Vor dem Prozess "Deutschland trägt eine Mitschuld"
Die Odyssee von Abu Omar beschäftigt mittlerweile seit mehr als vier Jahren die Staatsanwaltschaft Mailand. In mühsamer Kleinarbeit forschten die Ermittler nach Beweisen gegen die mutmaßlichen Entführer der CIA und ihren Helfern in Italien. Mittlerweile hat die Justiz gegen enormen Widerstand der Regierung Anklage gegen 26 CIA-Agenten erhoben. Im Juni soll der Prozess beginnen.
"Ich würde zu gern in Mailand dabei sein. Meine Anwälte haben mich auch als Nebenkläger angemeldet. Bisher aber sieht es so aus, dass mich Ägypten nicht ausreisen lässt, auch nicht für den Prozess. Ägypten will mich am liebsten stillhalten, damit ich nicht gegen die Amerikaner aussage und nicht über die Folter in den Gefängnissen hierzulande berichte. Ich werde das aber nicht mitmachen. Jeder soll wissen, was die CIA und Ägypten mir angetan haben. Ich habe schon gehört, dass die Agenten wohl nicht kommen werden. Gleichwohl ist es richtig und ein wichtiges Symbol, wenn meine Entführer und ihre Chefs verurteilt werden. Was mit passiert ist, darf nie wieder geschehen. Ich habe einen hohen Preis bezahlt, weil ich nicht geschwiegen habe über die Entführung und die Folter. Wenn ich und meine Frau nicht immer wieder mit Journalisten geredet und Nachrichten aus der Haft geschmuggelt hätten, könnte ich vermutlich seit langem ein ruhiges Leben führen. Ich aber konnte nicht schweigen. Ich kann die Männer und Frauen nicht identifizieren, die mich entführt haben. Trotzdem würde ich ihnen gern auf der Anklagebank in die Augen sehen."
Neben dem Prozess in Italien strebt der Anwalt von Abu Omar auch noch zivilrechtliche Klagen gegen die CIA und Italien an. Bislang aber ist er noch dabei, ein Team von Juristen zusammenzustellen.
Aus dem SPIEGEL-ONLINE-Archiv:Der Fall Abu Omar
"Als der Jet aufsetzte, war ich immer noch wie benommen. Sieben Stunden, doch das ist nur eine Schätzung, hatte der Flug gedauert. Ich war vollkommen steif, Arme und Beine waren von den Fesseln eingeschlafen, noch immer hatte ich starke Schmerzen. Irgendjemand schnitt die Fesseln an den Füßen durch und führte mich eine Treppe hinunter. Von unten hörte ich eine Stimme. Auf Arabisch rief ein Mann, ich solle herunterkommen. Vom Akzent her wusste ich, dass ich in Ägypten war."
"Nachdem ich das Angebot, als Spitzel zu arbeiten, abgelehnt hatte, behandelte man mich in dem Gefängnis in Ägypten wie Dreck. Grundsätzlich wurde ich in den ersten Monaten nur in eine Einzelzelle eingesperrt, hatte keinen Kontakt zu Anwälten oder meiner Familie. Von außen bekam ich gar nichts mit. Alle paar Tage holte man mich zum Verhör. Ägyptens Regierung hat das gemacht, was sie immer macht: die Wünsche Washingtons erfüllt. Hier sollte die Drecksarbeit erledigt werden, damit ich rede. Deshalb haben sie mich gefoltert, mir Elektrodrähte an die Genitalien angeschlossen, mich in der Einzelzelle tagelang an der Wand aufgehängt, mir unerträglich laute Musik über Kopfhörer verabreicht."
"Deutschland trägt ebenfalls eine Mitschuld. Schließlich haben die Deutschen das Flugzeug mit mir in Ramstein einfach so landen und wieder abheben lassen. Ich habe gelesen, dass die Deutschen von den renditions (so nannten die US-Geheimdienstler ihre Kidnappings, d. Red.) der USA angeblich nichts wussten. Ich glaube das nicht."
Der frühere CIA-Chef in Mailand ist untergetaucht. Die italienische Justiz sucht Robert Lady per Haftbefehl wegen der Entführung des radikalen Predigers Abu Omar. Washington will einen Prozess unbedingt verhindern: Offenbar sitzen die wirklich Verantwortlichen ganz oben in der US-Regierung.
"Italien hat zwar bei meiner Entführung mitgeholfen, doch dort gibt es wenigstens eine unabhängig Justiz, die den Fall nun aufgeklärt hat. Sowohl Italien als auch die USA werden von mir und meinen Anwälten verklagt, ich will eine Entschuldigung und ein Schmerzensgeld von 20 Millionen Dollar für das, was ich erleiden musste. Eine öffentliche Entschuldigung wird hoffentlich helfen, solche Machenschaften in Zukunft zu verhindern."
Auch in Deutschland wird im Fall Abu Omar ermittelt, deutsche Staatsanwälte recherchieren seit Monaten wegen der Zwischenlandung des CIA-Jets auf der US-Base im deutschen Ramstein.
"Deutschland trägt ebenfalls eine Mitschuld. Schließlich haben die Deutschen das Flugzeug mit mir in Ramstein einfach so landen und wieder abheben lassen. Ich habe gelesen, dass die Deutschen von den renditions (so nannten die US-Geheimdienstler ihre Kidnappings, d. Red.) der USA angeblich nichts wussten. Ich glaube das nicht. Jeder wusste nach dem 11. September, dass die USA alles Mögliche taten, und sie haben schon vorher Leute entführt. Aus Deutschland sind doch auch zwei Menschen verschwunden. Diese Praxis war bekannt. Ich bleibe dabei: Jeder, der nichts gegen die Geheimflüge der CIA tat, hat bei den Machenschaften der CIA geholfen."