benjamin Ben Elieser drückte sein "Bedauern über die Toten" aus. Die Fernsehbilder von der Erstürmung seien "nicht schön, ich kann nur mein Bedauern über alle diese Toten äußern", sagte Elieser dem israelischen Militärrundfunk. Die Armee habe nicht die Absicht gehabt, das Feuer zu eröffnen, "aber es gab eine enorme Provokation", fügte Elieser hinzu. Die Soldaten seien mit Äxten und Messern "erwartet" worden, "und wenn dann noch jemand versucht, Ihnen Ihre Waffe wegzunehmen, dann fängt man an, die Kontrolle über die Lage zu verlieren", sagte der Minister weiter.

Die sechs Boote der Flottille mit Hunderten Aktivisten an Bord hatten am Sonntag die zyprischen Hoheitsgewässer verlassen und sich auf den Weg zum Gaza-Streifen gemacht. Israel hatte wiederholt damit gedroht, die Flottille notfalls mit Gewalt zu stoppen. An Bord der Schiffe waren etwa 10.000 Tonnen Hilfsgüter, darunter auch hundert Fertighäuser, 500 Rollstühle und medizinische Ausrüstung.

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"Solidaritätsflotte" für Gaza: Attacke im Morgengrauen

Foto: AFP / Cihan

An Bord der aus sechs Booten bestehenden Flottille waren Dutzende europäische Abgeordnete, darunter auch die zwei linken Bundestagsabgeordneten Inge Höger und Annette Groth. Auch die frühere Friedensnobelpreisträgerin Mairead Corrigan Maguire aus Nordirland, die 85 Jahre alte Holocaust-Überlebende Hedy Epstein sowie eine ehemalige Abgeordnete und ein Ex-Oberst aus den USA hatten sich der Aktion angeschlossen.

Ein Besatzungsmitglied des griechischen Schiffes "Eleftheri Mesogeios", das zu der "Solidaritätsflotte" gehört, schilderte im griechischen Fernsehsender Skai die israelische Aktion aus seiner Sicht:

"Die (Israelis) haben fast alle Leute weggeschleppt. Ich und der Kapitän und noch einer sind noch hier. Sie haben mit Gummikugeln geschossen. Sie haben Menschen angeschossen. Sie haben Leute geschlagen. Gegen Mitternacht kamen sie. Gegen 3 Uhr umzingelten sie uns, und Hubschrauber und Schiffe kamen. ... Ich bin in Handschellen (....)"

In diesem Moment brach das Gespräch ab.

Israel

hat das kleine Palästinensergebiet am Mittelmeer nach Machtübernahme der radikalen Hamas-Organisation im Juni vor drei Jahren nahezu vollständig von der Außenwelt abgeriegelt. Israel hatte den Aktivisten angeboten, die Hilfsgüter im Hafen von Aschdod zu löschen.

Türkei warnt Israel vor "irreparablen Folgen"

Türkei

Die warnte Israel vor möglichen "irreparablen Folgen". "Wir verurteilen diese unmenschlichen Praktiken Israels scharf", erklärte das türkische Außenministerium am Montag in Ankara. Der israelische Militäreinsatz stelle einen "klaren" Bruch gegen internationales Recht dar. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan berief eine Krisensitzung des Kabinetts ein. Er brach wegen des Vorfalls eine Südamerika-Reise ab.

Zuvor hatte die türkische Regierung den israelischen Botschafter einbestellt. Botschafter Gabby Levy sei am Montag ins Außenministerium in Ankara bestellt worden, sagte ein türkischer Diplomat, der nicht namentlich genannt werden wollte, der Nachrichtenagentur AFP.

Dutzende Demonstranten versuchten am Morgen, das israelische Generalkonsulat in Istanbul zu stürmen. Sie wurden aber von Polizeikräften zurückgedrängt. Dabei kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Steine werfenden Demonstranten und den Polizisten.

Auch die im Gaza-Streifen herrschende Hamas-Organisation verurteilte die Aktion scharf. Sie forderte die internationale Gemeinschaft in einer Stellungnahme auf, "den größten Piratenstaat der Welt zu stoppen". Die radikal-islamische Organisation sehe die getöteten Menschen als "Märtyrer" - ein Begriff, der sonst für palästinensische Tote verwendet wird.

Die Hamas-Führung unter Leitung von Ismail Hanija berief am Montagmorgen eine Dringlichkeitssitzung ein. Dabei sollte entschieden werden, wie auf den Angriff auf die Flotille reagiert werden soll.

Palästinensergebieten

Auch Palästinenserpräsident Mahmud Abbas verurteilte die Erstürmung der Flottille scharf. Der Einsatz der israelischen Armee sei ein "Massaker". Er verhängte drei Tage Staatstrauer in den .

als/dpa/Reuters/AFP/AP
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