Vorfall in Peschawar Agenten-Affäre belastet Deutschlands Beziehungen zu Pakistan

Ein Polizeikonvoi bringt die drei Deutschen weg: Widersprüchliche Angaben über Identität
Foto: Arshad Arbab/ dpaDer Fall dreier Deutscher, die am Wochenende von der pakistanischen Polizei in Peschawar festgehalten und verhört wurden, belastet das deutsch-pakistanische Verhältnis. Aus Protest gegen das Vorgehen der örtlichen Behörden bestellte das Auswärtige Amt in Berlin am Montag den geschäftsführenden pakistanischen Botschafter ein. Dabei konnten die Irritationen offenbar nur teilweise ausgeräumt werden. "Der Vorfall ist aus unserer Sicht weiter aufklärungsbedürftig", hieß es im Auswärtigen Amt gegenüber SPIEGEL ONLINE. Die pakistanische Botschaft bestätigte, dass Berlin seine "Besorgnis" kundgetan habe.
Mit der diplomatischen Protestnote erhält der Fall eine neue Wendung. Bislang hatte es in Berlin weder eine Bestätigung für das Verhör der Deutschen gegeben, noch waren Angaben über die Hintergründe gemacht worden. Die Angelegenheit ist heikel, weil es sich bei den drei Personen pakistanischen Angaben zufolge um Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) handeln soll.
Das Auswärtige Amt will das nicht bestätigen, dort spricht man von "diplomatisch angemeldeten Mitarbeitern der Botschaft in Islamabad".
Die drei Deutschen waren am Samstag in der westpakistanischen Stadt Peschawar festgehalten und zum Verhör nach Islamabad gebracht worden. Laut pakistanischer Polizei machten die zwei Männer und eine Frau widersprüchliche Angaben über ihre Identität. "Zuerst sagten sie, sie würden für eine Entwicklungsorganisation arbeiten", sagte ein Polizist in Peschawar. "Dann erklärten sie, sie seien Mitarbeiter der deutschen Botschaft und hätten die Aufgabe, deutsche Entwicklungsprojekte in der Region zu überwachen." Keine ihrer Angaben hätten sie durch entsprechende Dokumente belegen können.
Etwas fand man nach pakistanischen Angaben dann doch: Visitenkarten mit dem Schriftzug der "Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit" (GIZ). Außerdem sollen sie ein Auto genutzt haben, das im Namen der GIZ angemeldet war. Aus pakistanischen Geheimdienstkreisen heißt es, die drei seien in Wahrheit BND-Mitarbeiter. "Wir haben sie eine Zeit lang beobachtet und festgestellt, dass sie spionieren", sagte ein mit dem Fall Vertrauter.
BND betreibt Ein-Mann-Büro in Peschawar
Der BND kommentiert den Fall nicht. Aber in deutschen und regionalen Sicherheitskreisen wurde bestätigt, dass es sich tatsächlich um deutsche Auslandsagenten handelt. Für die pakistanischen Angaben, denen zufolge sich die Festgehaltenen als Entwicklungshelfer ausgaben, gab es zunächst keine Bestätigung von deutscher Seite. In Berlin hieß es am Montag, offensichtlich wolle da jemand auf pakistanischer Seite die GIZ diskreditieren.
Aufgefallen seien die zwei Männer und die Frau, hieß es in Pakistan, weil man alle Ausländer in der Stadt überprüft habe, ob sie sich wie vorgeschrieben bei den Behörden registriert hätten. Bei den drei Deutschen soll das nicht der Fall gewesen sein. Man habe festgestellt, dass einer der drei ein Offizier mit dem Dienstgrad eines Oberst sein soll, der mehrjährige Erfahrung in der Auslandsspionage, unter anderem in Bosnien, habe. Die pakistanische Polizei teilte sogar ihre Namen mit und erlaubte der pakistanischen Presse, sie zu fotografieren.
Nach Informationen von SPIEGEL ONLINE wurden die drei zunächst an die deutsche Botschaft in Islamabad übergeben und noch in der Nacht zu Montag nach Deutschland ausgeflogen.
Der deutsche Geheimdienst betreibt seit Jahrzehnten ein Ein-Mann-Büro in Peschawar und hat weitere Beamte in der Botschaft in Islamabad. Regelmäßig reisen BND-Mitarbeiter aus Deutschland an, um ihre Kollegen zu unterstützen. Hauptauftrag ist die Beobachtung der Lage im kriselnden Pakistan und vor allem die Gewinnung von Informationen über Extremisten, insbesondere über deutsche Dschihadisten. Offiziell firmieren die Agenten als politische Berater.
Der Fall wirft etliche Fragen auf. Wissen das Entwicklungshilfeministerium und die GIZ, dass sich womöglich deutsche Agenten als Helfer tarnten? Hatten die Geheimdienstler dafür gar den Segen der Bundesregierung?
Die deutsche Botschaft in Islamabad wollte sich zu dem Fall nicht äußern. In Diplomatenkreisen heißt es nur, man habe seit dem Wochenende "eine Menge zu tun". Die GIZ betonte, dass es sich bei den drei Deutschen nicht um ihre Mitarbeiter handele. "Außerdem haben wir niemandem ein Auto geliehen", sagte eine Sprecherin. Was der BND dazu zu sagen habe, sei eine Frage, die man dem Geheimdienst stellen müsse.
Ähnlich äußerte sich ein Mitarbeiter von Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP): "Wir haben keine Kenntnisse über den Vorfall. Inwiefern Agenten sich die Identität als Entwicklungshelfer zu eigen machen, muss man den BND fragen." Mehr könne man dazu nicht sagen.
"Unter Generalverdacht"
In Pakistan sind viele deutsche Entwicklungshilfeorganisationen tätig, insbesondere seit der Flutkatastrophe im Sommer 2010 haben sie ihre Hilfe verstärkt. Jetzt fürchten sie, künftig für Spione gehalten zu werden. "Das ist eine durchaus lebensgefährliche Sache", sagte ein deutscher Entwicklungshelfer, der namentlich nicht genannt werden wollte. "Gerade Extremisten fackeln nicht lange, wenn sie jemanden für einen westlichen Spion halten. Und wir arbeiten viel in Regionen, in denen es Extremisten gibt."
Vergangene Woche erst war ein deutscher Entwicklungshelfer gemeinsam mit einem Italiener in der zentralpakistanischen Großstadt Multan entführt worden. Am Wochenende meldeten sich nach pakistanischen Angaben die Geiselnehmer, sie verlangten demnach ein Lösegeld. Ersten Erkenntnissen zufolge handele es sich bei den Entführern nicht um religiös motivierte Täter, sondern um "gewöhnliche Kriminelle", wie ein Polizist sagte.
Entführungen oder gar die Ermordung von Kollegen könnten die Folge sein, wenn der Eindruck entstünde, viele Helfer seien in Wahrheit Spitzel, sagen Entwicklungshelfer. "Wenn jetzt die Runde macht, dass Geheimagenten unter dem Deckmantel der Entwicklungshilfe operieren und unseren guten Ruf ausnutzen, um sich das Vertrauen ihrer Gesprächspartner zu erschleichen, geraten wir alle unter Generalverdacht", sagte der Mitarbeiter einer katholischen Hilfsorganisation in Islamabad. "Der Bundesnachrichtendienst muss sofort klarstellen, dass so etwas nie wieder vorkommen wird. Andernfalls können wir unsere Arbeit gleich einstellen."