Völkermord-Vorwurf
Tribunal dementiert Haftbefehl-Entscheidung gegen Sudans Präsidenten
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag soll sich Berichten zufolge zu einem Haftbefehl gegen Sudans Präsidenten Baschir durchgerungen haben. Es wäre das erste Verfahren gegen einen amtierenden Staatschef - doch das Gericht dementiert.
New York/Den Haag - Eine Sprecherin des Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag hat Meldungen widersprochen, die Ausstellung eines Haftbefehls gegen den sudanesischen Präsidenten Omar Hassan al-Baschir sei beschlossene Sache.
Die Zeitung "New York Times" und die Nachrichtenagentur Reuters hatten zuvor berichtet, das Gericht habe sich nach langem Ringen dazu entschlossen, einen Haftbefehl gegen den Staatschef zu erlassen. Beide Medien beriefen sich dabei auf Informationen aus nicht näher genannten diplomatischen Kreisen.
Der Chefankläger des Tribunals, Luis Moreno-Ocampo, wirft Baschir Völkermord in der sudanesischen Provinz Darfur vor. Der Staatschef habe "den ganzen Staat" mobilisiert, "um zweieinhalb Millionen Menschen in den Flüchtlingslagern physisch zu vernichten". Ein Haftbefehl gegen Baschir wäre der erste des Strafgerichtshofes gegen einen amtierenden Staatschef.
Die Nachrichtenagentur Reuters hatte am Morgen unter Berufung auf Uno-Kreise gemeldet, der Strafgerichtshof habe sich zu dem Schritt entschieden.
Ankläger Moreno-Ocampo hatte bereits im Juli des vergangenen Jahres einen Haftbefehl für Baschir beantragt - und damit weltweit für Aufsehen gesorgt. Baschir erklärte damals, das Gericht sei "illegal", die Verbündeten des Staatschefs riefen gar zu einem "heiligen Krieg" gegen den Westen auf.
Allerdings kritisierten auch hochrangige Vertreter der Vereinten Nationen den Vorstoß. Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte, man müsse bei einer Entscheidung auch die Sicherheit Tausender internationaler Helfer im Sudan berücksichtigen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel dagegen distanzierte sich von Moons Kritik am Internationalen Strafgerichtshof. Die Kanzlerin sagte, es sei unangemessen, die Justiz von außen zu kritisieren.
Bei der Uno hieß es mit Blick auf die Berichte von Reuters und "New York Times", bislang seien weder Generalsekretär Moon noch der Sicherheitsrat offiziell unterrichtet worden. Sudans Uno-Botschafter zeigte sich derweil empört: Der Vorgang sei "eine Beleidigung" für sein Land. Ein Haftbefehl "hat für uns keine Bedeutung und verdient nicht mal die Tinte, mit der er ausgefüllt ist".
In der Provinz Darfur wütet seit Jahren ein blutiger Bürgerkrieg zwischen der schwarzafrikanischen Bevölkerungsmehrheit und arabischen Reitermilizen, die von der Regierung in Khartum unterstützt werden. Nach Uno-Schätzungen forderte der Konflikt bereits 300.000 Menschenleben.