Vorwürfe gegen Italiens Geheimdienst Geldkoffer für die Taliban
Hamburg - Die Dementi aus Rom könnten kaum schärfer formuliert sein: Der italienische Verteidigungsminister Ignazio La Russa bezeichnete einen Bericht der Londoner "Times" brachial als "Müll". Sein Regierungschef, der angeschlagene Premier , soll bereits seine Anwälte für eine Klage gegen das angesehene Blatt aus Großbritannien in Stellung bringen. Denn der langjährige Kabul-Korrespondent der "Times", Tom Coghlan, hat aus Nato-Kreisen Hinweise auf eine Geschichte bekommen, die für Rom sehr unangenehm werden könnte.
Im Kern der "Times"-Geschichte geht es um den Vorwurf, der italienische Geheimdienst habe in den Jahren 2007 und 2008 Kommandeure der radikal-islamistischen in den Regionen, in denen die italienische Armee stationiert war, mit Zehntausenden Dollar bestochen. Mit dem Geld, so der Bericht, sollten die Aufständischen überzeugt werden, keine Angriffe auf die Italiener auszuführen. Als Quellen nennt die "Times" mehrere hochrangige -Offizielle in Kabul, die - wie bei solchen Enthüllungsgeschichten üblich - nur anonym zitiert werden.
USA sollen Beweise für die Bestechung haben
Die fragwürdigen Zahlungen an die erklärten Feinde der Nato sollen erst im Nachhinein bekanntgeworden sein - durch vom US-Geheimdienst abgehörte Gespräche. Daraufhin hätten die USA, so der Bericht, sogar bei der Regierung in Rom interveniert und auf diplomatischem Wege um Aufklärung gebeten. Auch bei der Nato-Führung in Kabul soll die Geschichte für Verstimmung gesorgt haben. Ein ebenfalls nur anonym zitierter Geheimdienstmann sprach gegenüber der "Times" von einem "Skandal"; die Italiener hätten nun "sehr viele Fragen" zu beantworten.
Die Vorwürfe bekommen noch mehr Brisanz, da die Italiener offenbar auch ihre Nachfolger in der Region Sarobi nördlich von Kabul nicht von dem möglichen Cash-Deal informierten. Als die Franzosen im Sommer 2008 in dem Distrikt einrückten, nahmen sie demgemäß an, dass die Lage dort relativ friedlich ist. Nur kurz darauf verloren sie bei einem gut geplanten Hinterhalt der Taliban zehn Soldaten. Es war der bislang schwerwiegendste Angriff auf die französische Armee in Afghanistan.
Nun haben die Italiener den Tod der Franzosen sicher nicht unmittelbar in Kauf genommen. Jedoch wird es im Militärbündnis darum gehen, die angeblichen Zahlungen an die Taliban zu klären. Zwar zahlen die internationalen Truppen immer wieder Geld an lokale Führer und Stammesälteste, um deren Unterstützung zu gewinnen und vor allem Informationen über den bewaffneten Gegner zu bekommen. Direkte Bestechung der Taliban aber wäre ein Novum für Afghanistan, das auch juristische Fragen aufwirft.
Die italienische Regierung wies den Bericht am Donnerstag als "völlig unbegründet" zurück. Die Regierung von Ministerpräsident Silvio Berlusconi habe solche Zahlungen "weder gebilligt noch gewährt" und wisse auch nichts von einem anderen Vorgehen der Vorgängerregierung, hieß es in einer Erklärung. "Es reicht daran zu erinnern, dass das in Afghanistan stationierte italienische Kontingent in der ersten Jahreshälfte 2008 zahlreiche Angriffe erleiden musste."
Geld an die Feinde?
Der Sprecher der Nato-Truppe Isaf in Afghanistan, Eric Tremblay, sagte, eine Zahlung von Bestechungsgeldern sei keinesfalls "gängige Praxis" im Kampf gegen die Taliban. Allerdings gebe es in einigen Regionen gelegentlich Absprachen zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen.
Kenner Afghanistans halten die von der "Times" zitierten Vorwürfe für durchaus glaubhaft. So sei es üblich, dass Geheimdienste, allen voran die CIA, ohne Absprache mit den Armeeführungen vor Ort ihre eigenen Ziele verfolgten und abseits der Truppenstrategie Kontakte zum Feind knüpften.
Der italienische Dienst ist in bereits in der Vergangenheit in die Kritik geraten, als er Kabul bei der Entführung eines italienischen Reporters massiv unter Druck setzte, für die Lösung des Geiseldramas Taliban-Kämpfer aus dem Knast zu entlassen. Ebenso gerieten zwei Agenten des Dienstes schon im Oktober 2007 in Gefangenschaft. Damals gab es in politischen Kreisen bereits die Vermutung, die beiden hätten versucht, Taliban-Kommandeure zu bestechen. Geklärt werden konnte der Vorwurf auch damals nicht.
Zwischen Frankreich und sorgt der Vorgang schon jetzt für Verstimmung. Der sozialistische Fraktionschef Jean-Marc Ayrault forderte Verteidigungsminister Hervé Morin zu einer Stellungnahme auf. Morin müsse den Parlamentariern sagen, über welche Informationen er zu dem Fall verfüge. Sollten die Italiener tatsächlich Taliban-Kämpfer bestochen haben, wäre dies "sehr schlimm" und würde ein "generelles Problem" offenlegen. Existieren die Aufnahmen abgehörter Telefonate tatsächlich, könnten sie erstmals Beweise für ein solches Vorgehen liefern.