Vor Ankara-Besuch Merkel fordert Türken zum Deutschlernen auf

Kanzlerin Merkel: "Wir wollen, dass sich Menschen in dieses Land integrieren"
Foto: STRINGER/BELGIUM/ REUTERSHamburg - Kurz vor ihrer geplanten Reise in die Türkei hat Bundeskanzlerin Merkel (CDU) ihre Forderung nach Integration der in Deutschland lebenden Türken bekräftigt. "Wir wollen, dass sich Menschen, die über viele Generationen bei uns leben, in dieses Land integrieren", sagte Merkel am Samstag in ihrer wöchentlichen Video-Botschaft. Dabei gehe es nicht um "Assimilation oder die Aufgabe der eigenen Heimat". Es bedeute vielmehr Teilhabe am gesellschaftlichen Erfolg sowie am Arbeits- und Familienleben. "Das bedeutet natürlich, dass die deutsche Sprache erlernt wird und die deutschen Gesetze eingehalten werden", sagte Merkel.
Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan war zuvor mit seiner Forderung nach türkischen Gymnasien in Deutschland auf breite Ablehnung bei Politikern, Lehrern und türkischstämmigen Deutschen gestoßen. "Das führt aus meiner Sicht nicht weiter, denn grundsätzlich sollten türkischstämmige Kinder und Jugendliche bei uns in deutsche Schulen gehen", sagte Merkel der "Passauer Neuen Presse". "Von der Vorstellung, dass alle türkischen Schüler hier auf ein türkisches Gymnasium gehen sollen, halte ich nichts."
Gabriel plädiert für Türkischunterricht an deutschen Schulen
Erdogan hatte seine Forderung mit den anhaltenden Sprachproblemen vieler der drei Millionen Türken in Deutschland begründet: "Hier hat Deutschland noch nicht die Zeichen der Zeit erkannt. Man muss zunächst die eigene Sprache beherrschen, also Türkisch - und das ist leider selten der Fall."
Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat, widersprach Erdogan. Äußerungen, wonach Türken zunächst ihre Muttersprache beherrschen müssten, bevor sie Deutsch lernen könnten, seien schlicht falsch, sagte er der "Welt".
Sigmar Gabriel hat sich indes für Türkischunterricht an deutschen Schulen ausgesprochen. Man dürfe schwierigen Fragen der Integration nicht aus dem Weg gehen, sagte er im Deutschlandfunk. Der SPD-Chef sprach sich dafür aus, Türkisch an den Schulen als zweite oder dritte Fremdsprache zu lehren. Rein türkische Schulen, wie Erdogan sie gefordert hatte, seien hingegen nicht mit dem deutschen Bildungswesen vereinbar.
Integration sei eine Frage der Teilhabe, nicht der Herkunft, betonte der stellvertretende Chef der Bundes-SPD, Klaus Wowereit, im Rahmen einer SPD-Konferenz zum Thema Zuwanderung. Zu simpel nannte Wowereit dagegen die Forderung nach immer mehr Geld für Integration. "Wir müssen auch einmal in der Lage sein, bestimmte Systeme zu überdenken." Zudem verlangte er von denen, die gekommen seien, "Eigenbeiträge". Sie müssten für ihre Kinder eine "Aufstiegsmentalität" entwickeln. Wer sich weigere, müsse "auch einmal gepusht werden oder, wie wir Berliner sagen, einen Tritt in den Arsch kriegen", sagte Wowereit.
Erdogan geht auf Konfrontationskurs zum Westen
Merkel besucht in der nächsten Woche zum ersten Mal seit vier Jahren wieder die Türkei. Am Montag kommt sie in Ankara zu Gesprächen mit dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und dem türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül zusammen. Anschließend reist sie weiter nach Istanbul. Dort besucht sie die Hagia Sophia.
Die Kanzlerin kündigte an, dass bei ihrer Reise vor allem außenpolitische Themen auf der Tagesordnung stehen sollen. So will Merkel mit ihren türkischen Partnern auch über das iranische Atomprogramm sprechen. Sie sagte, Deutschland trete dafür ein, dass "wir auch über Sanktionen nachdenken", wenn Iran nicht endlich Transparenz in den Fragen der Nuklearenergie zeige. Auch die Zukunft des Friedensprozesses im Nahen Osten werde eine Rolle spielen.
Im Vorfeld des Besuchs hatte Premierminister Erdogan den Westen provoziert: In einem Interview mit dem SPIEGEL leugnete er den Völkermord an den Armeniern im Osmanischen Reich. "Von einem Völkermord an den Armeniern kann keine Rede sein", sagte er in dem Gespräch.